RS Vwgh 2005/7/7 2004/07/0070

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Veröffentlicht am 07.07.2005
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Index

E1E
E6J
L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Vorarlberg
59/04 EU - EWR
80/06 Bodenreform

Norm

11997E033 EG Art33;
11997E056 EG Art56;
62001CJ0452 Ospelt VORAB;
FlVfGG §15;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §31 Abs1;

Rechtssatz

Die Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die Wahrung einer die Entwicklung lebensfähiger Betriebe sowie die harmonische Pflege des Raumes und der Landschaft ermöglichenden Aufteilung des Grundeigentums und die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Vorbeugung gegen natürliche Gefahren stellen im gesellschaftlichen Interesse liegende Ziele dar (Hinweis EuGH Urteil 23.9.2003, Rs C-452/01, Ospelt). Ein weiteres im Allgemeininteresse liegendes Ziel ist Art 33 Abs 1 lit b EG zu entnehmen. Nach dessen lit a ist im Zusammenhang mit der Gestaltung und der dabei anzuwendenden Methoden der gemeinsamen Agrarpolitik auch die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Diesen Vorgaben dient die Agrargemeinschaft und die durch sie geschaffene Bewirtschaftungsstruktur, mit deren Hilfe landwirtschaftliche Betriebe ihren Bewirtschaftungserfolg absichern können und eine zielgerichtete und vernünftige Nutzung verfügbarer Flächen erreicht wird. Die aktive gemeinsame Nutzung einer Mehrzahl von Berechtigten bildet ein Wesensmerkmal agrargemeinschaftlicher Grundstücke. Der Zweck der Nutzung dieser Grundflächen lag und liegt in der Erleichterung der Wirtschaftsführung von berechtigten Liegenschaften (Stammsitzliegenschaften) oder von Betrieben berechtigter Personen. Primärer Zweck einer Agrargemeinschaft einst und jetzt liegt in der Verwaltung, pfleglichen Bewirtschaftung und Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke gemäß den Anteilsrechten und den Vorschriften in Regulierungsplänen und Satzungen. Die Agrargemeinschaften hatten und haben zweifelsfrei einen großen Einfluss auf die Erhaltung einer funktionsfähigen landwirtschaftlichen Struktur und ihre Tätigkeit liegt schon daher im allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes.

Agrargemeinschaften können nur bei einer aktiven Beteiligung aller Anteilsberechtigten klaglos und im Sinne ihrer Zielbestimmung funktionieren. Eine aktive Beteiligung der Anteilsberechtigten wird nun umso schwieriger, je größer die räumliche Entfernung zwischen Gemeinschaftssitz und dem Ort der agrargemeinschaftlichen Grundstücke einerseits und dem Wohnort des Berechtigten andererseits ist. Bei größerer Entfernung von Wohnort zu den agrargemeinschaftlichen Flächen kann naturgemäß auch der Bezug zum Gemeinschaftsbesitz und das Verständnis für notwendige Investitionen langfristig verloren gehen. Vom historischen Verständnis her handelt es sich bei diesen Nutzungsrechten um Rechte einer örtlich abgrenzbaren Gemeinschaft (vgl.dazu § 31 Abs. 1 Vlbg FlVfLG 1979, wo von "Ortschaften, Nachbarschaften, Interessentschaften oder ähnlichen agrarischen Gemeinschaften" die Rede ist), die regelmäßig von den Einkünften land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ihren Lebensunterhalt bestritten. In Vorarlberg ist das Phänomen walzender Anteilsrechte weit verbreitet. Regeln, die auf Zugehörigkeitselemente zu jener Ortsgemeinde abstellen, deren seinerzeitiges Gemeinschaftsgut ihrer Bürger von der später gebildeten Agrargemeinschaft verwaltet wird, werden auch den historischen Wurzeln dieser Gemeinschaften durchaus gerecht (Hinweis E 25. April 2002, 99/07/0206). Eine Agrargemeinschaft schafft Strukturen in einem örtlich abgrenzbaren Bereich. Sie bildet den Kreis der Personen ab, durch deren Zusammenarbeit ihre wirtschaftliche Funktion bewirkt wird, wobei diese Personen umgekehrt von den ihnen als Mitglieder der Agrargemeinschaft zustehenden Rechten wirtschaftlich profitieren. Hinsichtlich dieses Personenkreises bedeutet ein Abstellen auf die Nähe des Wohnsitzes daher nicht nur eine rein räumliche Komponente; damit wird eine Abgrenzung dahin vorgenommen, dass nur jene Personen umfasst werden, die in diese örtliche Gemeinschaft integriert sind und die sich in den sozial gewachsenen Strukturen im Umfeld einer Agrargemeinschaft bewegen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 62001J0452 Ospelt VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004070070.X04

Im RIS seit

08.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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