TE Vfgh Beschluss 1981/12/16 V19/79

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Veröffentlicht am 16.12.1981
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 05.10.78 über ein Fahrverbot für Kleinmotorräder auf Autobahnen, BGBl 514/1978

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung des BM für Verkehr vom 5. Oktober 1978 über ein Fahrverbot für Kleinmotorräder auf Autobahnen, BGBl. 514/1978; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller begehrt gemäß Art139 B-VG, die Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 5. Oktober 1978 über ein Fahrverbot für Kleinmotorräder auf bestimmten Autobahnen, BGBl. 514/1978, ihrem gesamten Inhalt nach aufzuheben. Diese Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des §43 Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 412/1976 wird verordnet:

§1. (1) Die gemäß §43 Abs3 lita StVO 1960 zu Autobahnen erklärten und mit dem Hinweiszeichen nach §53 Z8a als solche angezeigten Straßen dürfen mit Kleinmotorrädern (§2 Z15a des Kraftfahrgesetzes 1967 in der Fassung der 4. KFG-Nov., BGBl. Nr. 615/1977) nicht befahren werden.

(2) Abs1 gilt nicht für die im Verzeichnis 1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, angeführte Bundesautobahn A 3 im Bereich von Burgenland.

§2. Diese Verordnung tritt mit 1. November 1978 in Kraft."

1.2. Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz im 22. Wr. Gemeindebezirk; er arbeitet im 1. Bezirk. Nach seinem Vorbringen ist er Inhaber eines Führerscheines der Gruppe A, der ihn zum Lenken von Motorrädern iS des §2 Z15 KFG 1967 - und damit auch zum Lenken von Kleinmotorrädern iS des §2 Z15a des KFG 1967 idF der 4. KFG-Nov. BGBl. 615/1977 - berechtigt; er ist auch Eigentümer eines Kleinmotorrades (der Type KTM Comet GP 50 RSL mit einem Hubraum von 49 Kubikcentimeter und einer Motorleistung von 4 kW) iS dieser Gesetzesstelle.

Mit diesem Kleinmotorrad könne er die Wr. Innenstadt unter Benützung der sogenannten "Gürtelautobahn" auf einem ca. 6 km kürzeren Weg erreichen als auf allen anderen Fahrtrouten; seine Fahrzeit vermindere sich hiebei um 25 bis 45 Minuten. Durch die bekämpfte Verordnung werde ihm dies verwehrt, sodaß durch sie in sein Eigentum unmittelbar eingegriffen werde, da ihm durch die längere Wegstrecke ein erhöhter Kostenaufwand für Treibstoff erwachse. Dadurch würden seine rechtlich geschützten Interessen aktuell beeinträchtigt.

Da er gemäß §46 Abs1 StVO 1960 mit seinem Kleinmotorrad Autobahnen benützen dürfe, werde durch die Verordnung - die ihm dies verbiete - in dieses Recht ohne Erlassung eines Bescheides eingegriffen.

Die Inkaufnahme einer Bestrafung gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 für ein der bekämpften Verordnung widersprechendes Fahren mit seinem Kleinmotorrad auf der Autobahn, die dann von ihm im Instanzenzug bekämpft werden könnte, sei ihm nicht zumutbar (Geldstrafe bis zu S 10.000,-), zumal er bei Betretung auf frischer Tat durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch eine Festnehmung gemäß §35 litc VStG 1950 riskieren müßte, falls er "mitten auf einer Autobahn durch ein Sicherheitsorgan aufgehalten werde". In der vorliegenden Individualbeschwerde liege daher für ihn der einzig zumutbare Weg, gegen die Verordnung Rechtsschutz zu erhalten.

2. Vom Bundesminister für Verkehr wird die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Regelung verteidigt und der Antrag gestellt festzustellen, daß die Verordnung nicht gesetzwidrig ist.

3. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

3.1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Der VfGH hat seit dem Beschluß VfSlg. 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß die in Art139 Abs1 letzter Satz B-VG festgelegten Voraussetzungen des Individualantrages von vornherein nur bei solchen Rechtsträgern zutreffen können, die in bezug auf die anzufechtende Verordnung Normadressaten sind (vgl. VfSlg. 8404/1978, VfGH 2. 12. 1980 G5/77, V2/77; 27. 2. 1981 B335/80) und daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen (VfSlg. 8396/1978, 8698/1979).

3.2. Mit der angefochtenen Verordnung wurde ein allgemeines Fahrverbot für Kleinmotorräder (§2 Ziffer 15a KFG 1967 idF BGBl. 615/1977) auf Autobahnen - ausgenommen der A 3 - erlassen. Der Antragsteller bringt vor, daß er Eigentümer eines Kleinmotorrades iS der genannten Gesetzesstelle und Inhaber eines Führerscheines, der ihm zum Lenken dieses Kleinmotorrades berechtigt, ist. Von seinem Wohnsitz im 22. Wr. Gemeindebezirk würde er bei Befahren der sogenannten "Gürtelautobahn" seinen Arbeitsplatz im 1. Bezirk wesentlich rascher erreichen als bei Benützung jeder anderen Fahrtroute; die längere Fahrstrecke belaste ihn auch mit erhöhten Treibstoffkosten.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch eine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Antragstellers nicht dargetan. Auch wenn er durch die bekämpfte Verordnung stärker berührt werden sollte als andere Verkehrsteilnehmer, genießt sein Interesse an der Teilnahme am Gemeingebrauch rechtlichen Schutz doch nur in jenem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein gezogen ist. Besondere Umstände, die es erlauben würden, einen aktuellen Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessensphäre anzunehmen - wie etwa das Verbot des Anfahrens eines Warenumschlagplatzes (VfSlg. 8984/1980) oder die Sperre der Zufahrt zu einem Grundstück (VfSlg. 9089/1981) - sind nicht zu erkennen.

3.3. Damit war der Antrag des Einschreiters wegen fehlender Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V19.1979

Dokumentnummer

JFT_10188784_79V00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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