TE Vfgh Beschluss 2006/6/7 V25/06

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Veröffentlicht am 07.06.2006
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
VfGG §57 Abs1
Örtliches Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Straning-Grafenberg idF vom 16.09.04

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes mangels Konkretisierung der nachteiligen Eingriffe in die Rechtspositionen der antragstellenden Grundeigentümer

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller begehren in ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag "den §1 der Verordnung der Marktgemeinde Straning-Grafenberg in seiner Sitzung vom 16. September 2004 aufzuheben und daher die Verordnung zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, da die Verordnung gegen die bestehenden Gesetze des Bundes, des Landes und die Zielsetzung der Gemeinde verstoßt".

2. Zur Darlegung ihrer Legitimation führen die Antragsteller aus, sie seien Eigentümer der Parzelle 898/1, KG Wartberg, die von der Verordnung unmittelbar betroffen sei. Diese greife unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein (Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums [Art5 StGG], Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs [Art6 StGG]) und verletzte diese. Ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten stehe nicht zur Verfügung.

Gemäß §21 Abs1 Nö ROG 1976 sei bei der Aufstellung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes eine strategische Umweltprüfung durchzuführen. Nach §8 Abs2 Nö NaturschutzG 2000 habe die Landesregierung vor der Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes ein Gutachten eines Naturschutzsachverständigen über die Auswirkungen auf die in §8 Abs4 Nö NaturschutzG 2000 angeführten Schutzgüter sowie eine Stellungnahme der Nö Umweltanwaltschaft einzuholen, wenn das Gemeindegebiet ganz oder teilweise in einem Landschaftsschutzgebiet (Trappenschutzgebiet) liege. Eine Verträglichkeitsprüfung bezüglich Auswirkungen aufgrund der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes auf das Trappenschutzgebiet in Wartberg sei nicht einmal angedacht worden.

Gemäß §22 Abs4 Nö ROG 1976 würden für das Verfahren zur Änderung örtlicher Raumordnungsprogramme die Bestimmungen des §21 sinngemäß gelten. Ein bestehendes Bauland-Agrargebiet am südlichen Ortsrand solle laut Entwurf um zwei Bauplätze erweitert werden, wobei die Parzelle Nr. 898/1 eine Breite von ca. acht Metern aufweise und damit nur eingeschränkt bebaubar sei. Tatsächlich solle nur ein Bauplatz auf Parzelle 897, KG Wartberg, statt der geplanten zwei Bauplätze durch diese Änderung des Flächenwidmungsplanes geschaffen werden. Die Parzelle 899/2, KG Wartberg, sei zwischenzeitig an einen Bauern verkauft worden, der an einem Bauplatz kein Interesse habe.

Die Antragsteller hätten sich in ihrer Stellungnahme gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes ausgesprochen, da genügend unbebaute Bauplätze in Wartberg zum Verkauf angeboten würden. Die Realisierung eines Reihenhauses mit einer Breite von ca. acht Metern sei zwar auf der Parzelle 898/1 möglich, im ländlichen Raum aber unüblich. Ein solches Haus hätte an der Grundgrenze keine Fenster, da dies nach der Nö Bauordnung nicht möglich sei und dem Ortsbild zuwider laufen würde.

Gemäß §22 Abs1 Z6 Nö ROG 1976 dürfe ein örtliches Raumordnungsprogramm nur abgeändert werden, wenn im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer Bauland in Grünland umgewidmet werden solle. Werde ein Einvernehmen bei der Umwidmung von Grünland in Bauland seitens der Gemeinde nicht hergestellt, werde aktuell in die Eigentumsrechte durch die Nö Bauordnung bzw. Nö Raumordnung eingegriffen, da dem Grundstück andere Rechte und Pflichten auferlegt würden (zB Schutz vor Immissionen). Die Verordnung sei hingegen ohne Einvernehmen beschlossen worden und durch das Bauansuchen auf Parzelle 897, KG Wartberg, "aktuell akut".

Die Verordnung sei "von sich aus" rechtswidrig, da der Änderungsanlass (die Schaffung von zwei ortsüblichen Bauplätzen) nicht durch sie erreicht werden könne.

Das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit sei verletzt, weil die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Parzelle 898/1, KG Wartberg, als Bauland nicht in dem rechtlichen Umfang wie bei der Grünlandbewirtschaftung möglich sei (Immissionen).

Das Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs sei verletzt, da das Bauland nicht ortsüblich bebaubar, der Verkauf als Bauland nicht möglich und der Verkauf als Grünland aufgrund der Widmung als Bauland "nicht nutzbar" sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrags:

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.2. Die von den Antragstellern genannten Wirkungen der angefochtenen Verordnung sind jedoch keine solchen, die ihre Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst bestimmten Weise aktuell beeinträchtigen: Die Antragsteller verweisen lediglich darauf, dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Parzelle 898/1, KG Wartberg, als Bauland nicht im gleichen Umfang wie als Grünland möglich sei, eine ortsübliche Bebauung nicht durchführbar sei und ein Verkauf als Bauland "nicht möglich" sei.

Die Antragsteller machen damit aber keine konkreten nachteiligen Eingriffe in Rechtspositionen geltend. Für die Legitimation zu einem Individualantrag gemäß Art139 B-VG kann in keinem Fall auf die Voraussetzung, dass nachteilige Eingriffe in Rechtspositionen konkretisiert werden, verzichtet werden. Die Frage, ob den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht, braucht daher im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden.

1.3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V25.2006

Dokumentnummer

JFT_09939393_06V00025_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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