TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/11 B479/79

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Veröffentlicht am 11.06.1983
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
AVG §8
LuftFG §68 ff

Leitsatz

Luftfahrtgesetz; Verweigerung der Zustellung eines Bescheides nach §62 an den Beschwerdeführer, dem in dem zum Bescheid führenden Verfahren keine Parteistellung zugekommen ist; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der in der Sicherheitszone des Militärflugplatzes Hörsching bei Linz liegenden EZ 1111, KG Pasching.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1959 hat der Bundesminister für Landesverteidigung als Militärluftfahrtbehörde der Flughafen-Linz-Betriebsgesellschaft m. b. H im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft gemäß §62 des Bundesgesetzes vom 2. Dezember 1957 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz - LFG), BGBl. 253, die Bewilligung zur Mitbenützung des Militärflugplatzes Hörsching nach Maßgabe der im Bescheid näher angeführten Bedingungen und Auflagen erteilt. Der Beschwerdeführer war an dem zu diesem Bescheid führenden Verfahren nicht als Partei beteiligt; der Bescheid ist ihm auch nicht zugestellt worden.

Am 5. April 1976 hat der Beschwerdeführer einerseits beim Bundesminister für Landesverteidigung die Zustellung einer Ausfertigung des genannten Bescheides vom 23. Juli 1959 beantragt und andererseits gegen diesen Bescheid beim VfGH eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG eingebracht. Der Bundesminister für Landesverteidigung hat den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 14. April 1976 mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei in dem Verfahren, das vor Erlassung des Bescheides vom 23. Juli 1959 durchgeführt wurde, nicht Partei gewesen. Der VfGH hat die Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom 14. April 1976 mit Beschluß vom 29. September 1976, B130/76, deshalb zurückgewiesen, weil der Bundesminister für Landesverteidigung mit dem Bescheid vom 14. April 1976 rechtskräftig über die Parteistellung des Beschwerdeführers abgesprochen habe; an diese Feststellung (die nicht Gegenstand der an den VfGH gerichteten Beschwerde sei) sei auch der VfGH gebunden.

In der Zwischenzeit hatte der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 14. April 1976 die Beschwerde an den VwGH erhoben, welcher den angefochtenen Bescheid mit Erk. vom 6. März 1979, Z 1269/76, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob. Der VwGH hat seine Entscheidung damit begründet, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt nicht auseinandergesetzt und keine Begründung dafür gegeben, warum sie die Voraussetzungen für die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer nicht für gegeben erachte und warum ihm allenfalls keine Parteistellung zugekommen sei; es fehle an jeder einer Überprüfung zugänglichen Bescheidbegründung.

Der Bundesminister für Landesverteidigung hat daraufhin mit Bescheid vom 4. Oktober 1979 den Antrag des Beschwerdeführers vom 5. April 1976 um Zustellung einer Ausfertigung des Bescheides vom 23. Juli 1959 neuerlich, und zwar unter Berufung auf die §§8 und 17 AVG 1950 sowie §62 LFG abgewiesen.

2. Gegen diesen Ersatzbescheid des Bundesministers richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf "gesetzliches Gehör" (Art6 Abs1 MRK) sowie auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, vor Entscheidung über den Antrag um Bescheidzustellung sei die Vorfrage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in dem Verfahren, welches dem Bescheid vom 23. Juli 1959 vorausging, Parteistellung hatte. Die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, könne vorwiegend aus der hier anzuwendenden Vorschrift des §62 LFG abgeleitet werden, welche bestimme, daß für die Mitbenützung von Militärflugplätzen für Zwecke der Zivilluftfahrt eine Bewilligung erforderlich sei, wobei das Gesetz keinen Unterschied mache, ob es sich um eine einmalige Benützung oder um eine Benützung auf Dauer handelt. Ein Recht der Flugplatznachbarn, diesem Verfahren in der Rechtsstellung einer Partei zur Wahrung subjektiver Rechte beigezogen zu werden, könne dem LFG, insbesondere dessen §62, nicht entnommen werden. Durch die Entscheidung über die Bewilligung der Mitbenützung des Militärflugplatzes Hörsching durch die Flughafen-Linz-Betriebsgesellschaft sei die Rechtssphäre des Beschwerdeführers unverändert geblieben, weil diese Bewilligung weder eine Erweiterung des Militärflugplatzes noch der Sicherheitszone erforderte.

2. In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des §62 LFG sei rechtsirrig. Der §62 ermögliche lediglich eine fallweise, jedenfalls untergeordnete Mitbenützung eines Militärflugplatzes zum Zwecke der Zivilluftfahrt. Keineswegs sei aber im §62 die Vorgangsweise gedeckt, durch die der Flugplatz Hörsching hauptsächlich zu einem Zivilflugplatz umgewandelt worden sei, was schon daraus hervorgehe, daß in dem Bescheid vom 23. Juli 1959 festgehalten werde, daß es sich bei dem Objekt Hörsching um einen Flughafen iS des §64 LFG handle. Die Errichtung eines Flughafens finde jedoch keine gesetzliche Deckung im §62 des genannten Gesetzes; für die Errichtung eines Flughafens hätten die §69 ff. Anwendung zu finden.

Wären richtigerweise die Bestimmungen über die Errichtung von Zivilflughäfen angewendet worden, dann hätte der Beschwerdeführer in dem der Erlassung des Bescheides vom 23. Juli 1959 vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung und dementsprechend auch das Recht gehabt, diesen Bescheid zugestellt zu erhalten.

3. a) Der VfGH hat in dem Erk. VfSlg. 9094/1981 ausgesprochen, daß das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch dann verletzt wird, wenn in einem abgesonderten Bescheid nur über die Parteistellung abgesprochen und diese zu Unrecht verneint wird, was eine bindende Wirkung für das Hauptverfahren habe, auf das sich die Parteistellung bezieht und sich dort dahin gehend auswirke, daß der Person gegenüber, der die Parteistellung aberkannt wird, im Hauptverfahren eine Sachentscheidung begrifflich gar nicht mehr ergehen könne. Sie sei nämlich dadurch gehindert, ihre Sache vor der Behörde geltend zu machen und werde daher auf diese Weise ihrem gesetzlichen Richter entzogen. Führe aber die rechtswidrige Verweigerung der prozessualen Parteienrechte zu einer Verweigerung in der Entscheidung der Sache selbst, so werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (Hinweis auf VfSlg. 3884/1961, 5496/1967), gleichviel in welcher Form die getroffene Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der spezifischen verfahrensrechtlichen Situation ergehe (Hinweis auf VfSlg. 8279/1978).

Im vorliegenden Fall wäre, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Parteistellung des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint hätte, der Beschwerdeführer gehindert, seine Sache vor der Behörde geltend zu machen. Der angefochtene Bescheid würde den Beschwerdeführer daher in einem solchen Fall im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzen.

An der Prüfung des angefochtenen - nach einem aufhebenden Erk. des VwGH ergangenen - Ersatzbescheides unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist der VfGH deshalb nicht gehindert, weil der VwGH in seinem aufhebenden Erk. (s. dessen oben unter Punkt I.1. wiedergegebene Gründe) über das Vorliegen der Parteistellung des Beschwerdeführers in keiner Weise abgesprochen hat (zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des VfGH bei Ersatzbescheiden nach aufhebenden Erk. des VwGH vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfGH 29. 9. 1982 B437/79 und die dort angeführte Vorjudikatur).

b) Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, das zum Bescheid des Bundesministers für Landesverteidung vom 23. Juli 1959 führende Verfahren sei in Wahrheit ein solches nach den §§68 ff. LFG (betreffend eine Zivilflugplatz-Bewilligung), nicht aber eines nach §62 LFG gewesen. Auch der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß er in einem Verfahren nach §62 LFG Parteistellung hätte.

In §62 Abs1 LFG ist vorgesehen, daß der Bundesminister für Landesverteidigung auf Antrag die Bewilligung für die Benützung von Militärflugplätzen durch Zivilluftfahrzeuge (lita) und die Errichtungen von ständigen Einrichtungen für Zwecke der Zivilluftfahrt auf Militärflugplätzen (litb) erteilen kann.

Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, daß der Bundesminister für Landesverteidigung in dem bereits vielfach genannten Bescheid vom 23. Juli 1959 auch die Auffassung vertreten hat, dem für die Zivilluftfahrt zur Verfügung gestellten Teil des Flugplatzes Hörsching komme rechtlich die Stellung eines Flughafens gemäß §64 LFG (also eines Zivilflugplatzes) zu. Der VfGH hat im vorliegenden Verfahren nicht zu untersuchen, ob diese Auffassung des Bundesministers zutrifft.

Fest steht jedenfalls, daß durch den - eine Sicherheitszone weder festlegenden noch ändernden - Bescheid vom 23. Juli 1959 das Grundstück des Beschwerdeführers nicht in Anspruch genommen wurde. Auch war im Zusammenhang mit der Erlassung dieses Bescheides eine Sicherheitszone nicht geplant.

Auf Grund dessen ist selbst dann, wenn man von der Prämisse des Beschwerdeführers ausgeht, nicht zu ersehen, in welchen subjektiven Rechten der Beschwerdeführer durch den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. Juli 1959 berührt werden sollte (vgl. zu §70 LFG VwGH 20. 6. 1963 Z 1225/62, vgl. auch die ständige Rechtsprechung des VwGH zur Parteistellung im Verfahren nach den §§78 und 79 LFG, zB VwGH 31. 1. 1975 Z 1311/74 und 25. 2. 1981 Z 03/3253/78).

Die belangte Behörde hat auf Grund dieser Erwägungen die Parteistellung des Beschwerdeführers in dem zum Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. Juli 1959 führenden Verfahren zurecht als nicht gegeben erachtet und daher zurecht den Antrag auf Zustellung des Bescheides vom 23. Juli 1959 abgewiesen.

4. Der Beschwerdeführer ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften - Bedenken gegen sie wurden nicht geltend gemacht und sind auch beim VfGH nicht entstanden - ist es damit ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

Bindung (des VfGH an VwGH), VfGH / Prüfungsmaßstab, Parteistellung Luftfahrtrecht, Zustellung, Luftfahrt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B479.1979

Dokumentnummer

JFT_10169389_79B00479_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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