TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/19 B633/78

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Veröffentlicht am 19.06.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs2
StGG Art5
Oö LStVG 1975 §8 Abs1 Z5
Oö LStVG 1975 §8 Abs3
Oö LStVG 1975 §9
Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Lasberg vom 26.11.76 betreffend die Errichtung des Ortschaftsweges Leimetsberger

Leitsatz

Verordnung des Gemeinrates der Marktgemeinde Lasberg vom 26. November 1976 betreffend die Errichtung des Ortschaftsweges Leimetsberger; keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung; keine Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 47 KG St., Gerichtsbezirk Freistadt/OÖ.

b) Zum Zweck des Ausbaues des Ortschaftsweges Leimetsberger wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 2. Dezember 1975 Teilflächen dieser Liegenschaft zugunsten der Marktgemeinde Lasberg enteignet.

Die Oö. Landesregierung hat über Berufung der Beschwerdeführer dieses Verfahrens den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt dahingehend abgeändert, daß sein Spruch auf Zurückweisung des Enteignungsantrages der Gemeinde Lasberg zu lauten habe. Zwar habe die Gemeinde mit Verordnung vom 26. September 1975 die in Rede stehende Verkehrsfläche zum Ortschaftsweg erklärt, doch fehle ein iS des §45 Oö. LStVG erforderlicher Beschluß über die Notwendigkeit der Neuanlage oder des Umbaues dieses Ortschaftsweges.

c) Am 26. November 1976 erließ der Gemeinderat der Marktgemeinde Lasberg auf Grund eines ausführlichen Berichtes durch den Bürgermeister und nach einer Aussprache, in der die Notwendigkeit der Errichtung des Ortschaftsweges zum Ausdruck kam, eine Verordnung betreffend die Errichtung des Ortschaftsweges Leimetsberger mit folgendem Wortlaut:

"Verordnung

des Gemeinderates der Marktgemeinde Lasberg vom 26. November 1976 betreffend die Errichtung des Ortschaftsweges Leimetsberger.

Auf Grund der Bestimmungen des §8 Abs1 Z5 und Abs3, §9 Abs3 und §45 Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975, LGBl. Nr. 22/1975 in Verbindung mit dem §40 Abs2 Z4 und §43 Abs1 der OÖ. Gemeindeordnung 1965, LGBl. Nr. 45 in der geltenden Fassung, wird verordnet:

§1

Ein Ortschaftsweg mit der Bezeichnung 'Leimetsberger' wird infolge der Notwendigkeit neu errichtet und nach seiner Fertigstellung als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet.

§2

1. Der Ortschaftsweg 'Leimetsberger' beginnt beim Güterweg Gunnersdorf und führt in südöstlicher Richtung unter Benützung der Wegparzelle 3068 bis zum Hause Gunnersdorf Nr. 3 über die Grundparzellen 1014/2, 1015, 1017, 1012/1, 1032, 1033, 1040, 1031, 1030, 1027, 1028, 1026, 928, 927/1, 927/2, 919/1, 920, 924 und 909.

2. Der Ortschaftsweg erhält eine Länge von 920 m und eine Kronenbreite von 3,50 m.

3. Der Verlauf des Ortschaftsweges 'Leimetsberger' ergibt sich im einzelnen aus dem einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Plan der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich, Abteilung Technik, Referat Ländl. Verkehrsaufschließung, vom 20. August 1973, der iS des §94 Abs4 der OÖ. Gemeindeordnung 1965 während der Dauer der Kundmachung dieser Verordnung im Gemeindeamt während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsicht aufliegt.

§3

Diese Verordnung wird gemäß §94 Abs2 der OÖ. Gemeindeordnung 1965 mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam.

Gleichzeitig wird die Verordnung vom 26. September 1975 aufgehoben."

Mit Schreiben vom 8. März 1977 teilte die Oö. Landesregierung der Marktgemeinde mit, daß eine gemäß §101 Oö. GemO 1965 durchgeführte Prüfung der Verordnung keine Gesetzwidrigkeit ergeben habe.

d) Über Antrag der Marktgemeinde Lasberg wurde sodann - nach Durchführung einer Lokalaugenscheinsverhandlung am 10. November 1977 - mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 15. Dezember 1977 "für den Ausbau des Ortschaftsweges Leimetsberger" Grundstücksteile im Gesamtausmaß von 279,10 Quadratmeter zugunsten der Marktgemeinde Lasberg in Anspruch genommen.

Der dagegen eingebrachten Berufung gab die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 2. November 1978 keine Folge.

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

b) Die belangte Behörde hat die Akten der Marktgemeinde Lasberg, der Bezirkshauptmannschaft Freistadt sowie ihre eigenen Akten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführer gründen ihre Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, darauf, daß die dem Enteignungsbescheid zugrundeliegende Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Lasberg vom 26. November 1976 gesetzwidrig sei, weil ein öffentliches Interesse an der durch diese Verordnung verfügten Errichtung des Ortschaftsweges Lasberg in der Form, die er durch die Verordnung erhalten hat, nicht vorhanden sei.

Träfe diese Behauptung zu, so würde das der Beschwerde zum Erfolg verhelfen, da nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch einen Bescheid unter anderem dann verletzt wird, wenn dieser auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zB VfSlg. 8776/1980).

Hätte der VfGH im Zug eines Verfahrens zur Prüfung eines straßenrechtlichen Enteignungsbescheides Bedenken gegen die dem Bescheid zugrundeliegende, den Straßenverlauf bestimmende Verordnung, so hätte er das Bescheidprüfungsverfahren zu unterbrechen und von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung einzuleiten (vgl. zB VfSlg. 8592/1979, 9249/1981).

2. Der VfGH hat jedoch im vorliegenden Fall keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnung.

a) Die Beschwerdeführer gehen zu Recht davon aus, daß die Bestimmungen des Oö. LStVG - interpretiert man sie vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutzes - zur Errichtung von Straßen nur ermächtigen, wenn diese Errichtung öffentlichen Interessen dient.

b) Sie vermeinen, daß im konkreten Fall die Errichtung des Ortschaftsweges Leimetsberger den öffentlichen Interessen nicht dient, einmal weil der Ortschaftsweg nur für ein Wohnhaus und ein landwirtschaftliches Anwesen, nicht aber für andere Anlieger an der Trasse von Bedeutung sei und weil zum zweiten die Führung des Ortschaftsweges über eine andere Wegtrasse einen geringeren Eingriff in das Privateigentum erfordern würde.

Dazu ist zunächst festzuhalten, daß selbst die Aufschließung nur eines einzigen Anwesens dem allgemeinen Besten dienen kann. Es besteht durchaus auch ein öffentliches Interesse daran, daß ein land- und forstwirtschaftliches Gut in einer Weise aufgeschlossen wird, die einerseits eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung und andererseits auch die Zufahrt in Notsituationen (zB durch einen Arzt oder die Feuerwehr) ermöglicht.

Der VfGH hegt aber auch aus dem zweiten genannten Grund keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung. Zwar würde auch die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Alternative das bestehende öffentliche Interesse an der Aufschließung der beiden Anwesen befriedigen, doch hätte diese Variante, wie sich aus dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen im Verwaltungsverfahren erster Instanz ergibt, gegenüber der vorgesehenen Trasse mehrere gravierende Nachteile. Beide Wege würden zu einer Anbindung der aufzuschließenden Anwesen an den Güterweg Gunnersdorf führen; während jedoch die gewählte Trasse in nordwestliche Richtung und damit in Richtung Gunnersdorf-Freistadt führt, verläuft die vorgesehene Alternative in südlicher, also nahezu entgegengesetzter Richtung und ist daher für die Anbindung, die insbesondere in Richtung Gunnersdorf-Freistadt notwendig ist, nicht so gut geeignet wie die gewählte Trasse. Überdies hätte die Alternativtrasse - wie sich ebenfalls schon aus dem schlüssigen Gutachten des technischen Amtssachverständigen ergibt - erhebliche Nachteile in verkehrstechnischer (die Einbindung in den Güterweg würde an einer verkehrstechnisch ungünstigen Stelle erfolgen müssen) und wirtschaftlicher Hinsicht (die größtenteils durch Wald führende Alternativtrasse würde höhere Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen erfordern).

c) Auch mit dem Hinweis darauf, daß bei der Verordnungserlassung dem Gemeinderat kein Gutachten über die Notwendigkeit des Ausbaues vorgelegen sei und daß der Gemeinderat nicht offengelegt habe, auf Grund welcher Überlegungen er seine Entscheidung getroffen hat, vermögen die Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit der Verordnung nicht darzutun. Einerseits ist darauf zu verweisen, daß es gesetzliche Vorschriften über ein bestimmtes, bei der Verordnungserlassung in derartigen Fällen anzuwendendes Verfahren im Oö. LStVG nicht gibt und andererseits ist festzuhalten, daß der Bürgermeister vor der Beschlußfassung einen ausführlichen Bericht über die Notwendigkeit der Aufschließung an sich und die Gründe, die ihn zum Vorschlag der schließlich bestimmten Trasse geführt haben, gegeben hat und die Mitglieder des Gemeinderates, denen eine genaue Ortskenntnis zu unterstellen ist, sich nach einer Aussprache mit dieser Auffassung des Bürgermeisters identifiziert haben.

d) Der VfGH hat somit keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der dem Enteignungsbescheid zugrundeliegenden Verordnung der Marktgemeinde Lasberg vom 26. November 1976. Da sich der bekämpfte Enteignungsbescheid auf diese Verordnung stützt und in ihr Deckung findet, verletzt er unter diesem Gesichtspunkt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht.

3. Gegen die übrigen, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften wurden Bedenken weder vorgebracht noch sind solche im Zuge dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens entstanden.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980).

Derartiges wurde aber weder behauptet noch sind Anhaltspunkte hiefür im Verfahren hervorgekommen. Die Beschwerdeführer wurden somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Ortschaftsweg, Enteignung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B633.1978

Dokumentnummer

JFT_10179381_78B00633_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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