TE Vfgh Erkenntnis 1981/12/15 B231/81

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Veröffentlicht am 15.12.1981
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art83 Abs2
ZDG §5 Abs1 idF BGBl 496/1980

Beachte

ähnlich B391/81 vom gleichen Tag

Leitsatz

Zivildienstgesetz; Auslegung des §5 Abs1 Z1; Entzug des gesetzlichen Richters durch rechtswidrige Verneinung des Antragsrechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer wurde mit dem (ihm am 1. Dezember 1978 zugestellten) Einberufungsbefehl des Militärkommandos Wien vom 17. November 1978 für den 2. Jänner 1979 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen. Diese Einberufung wurde mit Schreiben des Militärkommandos Wien vom 19. Dezember 1978 rückgängig gemacht, nachdem der Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 15. Dezember 1978 gemäß §37 Abs2 lita des Wehrgesetzes 1978 von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes aus öffentlichem Interesse von Amts wegen bis 15. November 1980 befreit worden war.

2. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1980 wies die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDK), Senat 4, den Antrag des Beschwerdeführers vom 17. September 1980 auf Befreiung von der Wehrpflicht unter Berufung auf §§2 Abs1, 5 Abs1 und 6 Abs1 des Zivildienstgesetzes-ZDG, BGBl. 187/1974, mit der Begründung zurück, daß die gemäß der bis 30. November 1980 geltenden Rechtslage (in §5 Abs1 ZDG) vorgeschriebene Frist von 10 Tagen bei Einbringung des Antrags bereits abgelaufen gewesen sei.

3. Am 29. Dezember 1980 brachte der Beschwerdeführer beim Militärkommando Wien einen weiteren Antrag auf Wehrpflichtbefreiung ein. Auch diesen Antrag wies die ZDK, Senat 4, zurück. Sie begründete ihren unter Bezugnahme auf §2 Abs1 iVm §5 Abs1 Z1 und §6 Abs1 ZDG (idF der Nov. BGBl. 496/1980) erlassenen Bescheid vom 30. März 1981 folgendermaßen:

Der Einberufungsbefehl sei dem Beschwerdeführer im November 1978 zugestellt und sein Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht sei am 17. September 1980 beim Militärkommando Wien eingebracht worden. Nach §5 Abs1 Z1 und 2 ZDG sei bei der erstmaligen Einberufung zum Grundwehrdienst ein solcher Antrag beim zuständigen Militärkommando oder im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission bis spätestens nach Ablauf von 10 Tagen nach der Zustellung des Einberufungsbefehles oder nach allgemeiner Bekanntmachung der Einberufung zum Grundwehrdienst schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben. Da die vorgeschriebene Frist bei Einbringung des Antrages bei der zuständigen Stelle bereits abgelaufen gewesen sei, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.

4. Gegen den Bescheid vom 30. März 1981 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. §5 Abs1 ZDG erhielt durch ArtII Z6 Zivildienstgesetz-Nov. 1980, BGBl. 496, eine neue Fassung, die - soweit sie hier von Bedeutung ist - mit 1. Dezember 1980 wirksam wurde (ArtIV Abs1 Z5 dieser Nov.). Danach kann nunmehr der Wehrpflichtige, der "tauglich" zum Wehrdienst iS des Wehrgesetzes 1978 befunden wurde, aus den im §2 Abs1 genannten Gründen seine Befreiung von der Wehrpflicht - von den in der Folge angeführten Ausnahmen abgesehen - jederzeit beantragen. Eine dieser Ausnahmen enthält die Z1 im 5 Abs1 ZDG, der zufolge das Antragsrecht "bei der erstmaligen Einberufung zum Grundwehrdienst ab dem zehnten Tag nach Zustellung des Einberufungsbefehles oder allgemeiner Bekanntmachung der Einberufung bis zur Entlassung aus dem Grundwehrdienst" ruht.

Die belangte ZDK nimmt im vorliegenden Fall unter Bedachtnahme auf den an den Beschwerdeführer ergangenen Einberufungsbefehl vom 17. November 1978, dessen Zustellung "im November 1978" (nach der Aktenlage: am 1. Dezember 1978) sowie das Unterlassen einer Antragstellung auf Wehrpflichtbefreiung innerhalb der ab dieser Zustellung berechneten 10tägigen Antragsfrist das Vorliegen des Ruhensgrundes der Z1 im §5 Abs1 an. Diese Annahme setzt die in der Bescheidbegründung zwar nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber aus dem Zusammenhang zweifelsfrei ersichtliche Meinung voraus, daß dieser Ruhensgrund nach Erlassung eines ersten Einberufungsbefehls zum Grundwehrdienst so lange andauert, bis der Einberufene den Grundwehrdienst antrat und daraus entlassen wurde.

Der VfGH vermag sich dieser Meinung jedoch nicht anzuschließen.

Der Gesetzgeber hat für das Enden des in Z1 des §5 Abs1 umschriebenen Ruhensgrundes das Tatbestandsmerkmal der "Entlassung aus dem Grundwehrdienst" festgelegt. Da eine "Entlassung aus dem Grundwehrdienst" begrifflich den Antritt dieses Dienstes voraussetzt, müssen Verfügungen, welche die Verpflichtung zum Dienstantritt aufheben oder suspendieren, notwendig auch die Rechtsfolgen beseitigen, die der Antritt und die weitere Ableistung des Grundwehrdienstes im System des §5 Abs1 Z1 nach sich ziehen.

Verliert ein Einberufungsbefehl (aus welchen Gründen immer - zB als Folge des Aufschubes des Antrittes des Grundwehrdienstes gemäß §37 Abs6 litb WehrG 1978 wegen eines Hochschulstudiums) seinen verpflichtenden Charakter, so endet damit auch der Ruhensgrund, da er durch die Leistung des Grundwehrdienstes nicht nur befristet, sondern auch bedingt ist; mit der Beendigung des Ruhensgrundes lebt aber das im ersten Satz des §5 Abs1 festgelegte Antragsrecht wieder auf. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung zu verstehende Wendung "erstmalige Einberufung" bedeutet also nicht etwa den zeitlich ersten Einberufungsbefehl schlechthin, sondern jenen ersten Einberufungsbefehl, der dem tatsächlichen Antritt des bis zur Entlassung abzuleistenden Grundwehrdienstes zugrunde liegt.

2. Aus den vorstehenden Darlegungen folgt, daß die belangte ZDK den von ihr herangezogenen Ruhensgrund des §5 Abs1 Z1 ZDG bei der gegebenen Sachlage zu Unrecht annahm. Da kein sonstiger Anlaß gegeben war, das Antragsrecht des Beschwerdeführers - auch bloß für einen beschränkten Zeitraum - zu verneinen, wurde er in seinem Recht auf eine Sachentscheidung über seinen Antrag und damit iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Zivildienst

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B231.1981

Dokumentnummer

JFT_10188785_81B00231_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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