TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/14 B304/79

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Veröffentlicht am 14.06.1982
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Index

35 Zollrecht
35/02 Zollgesetz 1955

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
ZollG 1955 §35 Abs1 lita
ZollG 1955 §42
ZollG 1955 §65

Leitsatz

Zollgesetz 1955; keine Bedenken gegen §35 Abs1 lita; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist am 1. Juni 1977 mit seinem im inländischen freien Verkehr gestandenen PKW, Marke Lamborghini, amtliches Kennzeichen W ..., von Österreich nach Italien gefahren, um das Fahrzeug in einer Werkstätte in Bologna reparieren zu lassen. Anläßlich der Ausreise aus Österreich stellte der Beschwerdeführer keinen Antrag, den PKW iS des §66 Abs2 des Zollgesetzes 1955, BGBl. 129 (in Hinkunft: ZG), dem passiven Vormerkverkehr zu unterziehen. Am 28. Juni 1977 hat der Beschwerdeführer den reparierten PKW (es waren Ausbesserungsarbeiten an einem Scheinwerfer, der vorderen Stoßstange und am linken vorderen Kotflügel durchgeführt worden) seinen PKW in Italien abgeholt und wieder nach Österreich gebracht, ohne den Organen der Zollwache gegenüber Angaben über die durchgeführte Reparatur zu machen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. vom 3. Mai 1979 wurden dem Beschwerdeführer für den PKW Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt S 49.286,- vorgeschrieben. Im Bescheid wurde festgestellt, der Beschwerdeführer habe in seinen PKW in Italien Ersatzteile im Wert von S 4.605,60 einbauen lassen und sei mit dem Fahrzeug über das Zollamt Brennerpaß nach Österreich eingereist, ohne den Zollorganen von der erfolgten Reparatur Mitteilung zu machen. Dieser Sachverhalt sei erst anläßlich einer Revision des Kraftfahrzeuges beim Zollamt Walserberg-Autobahn, nachdem der Beschwerdeführer die Bundesrepublik Deutschland durchfahren hatte, festgestellt worden. Gemäß §65 ZG würden Waren des inländischen freien Verkehrs, die nicht im Ausgangsvormerkverkehr oder im Zwischenauslandsverkehr in das Zollausland ausgeführt werden, durch ihren Austritt aus dem Zollgebiet zu ausländischen Waren. Für den Eintritt der Rechtsfolge des §65 ZG im vorliegenden Fall sei allein maßgeblich, daß der PKW zum Zwecke der Reparatur außerhalb des Vormerkverfahrens nach Italien gebracht wurde. Der PKW hätte daher bei seinem Wiedereintritt in das Zollgebiet einem der in §47 Abs1 ZG genannten Zollverfahren zugeführt werden müssen. Die Voraussetzungen für die Zollfreiheit nach §35 Abs1 lita ZG (idF der Nov. BGBl. 78/1968) seien nicht vorgelegen, weil es sich nicht um eine vorübergehende, nur zum Zwecke der Personenbeförderung unternommene Fahrt in das Zollausland gehandelt habe. Werde ein zollpflichtiges Kraftfahrzeug, das mit seinem Übertritt über die Zollgrenze zollhängig geworden sei und der Stellungspflicht nach §48 Abs1 ZG unterliege, ohne Stellung und damit ohne Zollbehandlung in das Zollgebiet eingebracht, so werde über das betreffende Kraftfahrzeug vorschriftswidrig so verfügt, als wäre es im freien Verkehr, wodurch nach §174 Abs3 lita in Verbindung mit §3 Abs2 ZG die Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes entstehe.

2. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. richtet sich die Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides.

a) Gemäß §65 ZG werden Waren des inländischen freien Verkehrs, die nicht im Ausgangsvormerkverkehr oder im Zwischenauslandsverkehr in das Zollausland ausgeführt werden, durch ihren Austritt aus dem Zollgebiet zu ausländischen Waren.

Diese rechtliche Wirkung der Ausfuhr gilt grundsätzlich nicht nur für Waren, die im Handelsverkehr ausgeführt werden, sondern - abgesehen von Ausnahmebestimmungen wie etwa für Reisegut (§34 ZG) - auch für Gegenstände, bei denen die Absicht besteht, sie nach kürzerer oder längerer Dauer wieder in das Zollinland zurückzubringen. §42 Abs1 ZG sieht für derartige Fälle bei einer - innerhalb von drei Jahren - erfolgten Wiedereinfuhr an den inländischen Versender Zollfreiheit vor, sofern die Waren unverändert wiedereingeführt werden. Gemäß §42 Abs2 leg. cit. hindert eine im Ausland notwendig gewordene Instandsetzung die Gewährung der Zollfreiheit nicht; ist die Instandsetzung unwesentlich, bleibt sie zollfrei, ist sie wesentlich, wird sie einer Verzollung unterzogen (§42 Abs2 iVm §90 Abs3 ZG).

Wird eine Ware jedoch mit der Absicht ins Zollausland gebracht, sie dort instandzusetzen, so tritt diese Rechtsfolge hinsichtlich der zollmäßigen Behandlung nur ein, wenn die Ware anläßlich der Verbringung ins Ausland einem Vormerkverfahren zugeführt wurde.

Die Durchführung eines Ausgangvormerkverkehrverfahrens zum Zweck der Ausbesserung oder der Veredelung (passiver Vormerkverkehr iS des §66 Abs2 iVm §67 Abs1 liti und j ZG) bewirkt, daß die einem solchen Verfahren unterzogenen außer Landes gebrachten Waren bei der Wiedereinfuhr vom Zoll befreit sind, soweit bei der Reparatur keine wesentlichen Zutaten (§88 Abs4, §90 Abs3) hinzugefügt wurden; die Einfuhr wesentlicher Zutaten ist für sich zollpflichtig.

b) Für die Wiedereinfuhr von ins Ausland gebrachten Kraftfahrzeugen gilt allerdings - unabhängig davon, ob ein Vormerkverfahren durchgeführt wurde oder nicht - die Zollbefreiungsbestimmung des §35 Abs1 lita ZG. Diese Bestimmung, die eine Sonderbestimmung gegenüber §42 ZG darstellt, lautet:

"In der Einfuhr ist Zollfreiheit zu gewähren für:

a) Beförderungsmittel aller Art einschließlich der Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenstände, der Ersatzteile, der Schutz- und Lademittel und der Behälter, die aus dem inländischen freien Verkehr stammen und von vorübergehenden Fahrten in das Zollausland oder nach zeitweiliger Verwendung im Zollausland in das Zollgebiet zurücklangen; die gleiche Begünstigung gilt auch für getrennt zurücklangende Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenstände, Ersatzteile, Schutz- und Lademittel sowie Behälter und für schadhaft gewordene Bestandteile der genannten Beförderungsmittel; für Waren, die zur Behebung aufgetretener Schäden verwendet wurden, gilt §90 Abs3 sinngemäß; ..."

Gemäß §172 Abs1 zweiter Satz leg. cit. unterliegen ua. die gemäß §35 lita zollfreien Waren nicht der an sonstigen umfassend gegebenen (§48 leg. cit.) Stellungspflicht.

c) Die belangte Behörde hat §35 Abs1 lita ZG hinsichtlich von Kraftfahrzeugen, die im Ausland einer Reparatur unterzogen wurden, in dem Sinn ausgelegt, daß er - analog der expliziten Regel des §42 leg. cit. - die Zollfreiheit für die Wiedereinfuhr nur gewährt, wenn die Reparatur zur Behebung eines im Ausland aufgetretenen Schadens gedient hat, nicht aber für den Fall, daß das Kraftfahrzeug zum Zweck der Ausbesserung und Reparatur ins Ausland gebracht wurde. Bei dieser Interpretation ist eine Person, die ein Kraftfahrzeug, das sich im inländischen freien Verkehr befindet, mit der Absicht ins Ausland verbringt, es dort reparieren zu lassen und dann wieder in das österreichische Zollgebiet einzuführen, auf den Weg des Ausgangvormerkverfahrens (passiver Vormerkverkehr) verwiesen, will sie die Konsequenz vermeiden, daß bei der Wiedereinfuhr der Zoll nicht bloß von der im Ausland erfolgten Wertschöpfung, sondern vom Gesamtwert der wiedereingeführten Ware bemessen wird.

Wird kein Vormerkverfahren durchgeführt, so ist - nach dieser Interpretation - bei Wiedereinfuhr eines Kraftfahrzeugs der Wert des (gemäß §65 zur ausländischen Ware gewordenen) Kraftfahrzeugs und nicht nur die im Ausland bewirkte Wertschöpfung zur Bemessungsgrundlage für die Erhebung des Einfuhrzolls heranzuziehen.

d) Dies bedeutet in zweifacher Weise eine Ungleichbehandlung:

Zum einen wird ein Abgabepflichtiger, der sein Fahrzeug zum Zweck der Durchführung einer Reparatur in das Ausland verbringt, anders behandelt als ein Abgabepflichtiger, der sein Kraftfahrzeug im Ausland wegen eines dort aufgetretenen Schadens reparieren läßt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt, da in jenem Fall ein Vormerkverfahren zum Zweck der Ausbesserung (§67 Abs1 liti) bzw. der Veredelung (§67 Abs1 litj) durchführbar ist, in diesem Fall aber nicht. Diese Differenzierung entspricht im übrigen auch der - oben dargestellten - vom ZG bei der Wiedereinfuhr von anderen Waren vorgenommenen Unterscheidung (§42 Abs2 ZG).

Zum zweiten bewirkt §35 Abs1 lita in der ihm von der belangten Behörde zugemessenen Bedeutung eine Ungleichbehandlung des Reimports eines im Ausland instandgesetzten Fahrzeuges gegenüber einer im Ausland erfolgten Neuanschaffung eines mit dem Kraftfahrzeug nicht verbundenen Ersatzteils oder Zubehörs:

Wird etwa ein Kraftfahrzeug mit einer beschädigten Stoßstange - ohne Durchführung eines passiven Vormerkverkehrverfahrens - ins Ausland gebracht, wird dort eine neue Stoßstange gekauft und am Kraftfahrzeug montiert, so entsteht bei Wiedereinfuhr eine Zollpflicht für das gesamte Kraftfahrzeug; wird hingegen die Stoßstange nicht montiert, sondern gesondert nach Österreich importiert, so wird nur die Stoßstange selbst zollpflichtig, das Kraftfahrzeug bleibt gemäß §35 Abs1 lita ZG zollbefreit.

Der VfGH ist jedoch der Auffassung, daß auch diese Ungleichbehandlung - mag sie auch in Einzelfällen zu Härten führen - sachlich gerechtfertigt ist. Denn es handelt sich um eine Konsequenz des an sich verfassungsrechtlich unbedenklichen Systems des passiven Vormerkverkehrverfahrens, das seinerseits eine notwendige Ergänzung zum Prinzip des §65 ZG darstellt. Die Einfuhr eines selbständigen Gegenstandes und die Einfuhr eines reparierten Gegenstandes sind verschiedene Dinge. Wenn der Gesetzgeber die im Hinblick auf die Zollbelastung gleichmäßige Behandlung dieser beiden Sachverhalte davon abhängig macht, daß der Betroffene im zweiten Fall die Prozedur des passiven Vormerkverkehrverfahrens auf sich nimmt, kann ihm unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegengetreten werden. Denn ohne derartiges Verfahren wäre es im Regelfall für die Zollbehörde nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich, die im Ausland erfolgte Wertschöpfung zu ermitteln. Wird jedoch ein gesonderter Gegenstand eingeführt, so bereitet diese Ermittlung keine Schwierigkeit.

e) Das Ziel der praktikablen Durchführung des passiven Vormerkverkehrs sowie die für den Betroffenen bestehende Möglichkeit, eine unangemessene Zollbelastung durch Teilnahme an diesem Vormerkverkehrverfahren zu vermeiden, bewirken, daß die in Rede stehenden Bestimmungen des Zollgesetzes auch dann, wenn sie den Inhalt haben, den ihnen die belangte Behörde beigemessen hat, den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz nicht verletzen.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums - wie bereits oben unter Pkt. 1 angeführt - nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980).

Davon kann aber, wie sich aus den Ausführungen oben unter Pkt. 2 ergibt, keine Rede sein.

4. Aus den Ausführungen oben unter Pkt. 2. ist auch zu ersehen, daß die Behörde den angewendeten Bestimmungen des Zollgesetzes nicht fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat. Da im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen ist, daß die Behörde Willkür geübt hätte (diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer auch nichts vorgebracht), liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 8823/1980).

5. Da das Verfahren nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, ist die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Zollrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B304.1979

Dokumentnummer

JFT_10179386_79B00304_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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