TE Vfgh Erkenntnis 1983/3/17 B304/82

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Veröffentlicht am 17.03.1983
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art5
UStG 1972 §12 Abs2 Z2 lita idF BGBl 645/1977

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 9641/1983

Leitsatz

UStG 1972; Verletzung des Eigentumsrechtes im Anlaßfall nach Aufhebung des §12 Abs2 Z2 litb idF BGBl. 645/1977 als gleichheitswidrig, weil auch keine denkmögliche Unterstellung eines Liebhabereibetriebes unter die lita

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Pächter eines Eigenjagdgebietes. Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer für das Jahr 1979 hat das Finanzamt Liezen die im Rahmen des Jagdpachtbetriebes bewirkten Umsätze der Umsatzsteuererklärung entsprechend zur Umsatzsteuer herangezogen. In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Vorsteuern geltend. Mit Berufungsvorentscheidung wurde den geltend gemachten Vorsteuern gestützt auf §12 Abs2 Z2 litb UStG 1972 in der Fassung BGBl. 645/1977, die Abzugsfähigkeit versagt, da es sich um Umsätze aus einem Voluptuarbetrieb handle.

Auf Grund des fristgerecht erhobenen Antrages auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat die Finanzlandesdirektion für Stmk. die Berufung mit Bescheid vom 1. April 1982 als unbegründet abgewiesen und den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen die Abzugsfähigkeit versagt. Die Finanzlandesdirektion hat diese Entscheidung primär auf §12 Abs2 Z2 lita UStG 1972 gegründet. Die vom Berufungswerber, dem Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens, gegen die die Liebhaberei betreffende litb dieser Bestimmung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken seien "nicht ausschlaggebend". Wohl handle es sich im vorliegenden Fall auch um Liebhaberei, für welche auf Grund des §12 Abs2 Z2 litb der Vorsteuerabzug ebenfalls ausgeschlossen sei; der Ausschluß des Vorsteuerabzuges sei aber jedenfalls bereits nach lita dieser Bestimmung gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet, die Verfassungswidrigkeit sowohl der lita, als auch der litb des §12 Abs2 Z2 UStG 1972 idF BGBl. 645/1977 gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §12 Abs2 Z2 litb des Umsatzsteuergesetzes 1972 (UStG 1972), BGBl. 223/1972 in der Fassung BGBl. 645/1977, ein und hob diese Gesetzesbestimmung mit Erk. G123/81 ua. vom 28. Feber 1983 als verfassungswidrig auf, wobei er für das Außerkrafttreten der Bestimmung eine Frist bis 31. Dezember 1983 vorsah.

III. Der VfGH hat über die - wie im eben erwähnten Erk. dargetan wurde: zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach dem System des UStG 1972 steht in der Regel der Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmens das Recht gegenüber, die auf den von ihm an andere Unternehmen für Lieferungen und sonstige Leistungen für sein Unternehmen bezahlten Beträgen ruhenden Umsatzsteuern abzuziehen (Vorsteuerabzug). Für bestimmte Umsätze wird dieses Recht jedoch durch §12 Abs2 UStG 1972 versagt. Dieser Ausschluß vom Vorsteuerabzug wird im Anwendungsbereich des §12 Abs2 Z2 UStG 1972 idF der Nov. BGBl. 645/1977 durch die gesetzliche Fiktion herbeigeführt, daß bestimmte Lieferungen und Leistungen nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten.

In der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Nov. BGBl. 645/1977 lautet die maßgebliche Bestimmung:

"(2) Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie die die Einfuhr von Gegenständen gelten als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie überwiegend für Zwecke des Unternehmens erfolgen. Hievon bestehen folgende Ausnahmen, die sinngemäß auch für die Einfuhr von Gegenständen gelten: ...

2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen,

a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) iS des §20 Abs1 Z1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes 1972 oder der §§8 Abs1 und 16 Z1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 sind,

b) die in Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (Liebhaberei), oder

c) die in Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge sowie Kraftfahrzeuge, die ausschließlich dem Zweck der gewerblichen Weiterveräußerung, der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen.

..."

2. Der angefochtene Bescheid greift infolge Vorschreibung von Umsatzsteuer in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.

3. Der Bescheid stützt die Verweigerung der Anerkennung der Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Vorsteuerbeträge sowohl auf §12 Abs2 Z2 lita UStG 1972 idF BGBl. 645/1977, als auch auf §12 Abs2 Z2 litb leg. cit.

a) Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Verwaltungsakt ist sohin anhand der Rechtslage zu beurteilen, wie sie sich ohne Bestand der aufgehobenen Bestimmung darstellt (vgl. zB VfSlg. 8935/1980).

Auf §12 Abs2 Z2 litb UStG 1972 kann somit der bekämpfte Bescheid nicht mehr gestützt werden.

b) Der Bescheid vermag sich aber denkmöglicherweise auch nicht auf lita der genannten Bestimmung zu gründen:

Es ist unbestritten, daß das Jagdpachtunternehmen, auf das sich die bekämpfte Umsatzsteuervorschreibung bezieht, ein Liebhabereibetrieb iS der vom VfGH als verfassungswidrig aufgehobenen litb des §12 Abs2 Z2 UStG 1972 idF BGBl. 645/1977 ist.

Der VfGH ist der Auffassung, daß es auf Grund einer systematischen Interpretation ausgeschlossen ist, der lita für den Zeitraum des aufrechten Bestandes der litb jenen Inhalt beizumessen, den ihr die belangte Behörde gegeben hat. Unterfällt nämlich eine Tätigkeit der zitierten litb, so ist es ausgeschlossen, sie auch der lita zuzuordnen. Denn es ist nicht möglich, der lita einen Inhalt beizumessen, der auch alle unter litb fallenden Tätigkeiten umfaßt. Hätte lita tatsächlich einen derartigen Inhalt, so hätte litb überhaupt keinen eigenen Anwendungsbereich und wäre daher völlig überflüssig. Ein derartiger Inhalt, der die litb jeglichen Regelungsinhalts entkleiden würde, kann aber denkmöglicherweise der Bestimmung der lita nicht gegeben werden. Lit. a hat daher vom Wirsamkeitsbeginn der Nov. BGBl. 645/1977 bis zum Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung der litb einen Inhalt, der es ausschließt, ihr denkmöglicherweise Liebhabereibetriebe iS der litb zu unterstellen.

Daran hat sich aber auch durch die Aufhebung der litb nichts geändert. Der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation verbietet es nämlich, der lita einen Inhalt zu geben, der, hätte sie ihn, die Bestimmung verfassungswidrig machen würde. Das wäre aber die Konsequenz der Auffassung, daß Unternehmen, die vor Aufhebung der litb hinsichtlich ihrer umsatzsteuerrechtlichen Behandlung dieser Bestimmung unterlegen sind, nunmehr dem Regime der lita unterliegen. Denn die litb wurde ja gerade deswegen aufgehoben, weil die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Liebhabereibetrieben als gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend angesehen wurde. Es ist ausgeschlossen, nunmehr durch Interpretation der lita des §12 Abs2 Z2 UStG 1972 idF BGBl. 645/1977 dieses gleichheitswidrige Ergebnis zu unterstellen.

4. Dem bekämpften Bescheid fehlt somit jede gesetzliche Grundlage, weshalb der Beschwerdeführer durch ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Umsatzsteuer, Auslegung verfassungskonforme, Liebhaberei (Steuerrecht), VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B304.1982

Dokumentnummer

JFT_10169683_82B00304_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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