TE Vfgh Erkenntnis 1982/2/26 B182/79

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Veröffentlicht am 26.02.1982
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art140 Abs7 dritter Satz
B-VG Art140 Abs7 erster Satz
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
GSPVG §3 Z7 idF BGBl 32/1973

Leitsatz

GSPVG; keine gleichheitswidrige Anwendung des §3 Z1 infolge Unangreifbarkeit der Norm

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Steuerberater und gemäß §2 Abs2 Z1 GSPVG seit 1. Jänner 1958 nach dem GSPVG pflichtversichert. Da er ab dem Jahr 1961 aus einer Pensionsversicherung nach dem ASVG eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im Ausmaß von mehr als S 750,- monatlich bezog, wurde mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 2. Dezember 1977 unter Berufung auf §3 Z7 GSPVG festgestellt, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner 1961 bis zum 31. Mai 1975 von der Pflichtversicherung nach dem GSPVG ausgenommen gewesen sei. Da §3 Z7 GSPVG vom VfGH mit Wirkung ab 1. Juni 1975 aufgehoben worden sei, sei der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt wieder pflichtversichert nach dem GSPVG.

Dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Sbg. vom 22. Juni 1978 Folge gegeben und festgestellt, daß für die Zeit vom 1. Jänner 1961 bis zum 31. Mai 1975 die Pflichtversicherung nach §2 GSPVG aufrecht bleibe.

Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 21. März 1979 wurde der Berufung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Sbg. Folge gegeben und festgestellt, daß der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Jänner 1961 bis zum 31. Mai 1975 von der Pensionsversicherungspflicht gemäß §3 Z7 GSPVG ausgenommen war.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sei §3 Z7 GSPVG infolge seiner Aufhebung durch den VfGH bereits aus dem Rechtsbestand ausgeschieden gewesen und deshalb bei Erlassung des Bescheides nicht mehr anzuwenden gewesen.

Die belangte Behörde und die beteiligte Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft haben die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung von Gegenschriften aber abgesehen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Jänner 1961 bis zum 31. Mai 1975 von der Pensionsversicherungspflicht gemäß §3 Abs1 Z7 GSPVG (seit der Nov. BGBl. 32/1973 3 Z7 GSPVG) ausgenommen war. In der Begründung wird ausgeführt:

"Gemäß §3 Abs1 Z7 bzw. §3 Z7 GSPVG waren verheiratete Personen, die eine Leistung aus einer anderen Pensionsversicherung als nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bezogen, von der Versicherung nach dem GSPVG ausgenommen, sofern dieser Pensionsbezug den Betrag von S 750,- monatlich überschritt. Hiebei spielte es nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. dessen Erk. vom 6. 12. 1972, Zl. 461/72) keine Rolle, wenn ein Teil der Pension ruhte. Diese Ausnahmebestimmung wurde mit Erk. des VfGH vom 10. 10. 1974, GZ. 18/74, aufgehoben, wobei der VfGH festsetzte, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. 5. 1975 in Kraft tritt.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß Herr J. St. seit 1. 1. 1958 zum Personenkreis des §2 GSPVG zählt. Wie den Bestätigungen der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 26. 9. 1977 und vom 17. 10. 1977 zu entnehmen ist, bezieht er eine Berufsunfähigkeitspension, die ab 1. 1. 1961 den Betrag von S 750,-

überschreitet.

Angesichts dieser Tatsache und der erwähnten Aufhebung der oben zitierten Ausnahmebestimmung durch den VfGH mit Wirksamkeit vom 31. 5. 1975 ist der von der Berufungswerberin vertretenen Rechtsauffassung, daß diese Bestimmung für den vor dem 31. 5. 1975 gelegenen Zeitraum anzuwenden war, beizupflichten."

2. In der Beschwerde wird die Verletzung des Gleichheitsrechtes infolge Anwendung des §3 Z7 GSPVG behauptet. Diese Bestimmung sei vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben worden und bei Erlassung des Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bereits aus dem Rechtsbestand ausgeschieden und deshalb nicht mehr anzuwenden gewesen.

3. a) Nach §3 Z7 GSPVG waren Personen, die nach einer anderen Pensionsversicherung eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit bezogen, für die Dauer des Bezuges solcher Leistungen von der Pflichtversicherung nach §2 GSPVG ausgenommen, sofern die Leistung bei verheirateten Personen

S 750,- und bei unverheirateten Personen S 550,- monatlich überschritt.

b) Mit Erk. VfSlg. 7330/1974 hat der VfGH die Worte "bei verheirateten Personen 750,- S monatlich" in §3 Abs1 Z7 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes in den Fassungen BGBl. 65/1959, BGBl. 7/1968 und BGBl. 447/1969 wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben und bestimmt, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Mai 1975 in Kraft trete. (In der Folge kam es mit Erk. VfSlg. 7394/1974 zu einer vollständigen Aufhebung des §3 Abs1 Z7 GSPVG in den genannten Fassungen. Für das Inkrafttreten der Aufhebung wurde ebenfalls eine Frist bis 31. Mai 1975 gesetzt.)

c) Aufhebende Erk. des VfGH wirken, außer in dem Rechtsfall, der den Anlaß für das Gesetzesprüfungsverfahren gebildet hat, vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlaßfalls - ist jedoch kraft der ausdrücklichen Anordnung in Art140 Abs7 B-VG das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erk. nichts anderes ausspricht (was im vorliegenden Fall weder in VfSlg. 7330/1974 noch in VfSlg. 7394/1974 geschehen ist).

Die vom VfGH aufgehobene Gesetzesbestimmung ist daher von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlaßfalls - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen (vgl. VfSlg. 6442/1971 ua.). Dies gilt auch für den VfGH selbst; die von ihm aufgehobene Gesetzesstelle kann nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein. Durch die Erk. VfSlg. 7330/1974 und 7394/1974 wurden die aufgehobenen Gesetzesvorschriften für die Vergangenheit unangreifbar (vgl. VfSlg. 8277/1978); hieran hat die B-VG-Nov., BGBl. 302/1975, die keine solche Fälle erfassende besondere Vorschrift enthält, nichts geändert.

d) Der angefochtene Bescheid spricht über die Versicherungspflicht nach dem GSPVG im Zeitraum vom 1. Jänner 1961 bis zum 31. Mai 1975 ab. Er stützt sich hiebei auf die mit den Erk. VfSlg. 7330/1974 und 7394/1974 aufgehobenen Fassungen des §3 Z7 GSPVG. Der Sachverhalt, auf den sich die bescheidmäßige Erledigung bezieht, liegt vor Wirksamkeitsbeginn der Aufhebungen. Die aufgehobene Gesetzesstelle war daher im Verfahren von den Verwaltungsbehörden und auch im Verfahren vor dem VfGH als verfassungsrechtlich unangreifbare Norm anzuwenden.

e) Die behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes infolge Anwendung des §3 Z7 GSPVG liegt somit nicht vor.

4. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte somit nur dann vorliegen, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte. Derartiges wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht und ist auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B182.1979

Dokumentnummer

JFT_10179774_79B00182_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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