TE Vfgh Erkenntnis 1981/11/26 B484/79

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Veröffentlicht am 26.11.1981
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/01 Strafprozeß

Norm

StGG Art5
StPO §24

Leitsatz

StPO; Beschlagnahme von möglichem Beweismaterial; keine denkunmögliche Anwendung der §§24 und 98 Abs2

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei am Abend des 14. Oktober 1979 im 16. Wiener Gemeindebezirk von Sicherheitswachebeamten mit seinem PKW angehalten und sein Fahrzeug durchsucht worden. Bei der Durchsuchung habe man "auch tatsächlich eine Waffe gefunden".

Diese Vorgänge seien jedoch nicht Gegenstand der Beschwerde, sondern vielmehr die von den Sicherheitswachebeamten durchgeführte Beschlagnahme von zweihundert 10-Schilling-Münzen, vierzig 5-Schilling-Münzen und fünfzig 1-Schilling-Münzen im Gesamtwert von S 2.250,-, welche sich in einer Kassette für Diapositive ebenfalls im PKW befunden hätten. Der Beschwerdeführer sei sodann in Haft genommen worden - auch dies ist nicht Gegenstand der Beschwerde - und habe anläßlich seiner Enthaftung am folgenden Tag sämtliche Depositen bis auf die Waffe und die Münzen wieder ausgefolgt erhalten. Die Ausfolgung der Münzen sei dem Beschwerdeführer verweigert worden.

Der Beschwerdeführer beantragt, der VfGH möge "die Verfassungswidrigkeit" der von Organen der Bundespolizeidirektion Wien durchgeführten "Beschlagnahme und Nichtausfolgung" der Münzen kostenpflichtig feststellen.

2. Die belangte Behörde, vertreten durch die Finanzprokuratur, hat eine Gegenschrift erstattet und den in der Beschwerde dargestellten Sachverhalt im wesentlichen bestätigt.

Die belangte Behörde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der VfGH nimmt auf Grund des beiderseitigen Parteienvorbringens sowie auf Grund der Akten 6 U 1934/79 des Strafbezirksgerichtes Wien folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

In den Abendstunden des 14. Oktober 1979 fanden Sicherheitswachebeamte bei einer mit Zustimmung des Beschwerdeführers durchgeführten Durchsuchung im Kofferraum des PKWs des Beschwerdeführers unter der Gummimatte, welche das Reserverad verdeckt, eine Plastiktragtasche mit einer entsicherten Pistole Marke P 38 mit angestecktem Magazin. In einer weiteren Tragtasche im Kofferraum fanden die Beamten zwei Pakete Munition (9 mm Parabellum) mit 70 Patronen. Des weiteren fanden die Beamten eine Plastikschachtel mit zweihundert 10-Schilling-Münzen, vierzig 5-Schilling-Münzen und fünfzig 1-Schilling-Münzen.

Der Beschwerdeführer gab den Beamten gegenüber an, er sammle diese Münzen, da er mit Geldautomaten spiele.

Da die Plastikschachtel mit den Münzen jedoch in derselben Tragtasche gefunden worden war, in welcher die Munition lag, wurden die Münzen von den Sicherheitswachebeamten beschlagnahmt und von der belangten Behörde wegen dringenden Verdachtes einer strafbaren Handlung am 16. November 1979 zugleich mit der Anzeige gegen den Beschwerdeführer dem Strafbezirksgericht Wien übermittelt.

Der Beschwerdeführer wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 10. Jänner 1980, 6 U 1934/79, des Vergehens nach §36 Waffengesetz schuldig erkannt. Die Münzen wurden dem Beschwerdeführer (erst) mit Verfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 23. Oktober 1980 wieder ausgefolgt.

2. Der VfGH beurteilt diesen Sachverhalt rechtlich wie folgt:

Der bekämpfte, in das Eigentum eingreifende Akt wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 8471/1978 sowie 8815/1980) nur dann verfassungswidrig, wenn er ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.

Die belangte Behörde rechtfertigt die Beschlagnahme unter Hinweis auf die §§24, 98 und 144 StPO. §24 StPO bestimmt, daß die Sicherheitsbehörden allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Beschlagnahme von möglichem Beweismaterial, welches nach der Sicht der Behörde im Zeitpunkt der Amtshandlung im Hinblick auf die besonderen Umstände der Auffindung im Zusammenhang mit einer gerichtlich strafbaren Handlung stehen konnte. Auch Gefahr im Verzug war gegeben. Die Beschlagnahme erfolgte daher in denkmöglicher Anwendung des §24 StPO, sodaß auf das übrige Vorbringen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang nicht mehr eingegangen zu werden braucht.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §24 StPO sind weder vorgebracht worden noch beim VfGH entstanden (vgl. VfSlg. 3967/1961).

Zu der ebenfalls in Beschwerde gezogenen Verweigerung der Ausfolgung der Münzen durch die belangte Behörde ist zu bemerken, daß die Behörde diese Münzen in durchaus denkmöglicher Anwendung des §98 Abs2 StPO (wonach Gegenstände, an oder mit denen die strafbare Tat verübt worden ist, oder überhaupt Gegenstände, die vom Beschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen können, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen sind) dem Gericht übermittelt hat. Die Behörde hat daher auch diesbezüglich das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet.

Der Beschwerdeführer ist somit durch die von ihm in Beschwerde gezogene Amtshandlung von Organen der Bundespolizeidirektion Wien nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

3. Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Beschlagnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B484.1979

Dokumentnummer

JFT_10188874_79B00484_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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