TE Vfgh Erkenntnis 1982/3/16 B56/79

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Veröffentlicht am 16.03.1982
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BDG 1977 §33 Abs1 Z2
Dienstpragmatik §42a Abs1 litb idF BGBl 165/1965

Leitsatz

BDG 1977; gleichheitswidrige Auslegung des §33 Abs1 Z2

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er ist in der Finanzlandesdirektion für Ktn. tätig.

Als Folge eines am 19. Juli 1956 erlittenen Dienstunfalles bezog der Beschwerdeführer eine Dauerrente nach dem B-KUVG. Diese Dauerrente wurde über Antrag des Beschwerdeführers mit Wirksamkeit vom 30. September 1969 eingestellt und der Beschwerdeführer mit der Summe von S 93.296,- abgefunden.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1978 hat die Finanzlandesdirektion für Ktn. festgestellt, daß dem Beschwerdeführer gemäß §33 Abs1 Z2 BDG, BGBl. 329/1977, eine Erhöhung des ihm gemäß §26 BDG gebührenden Urlaubsausmaßes um 2 Werktage nicht zusteht.

Der Bundesminister für Finanzen hat mit Bescheid vom 11. Dezember 1978 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion nicht stattgegeben.

2. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §33 Abs1 Z2 BDG 1977 hat der Beamte Anspruch auf Erhöhung des ihm gemäß §26 gebührenden Urlaubsausmaßes um zwei Werktage, wenn am Stichtag (§26 Abs5) der Bezug einer Rente als Folge eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit im Dienste einer Gebietskörperschaft vorgelegen ist.

Vorgänger dieser Bestimmung war §42a Abs1 litb der Dienstpragmatik in der Fassung der Nov. BGBl. 165/1965, wonach dem Beamten ein Zusatzurlaub zu gewähren war, wenn die Voraussetzung eines Dienstunfalles im Dienste einer Gebietskörperschaft, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge hatte, vorlag. Im Bericht des Finanz- und Budgetausschusses zur DP-Nov. 1965 (756 BlgNR X. GP) heißt es dazu, der Zusatzurlaub solle dem vermindert erwerbsfähigen Beamten als Ausgleich dafür gewährt werden, daß er die gleiche Arbeitsleistung erbringt wie jener Beamte, der keine Minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat, und dadurch einem zusätzlichen körperlichen Verbrauch unterliegt.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des BDG 1977 (500 BlgNR XIV. GP) wird zur vorgeschlagenen Bestimmung des §33 ausgeführt, diese sei dem §42a der Dienstpragmatik nachgebildet.

Daraus ist zu entnehmen, daß nach der Absicht des Gesetzgebers der grundsätzliche Zweck des erhöhten Urlaubsanspruchs in §33 BDG 1977 ungeachtet der Änderungen im Wortlaut derselbe geblieben ist wie in §42a Abs1 DP.

2. Die Behörde begründet ihre Entscheidung im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe am Stichtag keine Rente bezogen, er habe daher nach dem Wortlaut des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 keinen Anspruch auf Erhöhung seines Urlaubs. Nach §94 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes habe die Versicherungsanstalt bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Rente neu festzustellen. Nach Abfindung der Rente blieben nachträglich eingetretene Veränderungen der Folgen eines Dienstunfalles unberücksichtigt. Somit stehe in diesem Fall immer nur jenes Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit fest, das zur Zeit der Abfindung der Rente gegeben war, nicht aber das jeweils vorliegende Ausmaß. Aus dem seinerzeitigen Ausmaß der Erwerbsfähigkeit lasse sich auch iS des Berichtes des Finanz- und Budgetausschusses zur DP-Nov. 1965 keine derzeit bestehende erhöhte Erholungsbedürftigkeit begründen. Wohl dürfe einem Gesetz im Zweifelsfall keine Auslegung gegeben werden, die es verfassungswidrig erscheinen ließe, jedoch sei der Wortlaut der Regelung des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 eindeutig.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7996/1977) wäre der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dann verletzt, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat.

a) In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, daß es sachlich nicht gerechtfertigt wäre, eine Differenzierung beim erhöhten Urlaubsanspruch von Beamten dahin zu machen, ob der Beamte eine Rente beziehe oder sich den Rentenanspruch habe abfinden lassen. Es bestehe kein wie immer gearteter Sachzusammenhang zwischen Erhöhung des Urlaubsausmaßes und einem Rentenanspruch eingeschränkt auf die Form der laufenden Rentenauszahlung. Die Abfindung an sich sei zweifellos kein Vorgang, der in einem Sachzusammenhang zum Urlaubsausmaß stehe. Es gehe dabei nämlich ausschließlich um eine nach versicherungsmathematischen Berechnungen vorgenommene Änderung der Zahlungsmodalität des Geldanspruches auf die Rente.

Daraus wird in der Beschwerde die Schlußfolgerung gezogen, daß die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt beigemessen habe. Wenn das nicht der Fall sei, bestünden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 mit dem Gleichheitsgebot.

b) Es ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß - ausgehend von dem bereits oben unter Pkt. 1. dargestellten Sinn und Zweck des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 - eine sachliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung des erhöhten Urlaubsanspruches zwischen Beamten, die eine Rente beziehen, und solchen, die sich ihren Rentenanspruch haben abfinden lassen, nicht zu erkennen ist. Dem Argument der belangten Behörde, daß nach der Abfindung nicht mehr überprüft wird, ob sich die Voraussetzungen für den Rentenanspruch geändert haben, ist entgegenzuhalten, daß unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung die Voraussetzungen für den Bezug bei einer Dauerrente auch dauernd weiter bestehen. Sonstige Argumente, die für eine sachliche Differenzierung sprechen würden, wurden auch von der Behörde nicht vorgebracht.

Das Erfordernis einer verfassungskonformen Interpretation verlangt, daß einem Gesetz im Zweifel kein Inhalt gegeben werden darf, der es verfassungswidrig erscheinen läßt (s. zB VfSlg. 8011/1977, 8352/1978, 8468/1978 sowie 8940/1980).

Zu der von der Behörde vorgenommenen Interpretation des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 zwingt nichts, weil der mögliche Wortsinn dieser Bestimmung auch eine Interpretation zuläßt, welche die gleichheitswidrigen Folgen der von der belangten Behörde herangezogenen Auslegung vermeidet. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung kann nämlich unter "Bezug" einer Rente auch der Bezug in der besonderen Form der Abfindung verstanden werden, zumal - wie bereits ausgeführt - die Voraussetzungen für den Bezug einer Dauerrente im Regelfall bestehen bleiben. Eine verfassungskonforme Interpretation ermöglicht es somit, die Form der Abfindung einer Rente einem laufenden Bezug gleichzuhalten.

Da die Behörde der Bestimmung des §33 Abs1 Z2 BDG 1977 fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der, hätte ihn die Rechtsvorschrift, diese gleichheitswidrig machen würde, hat sie dem Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger verletzt.

4. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

Dienstrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B56.1979

Dokumentnummer

JFT_10179684_79B00056_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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