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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde einer Agrargemeinschaft mangelsLegitimation; kein Nachweis einer auf die Beschwerdeerhebung vor demVerfassungsgerichtshof gerichteten, rechtzeitig erfolgtenWillensbildung innerhalb des KollegialorgansSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Eisenerzer Waldgenossenschaft, einer Agrargemeinschaft im Sinne des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes 1985, LGBl. Nr. 8/1986, zuletzt geändert durch Landesgesetz LGBl. Nr. 78/2001, richtet sich gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 4. Jänner 2005, mit dem im Spruchpunkt I der Bescheid der Berghauptmannschaft Leoben vom 8. Juni 1998, GZ 52.636/4/98, mit dem "der Antrag der Eisenerzer Waldgenossenschaft vom 23. Juni 1986 ... auf Rückübereignung von Grundstücken in der KG Trofeng, EZ 90, wegen Unzuständigkeit der Berghauptmannschaft Leoben zurückgewiesen" wurde, behoben wurde.
Im Spruchpunkt II des Bescheides wurde über die Anträge der Eisenerzer Waldgenossenschaft wie folgt entschieden:
"a) Der Antrag vom 23. Juni 1986 ('wiederholt' mit Schreiben vom 17. Juni 1999) auf Feststellung, dass die Grundstücke Nrn. 168/1, 168/2, 168/4, 168/17, 168/18, 168/19, 168/20, 168/23, 174 und 176 der Kat. Gem. Trofeng nie zu dem Zweck verwendet worden seien, zu dem sie enteignet wurden, wird als unzulässig zurückgewiesen.
b) Der Antrag vom 23. Juni 1986 ('wiederholt' mit Schreiben vom 17. Juni 1999), den Enteignungs- und Entschädigungsbeschluss der Reichsstelle für Landbeschaffung Berlin vom 24. September 1940, GZ 1854 Beiheft 137, Tgb. Nr. II 4743/40, und den hiezu ergangenen Berichtigungsbeschluss vom 18. November 1940, GZ 1854 Beiheft 137, Tgb. Nr. II 5542/40, hinsichtlich der oben im Punkt a) angeführten Grundstücke aufzuheben und diese Grundstücke in das bücherliche Eigentum der Eisenerzer Waldgenossenschaft zu übertragen, wird abgewiesen.
c) Der Antrag vom 23. Juni 1986 ('wiederholt' mit Schreiben vom 17. Juni 1999), die 'Einleitung der Aufhebung' der oben in Punkt b) angeführten Beschlüsse bei der im Grundbuch des Bezirksgerichtes Eisenerz einkommenden Liegenschaft EZ 90 der Kat. Gem. Trofeng, hinsichtlich der oben in Punkt a) angeführten Grundstücke anzumerken, wird als unzulässig zurückgewiesen.
d) Der Antrag vom 7. März 1988 ('wiederholt' mit Schreiben vom 17. Juni 1999), 'die entscheidende Behörde wolle die Anmerkung der Rückübereignung der zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 90 der Kat. Gem. Trofeng gehörigen Grundstücke Nrn. 168/1, 168/2, 168/4, 168/17, 168/18, 168/19, 168/20, 168/23, 174 und 176 im Grundbuch des Bezirksgerichtes Eisenerz beantragen', wird als unzulässig zurückgewiesen."
2. Da aus der vorliegenden Beschwerde nicht hervorging, ob ihre Einbringung auf einem entsprechenden Beschluss des zuständigen Organs der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft beruht, forderte der Verfassungsgerichtshof diese unter Fristsetzung auf, den Nachweis des auf die Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschlusses des hiefür zuständigen Organs zu erbringen sowie mitzuteilen, wer dem einschreitenden Rechtsanwalt die Vollmacht zur Beschwerdeerhebung erteilt hat.
3. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft erstattete innerhalb der gesetzten Frist nachstehende Stellungnahme:
"Nach der 'Normale' der Eisenerzer Waldgenossenschaft, die eine Agrargemeinschaft im Sinne des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes idgF ist, sind nachstehende Organe vorgesehen:
Vorstand
Vorstandstellvertreter
Schriftführer
Kassier
(Wirtschafts-)Ausschuss
Generalversammlung
Der (Wirtschafts-)Ausschuss entscheidet in der Regel durch einfache Stimmenmehrheit.
Es ist in der Normale weiters vorgesehen, dass der Wirtschaftsausschuss viermal jährlich tagt.
Für die Entscheidung, ob ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf eingebracht wird, ist der (Wirtschafts-)Ausschuss der Eisenerzer Waldgenossenschaft entscheidungsbefugt.
Der Bescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 04.01.2005, GZ. BMWA-63.220/5002-IV/6/2004, wurde der Eisenerzer Waldgenossenschaft, zu Handen des Vorstandes K M, am 10.01.2005 zugestellt.
Die nächste turnusmäßige Sitzung des Ausschusses der Eisenerzer Waldgenossenschaft ist im März 2005 vorgesehen gewesen.
Der Vorstand hat nunmehr - die Satzungen (Normale) sprechen nicht gegen eine solche Vorgangsweise - im Wege eines telefonischen Umlaufbeschlusses die Ausschussmitglieder zur Frage der Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde kontaktiert und wurde der einstimmige Beschluss gefasst, dass als 'letzter Schritt' im jahrzehntelangen Streit über die seinerzeit erfolgte Enteignung eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes erfolgen soll.
Dem gemäß haben am 07.02.2005 Herr K M (Vorstand) und Herr A K (Schriftführer) bei RA Dr. M A vorgesprochen, den Sachverhalt dargelegt und den Auftrag zur Beschwerdeausführung erteilt.
In der turnusmäßigen Ausschusssitzung vom März 2005 wurde vom Vorstand tagesordnungsgemäß berichtet, dass die Verfassungsgerichtshofbeschwerde fristgerecht abgefertigt worden sei; die Beschwerde wurde in der Ausschusssitzung verlesen.
...
Eine Befassung der Generalversammlung mit der Auftragserteilung zur Ausführung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde ist aus der Normale, insbesondere aus §23 derselben, nicht ableitbar.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen - wie im Rahmen der Verfassungsgerichtshofbeschwerde dargestellt - dass der 'Streit' über die seinerzeitige Enteignung zugunsten der Alpine Montan Aktiengesellschaft 'Hermann Göring' seit dem Jahr 1986 anhängig ist.
Aus der Sicht des Vorstandes der Beschwerdeführerin bedürfen daher einzelne weitere Verfahrensschritte, insbesondere nach einer Verfahrensdauer von nahezu 20 Jahren keiner (weiteren) Beschlussfassung durch den gesamten Wirtschaftsausschuss, zumal die Einbringung eines Rechtsbehelfes wie einer Höchstgerichtshofbeschwerde vom ursprünglichen Beschluss des Wirtschaftsausschusses durchaus gedeckt erscheint."
Neben zweier Zeichnungsbestätigungen der Agrarbezirksbehörde Leoben und einer Liste der Mitglieder des (Wirtschafts-) Ausschusses der Eisenerzer Waldgenossenschaft, legte die Beschwerdeführerin ein Schriftstück vor, in dem am Beginn Folgendes steht:
"Telefonischer Rundlauf WA-Mitglieder
i. S. P:
Eingabe an Verfassungsgericht"
Sodann wird eine Liste mit Namen und teilweise Telefonnummern wiedergegeben, die jeweils unter der Überschrift "Ja" abgehakt sind.
Die letzte Zeile lautet:
"Eisenerz, 2006-01-10"
4. Die maßgebenden Bestimmungen der 'Normale' der Eisenerzer Waldgenossenschaft lauten wie folgt:
"§13.
Ausschuß^
Das Gesellschafts-Vermögen wird von einem Ausschusse verwaltet. Der Ausschuß besteht aus neun Mitgliedern und drei Ersatzmännern.
...
§16.
Funktionen des Vorstandes
Der Vorsteher und im Falle der Verhinderung dessen Stellvertreter repräsentieren die Genossenschaft nach außen.
Rechtsurkunden, welche von der Genossenschaft ausgestellt werden, müssen von dem Vorstande und außerdem zweien Ausschüssen gezeichnet werden.
Der Vorsteher beruft die Ausschüsse nach Erfordernis zu den Ausschußsitzungen und führt bei denselben den Vorsitz.
Wenigstens alle drei Monate muß eine ordentliche Ausschußsitzung ausgeschrieben werden. ...
...
§23
Beschlußfassung
Zu giltigen Beschlußfassungen bei Ausschußsitzungen genügt die Anwesenheit von fünf Ausschußmitgliedern inklusive des Vorstehers. ...
Wenn aber Käufe und Verkäufe über Grund und Boden oder Vorschläge über Statutenänderungen, oder die Verteilung von Wirtschaftsüberschüssen zu beraten kommen, so müssen zur giltigen Beschlußfassung mindestens sieben Ausschüsse inklusive des Vorsehers anwesend sein.
Handelt es sich aber um Geschäfte über eine Summe oder einen Wert von mehr als 10.000 fl. ö. W., oder die definitive Statutenabänderung selbst, so kann der Ausschuß hierüber nicht mehr giltig beschließen, sondern es muß hiezu eine Versammlung aller Genossenschafter ausgeschrieben oder die Verhandlung über den Gegenstand bis zur ordentlichen Jahresversammlung vertagt werden. ...
Ein Antrag wird nur durch absolute Mehrheit der Stimmen, welche sich auf denselben einigen, zum Beschlusse.
§24.
Rechte und Pflichten des Ausschusses
Der Ausschuß ist der Genossenschaft für die Führung der Geschäfte und die Verwaltung des Vermögens haftungspflichtig. ..."
5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes haben Gebietskörperschaften, sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie Vereine die auf eine Beschwerdeerhebung nach Art144 B-VG gerichtete Willensbildung nachzuweisen. Dieser Beschluss des zuständigen Kollegialorgans muss innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist gefasst worden sein (VfSlg. 10.646/1985, 13.792/1994, 14.583/1996, 14.727/1997, 15.563/1999; VfGH 8.6.2004, B70/04; VfGH 4.3.2005, B111/05; VfGH 28.2.2005, B612/03; VfGH 12.10.2005, B1215/04).
Bezüglich der an den einschreitenden Rechtsanwalt erteilten Vollmacht wurde eine aufsichtsbehördliche Bestätigung der Agrarbezirksbehörde für Steiermark/Dienststelle Leoben vom 7. Juni 2004 betreffend die Befugnis des Vorstandes, des Vorstand Stellvertreters und des Schriftführers namens der Agrargemeinschaft Eisenerzer Waldgenossenschaft auf Grund der Neuwahl des Ausschusses vom 28. Mai 2004 rechtsverbindlich zu zeichnen sowie eine Bestätigung derselben Behörde vom 13. April 2005 bezüglich der Befugnis des Vorstandes und zweier Ausschussmitglieder namens der Agrargemeinschaft Eisenerzer Waldgenossenschaft den notariellen Abtretungsvertrag vom 29. März 2005 rechtsverbindlich zu zeichnen, vorgelegt.
Die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde ist bereits am 23. Februar 2005 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Aus dem vorgelegten Schriftstück mit Datum 10. Jänner 2006 geht nicht hervor, was betreffend die "Eingabe an das Verfassungsgericht" wirklich im telefonischen Rundlauf beschlossen worden sein soll. Ein "Rundlaufbeschluss", der fast ein Jahr nach Einbringung gegenständlicher Beschwerde gefasst wurde, kann jedenfalls nicht eine innerhalb der Beschwerdefrist eingebrachte Beschwerde betreffen.
Ein Nachweis der auf die Beschwerdeerhebung gerichteten Willensbildung bzw. eines innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist gefassten Beschlusses des zuständigen Kollegialorgans anhand eines Auszuges aus dem Sitzungsprotokoll wurde jedenfalls nicht erbracht.
Da der vorliegenden Beschwerde sohin kein rechtzeitig gefasster Beschluss im Hinblick auf die Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof zugrunde liegt, kann die Frage, ob der Beschluss durch das hiefür zuständige Organ gefasst wurde (vgl. etwa §23 Abs3 der Normale), dahingestellt bleiben. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
6. Der in eventu gestellte Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.
7. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Bodenreform, Flurverfassung, Agrargemeinschaft, Person juristische,VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B226.2005Zuletzt aktualisiert am
23.10.2009