TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/28 B191/79

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Veröffentlicht am 28.06.1983
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
UStG 1972 §27 Abs8 Z1

Leitsatz

UStG 1972; gleichheitswidrige Auslegung des §27 Abs8 Z1

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beschwerdeführende Textilwerke Aktiengesellschaft hatte in ihrer Umsatzsteuererklärung 1973 für Buntgarne und Buntgewebe die Vorratsentlastung nach §27 Abs2 Z1 UStG 1972 (Entlastungssätze von 5 bzw. 7%) geltend gemacht. Nach einer Betriebsprüfung hat das Finanzamt Feldkirch den Umsatzsteuerbescheid 1973 am 12. Juni 1978 unter Wiederaufnahme des Verfahrens nach §303 BAO dahin abgeändert, daß der Entlastungsbetrag um 443.911 S verringert wurde: Für die vom Lieferanten der beschwerdeführenden Gesellschaft ausgleichsteuerfrei importierten und von der Beschwerdeführerin erstmals verarbeiteten Farben habe kein Vorsteuerabzug gebührt.

Die Berufung gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Die Finanzlandesdirektion für Vbg. war der Meinung, gemäß §27 Abs8 Z1 UStG sei der Abzug der Vorsteuer nach Abs2 unzulässig, wenn der Gegenstand ohne Erhebung einer Ausgleichsteuer eingeführt worden sei, und zwar gleichgültig, ob es sich um den Importeur oder um seine Abnehmer handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die den zweiten - gemeint offenbar: dritten - Satz des §27 Abs8 Z1 UStG für gleichheitswidrig hält und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums rügt. Ziel der Vorratsentlastung anläßlich der Umstellung auf das Mehrwertsteuersystem sei die Vermeidung einer Doppelbelastung mit Umsatzsteuer. Daher sei wohl die Ausnahme von Waren verständlich, die der Importeur ohne Steuerbelastung eingeführt habe, nicht aber die Ausnahme von Waren, die ein Abnehmer des Importeurs umsatzsteuerpflichtig erworben habe; für diese Ausnahme lasse sich kein sachlicher Grund finden.

II. Die Beschwerde ist begründet. Die gerügte Verfassungswidrigkeit ist nicht dem Gesetz, sondern dem Vollzug anzulasten.

1. §27 UStG 1972 enthält Übergangsregelungen für das Vorratsvermögen und bestimmt in Abs1, daß der Unternehmer für die am Schluß des Kalenderjahres 1972 im Inland vorhandenen Gegenstände eine Vorsteuer abziehen kann, die sich aus der Anwendung der (nach Warengruppen und der wirtschaftlichen Rolle des Gegenstandes unterscheidenden) Entlastungssätze nach Abs2 und 3 ergibt. Für steuerpflichtig erworbene, im Inland nicht be- oder verarbeitete Gegenstände gewährt Abs3 einen weiteren Entlastungsbetrag (als Ausgleich für die zusätzliche Stufenbelastung des Handels durch die Lieferung vom Erzeuger), und für ausgleichsteuerpflichtig eingeführte, im Inland keiner Be- oder Verarbeitung zugeführte Gegenstände sieht Abs4 eine Entlastung mit jenem Betrag vor, welcher der (nach dem 31. Dezember 1970) entrichteten Ausgleichsteuer entspricht. Sodann bestimmt Abs8:

"Der Unternehmer ist zum Abzug der Vorsteuer nach Abs2 nicht berechtigt, wenn

1. der Gegenstand ohne Erhebung einer Ausgleichsteuer eingeführt worden ist. Hat der Unternehmer den ohne Erhebung einer Ausgleichsteuer selbst eingeführten Gegenstand jedoch im Inland einer Bearbeitung oder Verarbeitung unterzogen, so ist ein Vorsteuerabzug nach Abs2 Z1 von jenem Betrag zu gewähren, um den die Bemessungsgrundlage (Abs11) den Erwerbspreis oder Wert iS des §6 des Umsatzsteuergesetzes 1959 des eingeführten Gegenstandes übersteigt. Das gleiche gilt für jeden Abnehmer, wenn der ohne Erhebung einer Ausgleichsteuer eingeführte Gegenstand erst durch ihn bearbeitet oder verarbeitet worden ist, wobei an Stelle des Erwerbspreises oder Wertes iS des §6 des Umsatzsteuergesetzes 1959 der Einkaufspreis herangezogen werden kann;

..."

Die belangte Behörde geht in ihrer Gegenschrift in Übereinstimmung mit der Absicht des Gesetzgebers (382 BlgNR 13. GP, 8) davon aus, daß die Entlastung in Fällen ausgleichsteuerfreier Einfuhr deshalb ausgeschlossen sei, weil die umsatzsteuerliche Vorbelastung fehle. Zu entlasten sei nur die allfällige Wertschöpfung durch Bearbeitung oder Verarbeitung im Inland. Nach Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft trifft diese Überlegung jedoch auf Fälle umsatzsteuerpflichtigen Erwerbes nicht zu, sodaß die im dritten Satz des §27 Abs8 Z1 vorgesehene Gleichbehandlung dieser beiden Fallgruppen dazu führe, daß der Abnehmer solcher Gegenstände schlechter behandelt werde als ein Unternehmer nach steuerpflichtigem Erwerb sonst.

2. Auch der VfGH ist der Meinung, daß es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes bedenklich wäre, wenn ein Unternehmer nur deshalb vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen wäre, weil der von ihm steuerpflichtig erworbene Gegenstand vom Vormann steuerfrei importiert wurde. Wird nur die Wertschöpfung entlastet, so bleibt ein Erwerb unberücksichtigt, der gerade in der maßgeblichen letzten Stufe mit Vorsteuer belastet war. Die zur Abgeltung dieser letzten Stufe der Lieferung bestimmte Entlastung nach §27 Abs3 kommt nicht in Betracht, weil der Gegenstand noch verarbeitet wurde und es deshalb - im Normalfall - bei der Entlastung nach Abs2 bleiben müßte. Das Verfahren hat aber nichts ergeben, was ein Verbot der Entlastung nach Abs2 für umsatzsteuerpflichtig erworbenes Vorratsvermögen verständlich machen könnte. Insbesondere ließen sich hiefür - anders als für das Abstellen auf die letzte Stufe in §27 Abs3 (VfSlg. 7447/1974) - keine Gründe aus dem Blickwinkel besserer administrativer Bewältigung der Vorratsentlastung finden.

Das Gesetz zwingt indessen nicht zu einer solchen Auslegung. Der im ersten Satz der Z1 des §27 Abs8 geregelte (Haupt-)Fall ist offenkundig der des steuerfreien Erwerbes des Importeurs, dem ein Vorsteuerabzug versagt ist. Der zweite, auf Fälle inländischer Be- oder Verarbeitung abstellende Satz gewährt den Vorsteuerabzug für die inländische Wertschöpfung. Wenn daher der dritte Satz (arg "Das gleiche gilt ..., wenn ... bearbeitet oder verarbeitet worden ist") an diesen zweiten Satz anknüpft, läßt dies ohne weiteres auch die Deutung zu, daß nicht nur dem Importeur, sondern auch seinem Abnehmer bloß die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges gewahrt bleiben sollte; zumindest läßt die Wortwahl des dritten Satzes erkennen, daß dem Gesetzgeber die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges (bezüglich der Wertschöpfung), nicht aber dessen Versagung (bezüglich des erworbenen Gegenstandes) vor Augen stand. Der Gegenschluß - daß dem Abnehmer der Vorsteuerabzug mit Ausnahme des auf die Wertschöpfung entfallenden Anteils versagt bleiben soll - ist durch den erkennbaren Sinn und Zweck der Vorschrift nicht geboten. Kennt doch das Gesetz im gegebenen Zusammenhang auch andere Fälle steuerfreien Erwerbs (Abs3 muß seinen Anwendungsbereich ausdrücklich auf den Fall steuerpflichtigen Erwerbes einschränken). Daher ist auch an den Fall zu denken, daß der Abnehmer von ausgleichsteuerfrei importierten Gegenständen solche ohne steuerliche Vorbelastung erworben hat. Die Regelung kann also unschwer so verstanden werden, daß sie nur für jene Abnehmer gilt, die in bezug auf die Belastung mit Vorsteuer in derselben Lage sind wie der Importeur iS der ersten beiden Sätze (womit ihr überschießender Wortlaut teleologisch reduziert wird).

Geht man von dieser bei verfassungskonformer Auslegung gebotenen Deutung des Abs8 Z1 aus, so erweist sich der vorliegende Fall nicht als ein Fall des Abs8. Die belangte Behörde ist zu ihrer Entscheidung nur dadurch gelangt, daß sie dem Gesetz einen sachlich nicht zu rechtfertigenden - gleichheitswidrigen - Inhalt unterstellt hat.

Sie hat die beschwerdeführende Gesellschaft damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Auslegung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B191.1979

Dokumentnummer

JFT_10169372_79B00191_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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