TE Vfgh Erkenntnis 1982/9/30 B399/77

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Veröffentlicht am 30.09.1982
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Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/02 Post

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
PostG §7
PostG §8
PostG §9
PostO §172
PostO §193

Leitsatz

Postgesetz; die Regelung der Zustellung von Postsendungen ist ein Teilbereich der Beförderungsbedingungen; Zustellung in Abgabebriefkästen Postordnung; gemäß §172 erfolgter Ausschluß von der Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. hat im Frühjahr 1975 (anläßlich der Neuorganisation des Zustelldienstes infolge Einsatzes eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges) im Landzustellbezirk Untertilliach des Postamtes Obertilliach für die Zustellung nicht bescheinigter Postsendungen an den Beschwerdeführer gemäß §171 der Postordnung - PO, BGBl. 110/1957, einen Abgabebriefkasten im Freien aufgestellt. Der Beschwerdeführer hat die Übernahme der Schlüssel zum Abgabebriefkasten verweigert. Das Postamt hat hierauf seit dem 15. April 1975 gemäß §172 PO die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen an den Beschwerdeführer in der Form ausgeschlossen, daß diese Sendungen beim Postamt zur Abholung bereitgehalten wurden. Der nähere Sachverhalt ist in dem den Beschwerdeführer betreffenden Beschluß des VfGH vom 29. 9. 1976 B222/75, VfSlg. 7861 S 42 ff., dargestellt, worauf hiemit verwiesen wird.

2. Am 13. Dezember 1976 stellte der Beschwerdeführer bei der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. unter Berufung auf §8 Postgesetz, BGBl. 58/1957, den Antrag, "mittels Bescheid anzuordnen, daß ab sofort alle für mich bestimmten Postsendungen unter meiner Anschrift Untertilliach Nr. 29 und die für meine Fremdengäste in meinem Neubau in Untertilliach bestimmten Postsendungen unter der Anschrift Untertilliach Neubau gemäß §170 Postordnung zugestellt werden und die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen in einem Abgabebriefkasten im Freien gemäß §171 Postordnung unterbleibt". Der Beschwerdeführer hält den Ausführungen der Behörde in ihrem Schreiben vom 6. Juni 1975, wonach ihm die Postzustellung durch Einlegen in den aufgestellten Abgabebriefkasten zugemutet werden könne und es aus betrieblichen und organisatorischen Gründen nicht möglich sei, die Zustellung durch Fußboten vorzunehmen (s. die Wiedergabe dieses Schreibens in VfSlg. 7861/1976), in 12 Punkten seine Darstellung des Sachverhaltes entgegen.

Die Post- und Telegraphendirektion hat mit Bescheid vom 26. 5. 1977 entschieden: Sie hat festgestellt, "daß der gemäß §172 Postordnung erfolgte Ausschluß der nichtbescheinigten Postsendungen von der Zustellung an Ihren Abgabestellen Untertilliach Nr. 29 und Untertilliach, Neubau, seit 15. April 1975 durch das Postamt Obertilliach den Beförderungsbedingungen für Postsendungen entspricht". Sie hat weiters ausgesprochen, daß dem "Begehren auf bescheidmäßige Absprache hinsichtlich der Zustellung dieser Postsendungen an den genannten Abgabestellen bzw. der Unterlassung der Zustellung durch Einlegen in den Abgabebriefkasten mangels rechtlicher Voraussetzungen hiefür nicht entsprochen werden" kann. Die Behörde ging davon aus, daß Gegenstand einer sachlichen Entscheidung nur die Frage sein könne, ob seitens der Post die Beförderungsbedingungen eingehalten seien, wenn das Postamt die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen ausgeschlossen habe, weil der Empfänger die Zustellung durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten abgelehnt habe. Unter Hinweis auf §172 PO hat die Behörde diese Frage dahin entschieden, daß der Ausschluß der Zustellung postordnungsgemäß sei.

Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid Berufung erhoben und darin beantragt, "den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, daß ab sofort alle für mich bestimmten Postsendungen unter meiner Anschrift Untertilliach Nr. 29 und die für meine Fremdengäste in meinem Neubau in Untertilliach bestimmten Postsendungen unter der Anschrift Untertilliach Neubau gemäß §170 Postordnung zugestellt werden und die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen in einem Abgabebriefkasten im Freien gemäß §171 Postordnung unterbleibt, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die I. Instanz zurückzuverweisen".

Mit Bescheid vom 7. September 1977, BMZl 24706-11/1977, hat der Bundesminister für Verkehr als oberste Postbehörde der Berufung gemäß §8 Postgesetz und §172 PO nicht Folge gegeben.

Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§7 bis 9 Postgesetz führt die Behörde aus, die im Anlaßfall maßgeblichen Bestimmungen über die Abgabe von Postsendungen seien in den §§166, 170, 171 und 172 PO festgelegt. In den Beförderungsbedingungen seien für nichtbescheinigte Postsendungen mehrere, grundsätzlich gleichwertige Zustellformen vorgesehen: Zustellung an den Empfänger an der in der Anschrift angegebenen Abgabestelle (§170); Zurücklassen an der Abgabestelle, Einlegen in Briefkasten an der Abgabestelle, im Hausflur oder im Landzustellbezirk an geeigneter Stelle im Freien (Abgabebriefkasten). Die Rechtsvorschriften räumten dem Empfänger keinen Anspruch auf eine bestimmte Zustellform ein. Über die Frage, ob bzw. wo oder für wen ein Abgabebriefkasten errichtet werde (es handle sich hier nicht um Beförderungsbedingungen), könne im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht entschieden werden. Auf die Ausführungen unter den Punkten 1 bis 12 des Antrages des Beschwerdeführers sei daher von der Postbehörde I. Instanz zu Recht nicht eingegangen worden. Mangels rechtlicher Voraussetzungen habe daher die Postbehörde I. Instanz über das Begehren, die nichtbescheinigten Postsendungen an den Abgabestellen zuzustellen, keine Sachentscheidung treffen können. Als Gegenstand eines Streitfalles gemäß §8 Postgesetz ergebe sich noch die Frage, ob seitens der Post die Beförderungsbedingungen eingehalten sind, wenn das Postamt Obertilliach die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen ausgeschlossen habe, weil der Empfänger die Zustellung durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten abgelehnt hatte. Der Berufungswerber (d.i. der Beschwerdeführer) habe durch seine - trotz entsprechender Information - erfolgte Weigerung, die Schlüssel für den Abgabebriefkasten zu übernehmen, sowie seine schriftlichen Eingaben eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Zustellung nicht bescheinigter Postsendungen durch Einlegen in den Abgabebriefkasten ablehne. Das Postamt Obertilliach habe daher rechtmäßig von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, sich durch Ausschluß der Zustellung von seiner gemäß §166 PO bestehenden Zustellpflicht zu entbinden. Der in der Berufung erhobene Vorwurf, der angefochtene Bescheid I. Instanz stehe nicht in Einklang mit den Entscheidungsgründen im Beschluß des VfGH vom 29. 9. 1976 B222/75 treffe nicht zu; der VfGH habe ausgeführt, daß eine Frage der Beförderungsbedingungen vorgelegen habe, über die durch die Postbehörden zu entscheiden wäre. Diese Entscheidung sei getroffen worden.

3. Gegen den Bescheid vom 7. September 1977 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

Der Beschwerdeführer nimmt auf den Beschluß des VfGH VfSlg. 7861/1976 Bezug. Mit den Ausführungen dieses Beschlusses sei es unvereinbar, wenn die Postbehörde I. Instanz in ihrem Bescheid vom 26. Mai 1977 davon ausgegangen sei, daß im vorliegenden Fall Gegenstand einer sachlichen Entscheidung iS des §8 Postgesetz nur die Frage sein könne, ob die Beförderungsbedingungen eingehalten seien, wenn das Postamt (weil der Beschwerdeführer die Zustellung durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten abgelehnt habe) die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen ausgeschlossen habe. Die Fragestellung habe nur lauten dürfen, ob ein Willkürakt vorliege, wenn sich das Postamt im Falle des Beschwerdeführers der Zustellpflicht durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten im Freien entledigen wolle und ob bei Annahme eines solchen Willküraktes das Ausbleiben der Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen seit dem 14. April 1975 gerechtfertigt sei.

Die belangte Behörde billige im angefochtenen Bescheid die von der I. Instanz unzulässigerweise vorgenommene Einschränkung der Fragestellung. Sie ergänze, daß über die Frage, ob bzw. wo oder für wen ein Abgabebriefkasten errichtet werde, im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht entschieden werden könne.

In diesen Ausführungen erblicke der Beschwerdeführer nicht nur einen klaren Widerspruch zu den Ausführungen in dem genannten Beschluß des VfGH, sondern auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Wie willkürlich die belangte Behörde vorgehe, illustriere die Tatsache, daß im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen sei, die I. Instanz sei mit Recht nicht auf jene Argumente eingegangen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers einen Verstoß gegen die gleiche Behandlung der Staatsbürger darstelle. Bei gehöriger Überprüfung wäre hervorgekommen: Der Beschwerdeführer sei bei der Zustellung der Post gegenüber anderen Bevölkerungsteilen in Untertilliach wesentlich schlechter gestellt, obwohl die Bedingungen für die Postzustellungen bei diesen durchaus nicht günstiger lägen. In den Fraktionen Kirchberg, Klammberg, Kammerland und Eggen werde zum Haus zugestellt, obwohl der Briefträger keineswegs in jedem Fall an das Haus heranfahren könne und die Zustellbedingungen bei den beiden Häusern des Beschwerdeführers günstiger seien. Eine klare Schlechterstellung sei dadurch gegeben, daß der Beschwerdeführer in seinem Neubau eine Fremdenpension betreibe und es in den genannten Fraktionen derlei Fremdenbeherbergungsbetriebe nicht gebe. Der Weg zur Fremdenpension des Beschwerdeführers sei nicht besser und nicht schlechter als die Güterwege zu den genannten Fraktionen. Dem Briefträger würde bei Zustellung zum Haus Nr. 29 des Beschwerdeführers nicht mehr zugemutet als bei Zustellung in den genannten Fraktionen. Auch sei die Zufahrt zu den Häusern des Beschwerdeführers von der Lesachtal-Bundesstraße keineswegs ungünstiger als in den genannten Fällen, wobei die Zufahrtsstrecke zum Neubau des Beschwerdeführers lediglich 30 m betrage. Der Beschwerdeführer könne sich, wenn er den Abgabebriefkasten aufsuchen wolle, das Überqueren der Lesachtal-Bundesstraße nicht ersparen und das sei gefährlich.

4. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift vorgelegt, in der sie auf den angefochtenen Bescheid und dessen Begründung verweist und den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das Post- und Telegraphenamt Obertilliach teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Oktober 1979 mit: Es sei festgestellt worden, daß sich die Zufahrt- und die Wendemöglichkeit im Bereich des Neubaues des Beschwerdeführers seit dem Jahre 1974 wesentlich geändert habe. Die Post werde daher die einlangenden Sendungen unmittelbar an dieser Abgabestelle zustellen. Das Haus Untertilliach Nr. 29 sei mit dem Zustellfahrzeug nach wie vor nicht erreichbar. Zur Zustellung nichtbescheinigter Briefsendungen, die mit dieser Anschrift versehen sind, sei die Anbringung eines Abgabebriefkastens an dem Neubau beabsichtigt, wozu die Bekanntgabe des Einverständnisses erbeten werde.

Der Beschwerdeführer gab in einer Äußerung dem VfGH bekannt, daß er dieses Angebot abgelehnt habe, weil er nach wie vor die Zustellung auch nichtbescheinigter Briefsendungen bei seinem Haus Untertilliach Nr. 29 anstrebe. Die Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeiten seien seit 1974 unverändert geblieben.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat bei der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. als Postbehörde I. Instanz (§2 Postgesetz, BGBl. 58/1957) beantragt, alle für ihn und seine Fremdengäste bestimmten Postsendungen an genau bezeichneten Abgabestellen (§170 der Postordnung - PO, BGBl. 110/1957) zuzustellen und die Zustellung nicht bescheinigter Postsendungen in einem von der Post angebrachten Abgabebriefkasten im Freien (§171 PO) zu unterlassen. Das Begehren ist damit begründet, daß die Zustellung an den Abgabestellen genau so zumutbar sei wie in anderen Fällen des Zustellbezirkes und die Zustellung durch Einlegen in den Abgabebriefkasten eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Beschwerdeführers gegenüber anderen Bevölkerungskreisen bedeute.

Die erstinstanzliche Entscheidung lautet (im ersten Satz des Spruches) auf Feststellung, daß der Ausschluß der Zustellungen an den Abgabestellen den Beförderungsbedingungen entspricht und (im zweiten Satz des Spruches), daß dem Begehren auf bescheidmäßige Absprache hinsichtlich der Zustellung der Postsendungen an den Abgabestellen bzw. der Unterlassung der Zustellung durch Einlegen in den Abgabebriefkasten mangels rechtlicher Voraussetzungen nicht entsprochen werden kann. In der Begründung wird zur Entscheidung über die begehrte Zustellung ausgeführt, in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften fehlten Bestimmungen, die als Grundlage einer Sachentscheidung dienen könnten.

Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom Bundesminister für Verkehr - Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung (§2 Postgesetz) nicht Folge gegeben. Die Behörde vertritt die Meinung, daß es sich bei der Frage, ob bzw. wo oder für wen ein Abgabebriefkasten errichtet wird, nicht um Beförderungsbedingungen handle und darüber nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne. Die Aufstellung von Abgabebriefkästen erfolge im Rahmen der Organisation des Postdienstes, die Rechtsvorschriften räumten dem Empfänger von Postsendungen in diesem Bereich eine rechtliche Einflußmöglichkeit nicht ein. Daher könnten die Postbehörden über das Begehren, die nichtbescheinigten Postsendungen an den Abgabestellen zuzustellen, keine Sachentscheidung treffen.

Sowohl der Antrag des Beschwerdeführers als auch die Entscheidungen der Postbehörden beider Instanzen stützen sich auf §8 Postgesetz.

2. In dem mit "Einhaltung der Beförderungsbedingungen" überschriebenen §8 Postgesetz ist bestimmt, daß über die Frage, ob die Beförderungsbedingungen eingehalten sind, im Streitfall in I. Instanz die örtlich zuständige Post- und Telegraphendirektion entscheidet.

Die Beförderungsbedingungen (die Bedingungen für die Beförderung von Postsendungen und den Geldverkehr der Post) sind gemäß §7 Postgesetz entsprechend den der Post zur Verfügung stehenden Einrichtungen sowie unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Beförderung und die Sicherheit des Postbetriebes durch Verordnung festzusetzen. Dies ist durch die PO erfolgt, die sich in ihrem Titel als Verordnung über die Bedingungen für die Beförderung von Postsendungen und den Geldverkehr der Post bezeichnet.

Da die Zustellung von Postsendungen vom Begriff der Beförderung umfaßt ist (§9 Postgesetz), ist auch die Regelung der Zustellung von Postsendungen ein Teilbereich der Beförderungsbedingungen.

Die Zustellung erfolgt an den Empfänger an der in der Anschrift angegebenen Abgabestelle, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist (§170 PO). Eine solche andere Bestimmung ist die (§171 PO), daß die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen auch dann ordnungsgemäß ist, wenn diese in Briefkästen eingelegt werden, die für Empfänger im Landzustellbezirk an einer geeigneten Stelle im Freien angebracht sind (sog. Abgabebriefkästen).

Eine der Bedingungen dafür, daß eine solche Zustellung in Abgabebriefkästen als ordnungsgemäß gelten kann, ist die, daß diese Abgabebriefkästen an einer "geeigneten Stelle" angebracht sind. Die Eignung einer Stelle für die Anbringung solcher Abgabebriefkästen richtet sich iS des §7 Postgesetz nicht allein nach den Erfordernissen der der Post zur Verfügung stehenden Einrichtungen, sondern ist auch unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Beförderung zu beurteilen, wozu (wie aus den die Hausbrieffachanlagen betreffenden Bestimmungen der §§6a und 6b Postgesetz idF BGBl. 338/1977 abzuleiten ist) auch die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abgabe (Zustellung) nichtbescheinigter Briefsendungen und Zeitungen gehört. Dieser Begriff "ordnungsgemäß" hat einen Inhalt, der wesensgemäß auch in Beziehung zu dem Empfänger, dem die Postsendung zuzustellen ist, steht. Die die Zustellung regelnden §§170 und 171 PO nehmen darauf entsprechend Rücksicht. Demnach kann eine Zustellung durch Einlegen von Postsendungen in einen Abgabebriefkasten nur dann ordnungsgemäß sein, wenn dieser Briefkasten an einer auch aus der Sicht des Empfängers geeigneten Stelle angebracht ist.

Nur unter dieser Voraussetzung ist die in §172 PO geregelte Rechtsfolge gerechtfertigt, daß die Zustellung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann, wenn der Empfänger die Zustellung durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten ablehnt. Andernfalls wäre die Einräumung einer behördlichen Entscheidungszuständigkeit durch §8 Postgesetz in einem derartigen Streitfall nicht sinnvoll; die Zulässigkeit einer von der Post verfügten Einschränkung oder Ausschließung der Zustellung nach §172 PO stünde nämlich, sofern das Tatbestandsmerkmal der Ablehnung gegeben ist, in jedem Fall fest, völlig unabhängig davon, ob der Abgabebriefkasten überhaupt an einer geeigneten Stelle im Freien angebracht ist.

3. Der belangten Behörde ist zwar insofern zuzustimmen, als über die Frage, ob und wo für Empfänger im Landzustellbezirk (§139 PO) ein Abgabebriefkasten angebracht wird, ein Verwaltungsverfahren nicht stattzufinden hat. Jedoch ist bei Entscheidung eines Streitfalles nach §8 Postgesetz, ob die Zustellung von Postsendungen durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten ordnungsgemäß ist und den Beförderungsbedingungen entspricht, von der Behörde auch zu prüfen, ob sich dieser Abgabebriefkasten "an einer geeigneten Stelle im Freien" befindet; insofern hat die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtslage verkannt.

4. Der VfGH geht - unter dem Gesichtspunkt der von ihm wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - davon aus, daß die Entscheidung der belangten Behörde (deren materieller Inhalt infolge der gewählten prozeßrechtlichen Form aus dem erstinstanzlichen Bescheid zu entnehmen ist; vgl. zB VfSlg. 6486/1971) einen einheitlichen Abspruch darüber enthält, daß der gemäß §172 PO durch das Postamt Obertilliach erfolgte Ausschluß der Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen an den Beschwerdeführer und die Bereithaltung dieser Sendungen beim Postamt zur Abholung den Beförderungsbedingungen entspricht.

Der Beschwerdeführer sieht einen Willkürakt der Behörde darin, daß sich diese in seinem Fall bei nichtbescheinigten Briefsendungen ihrer Zustellpflicht durch Einlegen in einen Abgabebriefkasten im Freien entledigen wollte.

Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen, daß sich nicht allgemein sagen lasse, unter welchen Umständen der Behörde eine Gleichheitsverletzung infolge willkürlichen Verhaltens anzulasten sei; ob Willkür vorliege, könne nur aus dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6128/1970, 6471/1971, 7962/1976, 8383/1978). Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wäre allerdings auch dann gegeben, wenn der Behörde schwerwiegende Mängel bei der Sachverhaltsfeststellung anzulasten wären (VfSlg. 5848/1968), wenn die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren überhaupt unterlassen hätte (VfSlg. 5139/1965, 6155/1970, 7328/1974, 7732/1975, 8179/1977, 8309/1978, 8682/1979, 8872/1980), auch wenn die Ursache für die Nichtermittlung des Sachverhaltes in einer unrichtigen Rechtsauffassung läge (VfSlg. 6629/1971, 7775/1976).

Derartige Mängel in der Ermittlung des Sachverhaltes sind jedoch der belangten Behörde nicht anzulasten.

Aus den vorgelegten Akten ist zu entnehmen, daß schon im Jahre 1974 eine Verbesserung der Postzustellung im Gemeindegebiet Untertilliach durch den Einsatz eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in Angriff genommen wurde. Es war beabsichtigt, dadurch im ganzen Gemeindegebiet eine tägliche Zustellung (auch von Paketen bis zum Gewicht von 25 kg), für Briefpost einen Tag früher als bisher, zu erreichen. Die Aufstellung von Abgabebriefkästen wurde von der Postbehörde mit der Gemeinde besprochen. Deren Standorte wurden so gewählt, "daß einerseits keine Härten für die Bevölkerung entstehen können, andererseits aber dem Zusteller eine zügige Fahrweise ermöglicht wird". Das Gemeindegebiet Untertilliach führte im Feber 1975 eine Befragung der 74 Haushalte mit Fragebögen durch. In den ausgefüllten Fragebögen sprachen sich 31 Haushalte für die Neuregelung der Postzustellung mit Kraftfahrzeug, 14 für die Beibehaltung der bisherigen Regelung mit kleineren Modifikationen aus, 3 Haushalte waren unentschieden, 25 gaben keine Erklärung ab, 1 Antwort wurde ungültig bewertet (weil 2 Fragebogen abgegeben worden sind).

Mit dem Beschwerdeführer (seinem bevollmächtigten Rechtsvertreter) wurde besonderer Kontakt gepflogen und ein Schriftwechsel geführt, wie sich aus dem bezüglich desselben Sachverhaltes ergangenen schon erwähnten Beschluß VfSlg. 7861/1976 ergibt. Die Zustellverhältnisse beim Beschwerdeführer wurden besonders erhoben. Es wurde eine detaillierte Auskunft des Zustellers eingeholt, der eine Skizze anfertigte, und eine Besichtigung an Ort und Stelle vorgenommen.

Die belangte Behörde hatte also - auch wenn sie der Meinung war, die Frage der Anbringung des Abgabebriefkastens mit dem Beschwerdeführer nicht in einem Verwaltungsverfahren erörtern zu müssen - den angefochtenen Bescheid keinesfalls ohne jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt erlassen.

Aus dem Verwaltungsgeschehen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, die den VfGH veranlassen könnten, ein willkürliches Verhalten der Behörde anzunehmen.

5. Der Beschwerdeführer ist somit nicht in dem von ihm angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Post- und Fernmelderecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B399.1977

Dokumentnummer

JFT_10179070_77B00399_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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