TE Vfgh Beschluss 1983/2/26 B60/81

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Veröffentlicht am 26.02.1983
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §354 Z1
ASVG §371 Z1
ASVG §383 Abs2
ASVG §384 Abs1
VfGG §19 Abs3 Z2 lite

Leitsatz

ASVG; keine Anfechtbarkeit von Leistungsbescheiden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat dem am 20. August 1902 geborenen Beschwerdeführer mit Bescheid vom 8. Mai 1971 unter Heranziehung der damals geltenden Bestimmungen über die Wanderversicherung eine Alterspension zuerkannt. Das darüber eingeleitete Verfahren vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung endete im zweiten Rechtsgang mit einem Vergleich, worin sich die Anstalt verpflichtete, die Bonifikation des Beschwerdeführers zum 1. Jänner 1971 mit S 233,60 zu bemessen. Unter Berücksichtigung dieses Vergleiches wurde die Pension mit Bescheid vom 15. Mai 1973 neu festgestellt.

Nach Kundmachung der 24. GSPVG-Nov., BGBl. 705/1976, mit der die Bestimmungen über die Wanderversicherung (allerdings erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1979) geändert wurden, strebte der Beschwerdeführer eine Neubemessung seiner Pension unter Bedachtnahme auf die neue Rechtslage an. Mit Bescheid vom 23. Feber 1979 sprach die Pensionsversicherungsanstalt aus, daß die Alterspension auf Grund der Bestimmungen des Pensionsanpassungsgesetzes, BGBl. 96/1965, ab 1. Jänner 1979 monatlich S 6.093,40 betrage, und bemerkte in der Begründung abschließend, daß §240 Abs2 GSVG (das ist jene Bestimmung des an die Stelle des GSPVG getretenen neuen Gesetzes, die die Übergangsbestimmungen betreffend die Wanderversicherung enthält) nicht zur Anwendung käme, weil die vor 1971 liegenden Versicherungszeiten nach dem ASVG bereits berücksichtigt worden seien. Eine die Gewährung einer höheren Alterspension auf Grund der

24. GSPVG-Nov. anstrebende Klage des Beschwerdeführers wurde vom Schiedsgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung gegen dieses Urteil nicht Folge und sprach aus, daß dem Beschwerdeführer eine Alterspension in der Höhe von S 6.093,40 zu gewähren sei.

Die mit Bescheid vom 28. April 1980 ausgesprochene weitere Pensionsanpassung auf S 6.434,60 ab 1. Jänner 1980 bekämpfte der Beschwerdeführer mit einer neuerlichen Klage, in der er behauptete, es sei ihm "schon die Jahre davor zu wenig an Alterspension ausbezahlt" worden. Nachdem er vor Gericht ausdrücklich erklärt hatte, gegen die Aufwertung selbst keine Einwendungen zu haben, wies das Schiedsgericht die Klage wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurück: Bemessungsgrundlage und Wanderversicherung seien bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gewesen. Dieser Beschluß wurde vom Oberlandesgericht Wien bestätigt.

2. Nunmehr bekämpft der Beschwerdeführer den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 28. April 1980 beim VfGH. Der Bescheid sei nicht außer Kraft getreten und die Beschwerde sei rechtzeitig, weil die Beschwerdefrist erst nach Erschöpfung des durch die Rechtsmittelbelehrung aufgezeigten, einem Instanzenzug gleichzuhaltenden Weges über die Schiedsinstanzen zu laufen begonnen habe; hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Der erste Satz des §240 Abs1 GSVG sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig: es sei unsachlich, die Bestimmungen des §129 über die Wanderversicherung nur für Leistungen gelten zu lassen, bei denen der Stichtag nach dem 31. Dezember 1978 liege.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Für das Verfahren zur Durchführung des GSVG gelten grundsätzlich die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG (§194 GSVG). Demnach sind zur Entscheidung über Streitigkeiten in Leistungssachen - zu welchen insbesondere auch Angelegenheiten gehören, in denen es um die Feststellung des Umfanges eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung geht (§354 Z1 ASVG) ausschließlich die Schiedsgerichte der Sozialversicherung zuständig (§371 Z1 ASVG), so zwar, daß die bei sonstigem Verlust des Klagerechts innerhalb der Frist von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides des Sozialversicherungsträgers zu erhebende Klage (§383 Abs2 ASVG) den Bescheid außer Kraft setzt (§384 Abs1 ASVG). Damit hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden zur Überprüfung von Leistungsbescheiden der Sozialversicherungsträger verneint und der Partei die Möglichkeit gegeben, durch die Klagserhebung sowohl das Außerkrafttreten des Bescheides herbeizuführen als auch ihre Ansprüche (bei Gericht) geltend zu machen. Angesichts dieser Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung können Leistungsbescheide nicht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten werden (VfSlg. 3424/1958).

Wohl hat der VfGH ausgesprochen, daß eine unzulässige Klage den Bescheid des Versicherungsträgers in seinem Bestand nicht berührt (VfSlg. 5903/1969). Der Ausschluß der Zuständigkeit der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist aber nicht die Wirkung der rechtzeitigen Erhebung einer zur Behandlung geeigneten Klage und des Außerkrafttretens des Bescheides, sondern die Folge der bloßen Möglichkeit einer solchen Klagsführung. Bedient sich die Partei dieses Mittels nicht oder macht sie davon nicht den richtigen Gebrauch, so unterwirft sie sich dem Bescheid des Versicherungsträgers (VfSlg. 3424/1958).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer keine zulässige Klage erhoben. Die zuständigen Gerichte haben in seinem Vorbringen vielmehr ein Begehren auf Abänderung einer bereits früher rechtskräftig getroffenen Entscheidung gesehen. Die Möglichkeit, den Anpassungsbescheid durch ein geeignetes Klagebegehren außer Kraft zu setzen, hat gleichwohl bestanden und wurde von den Gerichten auch nicht verneint. Wenn der Beschwerdeführer gegen den Anpassungsbescheid selbst keine Einwände hatte und sein Anliegen, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Anwendungsbereiches der neuen Bestimmungen über die Wanderversicherung aufzuwerfen, mit solchen Einwänden auch gar nicht hätte verwirklichen können, so ist dies die notwendige Folge der Rechtskraft der einschlägigen Entscheidung und für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ohne Bedeutung.

Mangels Legitimation kann die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen werden (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B60.1981

Dokumentnummer

JFT_10169774_81B00060_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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