TE Vfgh Beschluss 1982/6/28 B572/81

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Veröffentlicht am 28.06.1982
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte
StGG Art8

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; Einladung, zum Gendarmerieposten mitzukommen - keine Festnahme

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei am 13. Oktober 1981 gegen 07,40 Uhr mit seinem PKW in Kierling/Bezirk Wien-Umgebung/Niederösterreich auf der Bundesstraße 14 in Richtung Tulln gefahren. Da er den Eindruck gehabt hätte, ein Gendarmeriebeamter habe sein Kennzeichen notiert, sei er auf der Rückfahrt um etwa 08,00 Uhr beim Beamten stehengeblieben und habe sich erkundigt, ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei. Der Beamte habe dies bejaht und ihn (den Beschwerdeführer) mehrerer Übertretungen der StVO 1960 beschuldigt. Der Beamte habe ihn zweimal aufgefordert, zum Gendarmerieposten mitzukommen. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen.

Der Beschwerdeführer erblickt in dieser Aufforderung des Gendarmeriebeamten eine Festnahme. Für diese habe jede Rechtsgrundlage gefehlt. Er beantragt, kostenpflichtig festzustellen, daß er durch diese Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung als belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, daß keinerlei Anlaß für eine Festnahme des Beschwerdeführers bestanden habe und eine solche auch nicht verfügt worden sei. Vielmehr sei der Beschwerdeführer nur formlos aufgefordert worden, zum Gendarmerieposten mitzukommen.

Die belangte Behörde beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

II. Die Beschwerde ist unzulässig:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, der einschreitende Gendarmeriebeamte Bez. Insp. G. G. hätte unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG ausgeübt, indem der Beamte ihn festgenommen hätte.

Dies ist jedoch nicht der Fall.

a) Der VfGH hat den einschreitenden Gendarmeriebeamten Bez. Insp. G. als Zeugen und den Beschwerdeführer als Partei einvernommen und in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung GZ 3-K-807/3 Einsicht genommen. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens steht fest, daß der Beschwerdeführer an den Gendarmeriebeamten mit der Frage herangetreten ist, ob er das Kennzeichen seines PKW notiert habe, ob er ihn anzeigen wolle und "ob man über die Sache nicht reden könne". Da der Gendarmeriebeamte um 08,00 Uhr zum Dienst im Amtslokal sein mußte, erwiderte er, wenn der Beschwerdeführer mit ihm zu sprechen wünsche, so müsse er mit ihm zum - etwa 30 Meter entfernten - Gendarmerieposten mitkommen. Der Beschwerdeführer ging teils neben, teils hinter dem zum Gendarmerieposten eilenden Gendarmeriebeamten her und betrat mit ihm das Gebäude des Postens. Nach einem kurzen - beiderseits unfreundlich geführten - Gespräch verließ der Beschwerdeführer das Amtsgebäude.

Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen des Gendarmeriebeamten. Auch der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß ihn der Beamte ausdrücklich als festgenommen erklärt habe und vermag auch keine konkreten Angaben darüber zu machen, auf Grund welcher besonderen Umstände er sich dennoch als festgenommen gefühlt habe. Im übrigen wird in der Beschwerde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer "wie ein Bittsteller neben dem Beamten herlief". Nicht der Beamte wollte etwas vom Beschwerdeführer, sondern der Beschwerdeführer vom Beamten. Wenn sich der Zeuge G. auf ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer nur einlassen wollte, wenn dieser mit ihm zum Gendarmerieposten käme, weil er dort pünktlich seinen Dienst antreten mußte, ist die Darstellung des Beschwerdeführers im hier wesentlichen Detail unzutreffend, mag er sich möglicherweise auch subjektiv zum Mitkommen gedrängt gefühlt haben.

b) Bei diesem Sachverhalt vermag der VfGH der Deutung des Beschwerdeführers nicht zu folgen. Physischer Zwang wurde weder ausgeübt noch angedroht. Die Einladung, zu einem - vom Beschwerdeführer gewünschten - Gespräch zum Gendarmerieposten mitzukommen, stellt keine Festnahme dar (vgl. zB VfSlg. 8231/1977).

Die Beschwerde war sohin mangels eines Beschwerdegegenstandes zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 8363/1978).

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B572.1981

Dokumentnummer

JFT_10179372_81B00572_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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