TE Vfgh Erkenntnis 1983/2/26 B533/79

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Veröffentlicht am 26.02.1983
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GehG 1956 §12 Abs2 Z6

Leitsatz

Gehaltsgesetz 1956; keine Bedenken gegen §12 Abs2 Z6; keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der am 23. Jänner 1950 geborene Beschwerdeführer steht als Beamter der Verwendungsgruppe (VGr.) B in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (Post- und Telegraphendirektion für Stmk.).

Dieses öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis wurde mit Wirksamkeit vom 1. April 1979 begründet.

Die Post- und Telegraphendirektion für Stmk. als Dienstbehörde erster Instanz setzte mit Bescheid vom 2. April 1979 gemäß §12 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54/1956, idF der 34. Gehaltsgesetz-Nov., BGBl. 136/1979 (im folgenden wird das Gehaltsgesetz in dieser Fassung kurz als "GG 1956" zitiert), als Vorrückungsstichtag den 11. Dezember 1972 fest. Dieser Vorrückungsstichtag wurde dadurch ermittelt, daß dem Zeitpunkt vor Ernennung als Beamter der VGr. B ein Zeitraum von 6 Jahren, 3 Monaten und 20 Tagen vorangesetzt wurde. Hiebei wurden gemäß §12 Abs2 Z1 GG 1956 die Zeiten, die der Beschwerdeführer als vollbeschäftigter Vertragsbediensteter I/b bei der Technischen Universität Graz und bei der Post- und Telegraphendirektion für Stmk. zurückgelegt hatte, sowie gemäß §12 Abs2 Z2 GG 1956 die Zeiten der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes und einer Inspektion zur Gänze angerechnet. Hingegen wurden alle übrigen Zeiträume zwischen der Vollendung des 18. Lebensjahres und dem Tag der Anstellung gemäß §12 Abs1 litb GG 1956 lediglich zur Hälfte für die Berechnung des Vorrückungsstichtages berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer hatte nach Abschluß der Pflichtschulen den Beruf eines Orgelbauers erlernt und am 7. Juni 1968 die Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt. Parallel dazu hat er die gewerbliche Berufsschule, Fachrichtung Musikinstrumentenerzeuger, in Graz besucht. Nach Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes war er als kaufmännischer Angestellter in einem Fachgeschäft für Autozubehör tätig. Ab dem Schuljahr 1972/73 hatte er die Höhere Technische Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt, Höhere Abteilung für Elektrotechnik, in Graz-Gösting besucht, wo er am 22. Juni 1977 die Reifeprüfung erfolgreich abgelegt hatte.

b) Gegen den erwähnten Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Stmk. vom 2. April 1979 erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er vertrat darin die Meinung, daß gemäß §12 Abs2 Z6 GG 1956 die Zeit zwischen der Vollendung des 18. Lebensjahres (23. Jänner 1968) und dem Zeitpunkt, an dem er frühestens die Reifeprüfung an der Höheren Technischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt Graz-Gösting (fiktiv) hätte ablegen können (30. Juni 1969), sohin ein Zeitraum von 1 Jahr 5 Monaten und 8 Tagen, zur Gänze für die Festsetzung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen wäre, dies ungeachtet des Umstandes, daß er erst ab dem Schuljahr 1972/73 die erwähnte Lehranstalt tatsächlich besucht habe.

Der Bundesminister für Verkehr wies mit Bescheid vom 22. Oktober 1979 diese Berufung ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Der Bundesminister für Verkehr als belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Strittig ist ausschließlich, ob dem Beschwerdeführer die Zeit des Besuches an der erwähnten höheren Schule gemäß §12 Abs2 Z6 GG 1956 (teilweise) für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages zur Gänze zu berücksichtigen ist (wie der Beschwerdeführer meint) oder nicht (wie die belangte Behörde annimmt).

§12 Abs1 GG 1956 lautet:

"Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a) Die im Abs2 angeführten Zeiten zur Gänze;

b) die sonstigen Zeiten zur Hälfte."

Der folgende Abs2 des §12 lautet auszugsweise:

"Gemäß Abs1 lita sind voranzusetzen:

1. ...

6. Bei Beamten, die in die Verwendungsgruppen B, ... aufgenommen werden, die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beamte den Abschluß dieser Ausbildung auf Grund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können; mögliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht zu berücksichtigen. Als Zeitpunkt des möglichen Schulabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni ... anzunehmen;

7. ..."

2. Der angefochtene Bescheid wird nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen wie folgt begründet:

"Wie der VwGH dazu in ständiger Rechtsprechung erkennt, ist diese Regelung nicht auf das konkrete zurückgelegte Studium des betreffenden Beamten ohne Rücksicht auf dessen Beginn abgestellt, sondern auf die Ausbildungsmöglichkeit in Form eines solchen Studiums, wie sie für den betreffenden Beamten nach den in der fraglichen Zeit bestehenden schulrechtlichen Vorschriften bestanden hatte.

In Ihrem Fall war also zu prüfen, wann Sie den Abschluß des von Ihnen besuchten Typus einer Höheren Schule nach den für diesen Typus bestandenen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten frühestens hätten erreichen können. Das Studium an der Höheren Technischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt Graz-Gösting, das Sie absolviert haben, hätten Sie nach den schulrechtlichen Vorschriften bereits im Anschluß an die Pflichtschulzeit beginnen können. Sohin hätten Sie nach den bestehenden schulrechtlichen Vorschriften den Abschluß dieses Studiums - wie Sie auch in Ihrer Berufung ausführen - schon am 30. Juni 1969, also zu einem Zeitpunkt erreichen können, der noch vor Ihrem tatsächlichen Studienbeginn liegt. Eine fiktive Anrechnung von Vordienstzeiten, wie sie von Ihnen in der Berufung angestrebt wird, ist nach §12 des Gehaltsgesetzes 1956 nicht vorgesehen. ..."

3. Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß kein sachlicher Grund dafür vorliege, die Begünstigung des §12 Abs2 Z6 GG 1956 nicht auch Personen zu erteilen, die ein Studium an einer höheren Schule erst nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres begonnen haben. Es komme auch in diesem Fall der Behörde und den Beamten die gleiche erhöhte berufliche Qualifikation zugute. Wann diese erworben wurde, sei dafür irrelevant. Personen, die den Besuch einer höheren Schule nach Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen, seien daher - bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung - ebenfalls zu dem von §12 Abs2 Z6 GG 1956 erfaßten (bevorzugten) Personenkreis zu zählen. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, daß der Beginn eines Studiums an einer höheren Schule nach dem 18. Lebensjahr mit größeren Opfern und Schwierigkeiten verbunden sei, als wenn dies im Anschluß an die Grundschulausbildung (meist mit finanzieller Hilfe der Eltern) erfolgt.

Entweder habe daher die Behörde §12 Abs2 Z6 GG 1956 fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, oder aber diese Gesetzesbestimmung widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz.

4. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

b) Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung (zB VwGH 16. 1. 1975

Z 1532/74 und die dort zitierte weitere Judikatur, 12. 5. 1977

Z 682/76 und 15. 3. 1978 Z 487/78) erkennt, ist die Regelung des §12 Abs2 Z6 GG 1956 nicht auf das konkret zurückgelegte Studium des betreffenden Beamten ohne Rücksicht auf dessen Beginn abgestellt, sondern auf die Ausbildungsmöglichkeit in Form eines solchen Studiums, wie sie für den betreffenden Beamten nach den in der fraglichen Zeit bestehenden schulrechtlichen Vorschriften bestanden hatte.

Das Studium, dessen Anrechnung der Beschwerdeführer begehrt, war ein solches an der Höheren Technischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt in Graz-Gösting. Diese Schule zählt zu den im §67 lita des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. 242/1962, erwähnten berufsbildenden höheren Schulen. Voraussetzung für die Aufnahme in eine solche Schule ist die Erfüllung der ersten acht Jahre der allgemeinen Schulpflicht. Gemäß §66 Schulorganisationsgesetz umfassen diese berufsbildenden höheren Schulen fünf Schulstufen. Der Beschwerdeführer hat mit Ablauf des 10. Juli 1964 die allgemeine Schulpflicht erfüllt. Er hätte daher bereits ab dem Schuljahr 1964/65 die erwähnte höhere Schule besuchen und den Abschluß der Ausbildung frühestens mit Ende des Schuljahres 1968/69, sohin am 30. Juni 1969 (s. den letzten Satz des §12 Abs2 Z6 GG 1956) erreichen können, also zu einem Zeitpunkt, der vor dem tatsächlichen Beginn des Besuches der Anstalt liegt.

Wenn die Behörde - unter Bezugnahme auf die erwähnte, ständige Judikatur des VwGH - die Vollanrechnung der Zeit zwischen Vollendung des 18. Lebensjahres des Beschwerdeführers und dem 30. Juni 1969 abgelehnt hat, kann ihr keinesfalls der Vorwurf gemacht werden, sie habe auf eine - allenfalls Willkür indizierende - Weise das Gesetz denkunmöglich ausgelegt.

c) Der VfGH hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles aber auch bei diesem - von der Behörde angenommenen - Inhalt des Gesetzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §12 Abs2 Z6 GG 1956, insbesondere nicht, daß diese Bestimmung den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verletzt: Bei diesem von der Behörde angenommenen Inhalt des Gesetzes stellt die Vorschrift ausschließlich auf schulrechtliche Vorschriften ab und läßt bei der Anrechnung von Studienzeiten alles außer Betracht, was sich nicht aus den schulrechtlichen Vorschriften ergibt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Gründe, die zu einer Verzögerung des Antritts des Studiums geführt haben, vom Beamten verschuldet sind oder nicht und ob sie überhaupt von ihm beeinflußt werden können oder nicht. Dies ist - wie auch der VwGH meint (vgl. VwGH 5. 12. 1974 Z 1518/74 und 12. 5. 1977 Z 682/76) nicht unsachlich.

Bei dem von der Behörde angenommenen Inhalt des §12 Abs2 Z6 GG 1956 bewirkt diese Vorschrift, daß alle Beamten, für die der erfolgreiche Abschluß einer höheren Schule (grundsätzlich) Anstellungserfordernis ist (zB für Beamte der VGr. B), dann, wenn sie im Anschluß an die Pflichtschule eine höhere Schule besuchen, in Ansehung der Ermittlung des Vorrückungsstichtages gleichgestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob nach den schulrechtlichen Vorschriften das Studium 4 Jahre dauert (und daher im Durchschnitt mit Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen werden kann und der Beamte daher die Möglichkeit hat, ab diesem Zeitpunkt Vordienstzeiten zu erwerben, die zur Gänze dem Anstellungstag voranzusetzen sind) oder ob das Studium länger (etwa 5 Jahre) dauert (und dann das eine, nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu absolvierende Studienjahr gemäß §12 Abs2 Z6 GG 1956 voll berücksichtigt wird). Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß diese Regelung an sich sachlich ist. Das bezweifelt auch der Beschwerdeführer nicht. Was er meint ist, daß diese Gleichstellung auch für B-Beamte Platz greifen müßte, die erst später mit ihrem Studium an einer höheren Schule beginnen. Hierin pflichtet ihm der VfGH nicht bei: Es kann dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe den ihm von Verfassungs wegen zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum mißbraucht, wenn er sich darauf beschränkt hat, vom üblichen Ausbildungsgang auszugehen, nicht aber auch von den vom Beschwerdeführer angezogenen Fällen. Im übrigen ist der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des §12 Abs3 GG 1956 zu verweisen, wonach unter anderem nach Vollendung des 18. Lebensjahres verbrachte Studienzeiten zur Gänze für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages berücksichtigt werden können.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß einerseits der VfGH gegen §12 Abs2 Z6 GG 1956 - wenn diese Vorschrift den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt hat - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und daß andererseits die Behörde dem Gesetz nicht fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.

Da die Behörde nicht willkürlich vorgegangen ist (s. die vorstehende litb), ist der Beschwerdeführer nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Dienstrecht, Vorrückungsstichtag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B533.1979

Dokumentnummer

JFT_10169774_79B00533_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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