TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/30 G52/82

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Veröffentlicht am 30.06.1983
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
GSPVG §3 Z3 idF ArtI Z1 lita der 21. Nov BGBl 32/1973
GSPVG §4
GSVG §4 Abs3 Z1
GSVG §6
GSVG §7

Leitsatz

GSPVG; GSVG; §3 Z3 GSPVG idF des ArtI Z1 lita der 21. Nov., BGBl. 32/1973, und §4 Abs3 Z1 GSVG werden nicht als verfassungswidrig festgestellt bzw. aufgehoben

Spruch

Den Anträgen wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Nach §2 Abs1 GSPVG in der Fassung der 25. Nov. waren ab 1. Jänner 1978 und nach §2 Abs1 GSVG sind seit 1. Jänner 1979 neben den Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Z1) unter anderem auch Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (Z2) und die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Z3) in der Pensionsversicherung pflichtversichert, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer solchen Kammer sind. Ausgenommen von der Pflichtversicherung sind gemäß §3 Z3 GSPVG, seit 1. Jänner 1979 gemäß §4 Abs3 Z1 GSVG

"Verpächter von Betrieben, wenn die Kammermitgliedschaft ausschließlich auf der verpachteten Gewerbeberechtigung oder Befugnis zur Ausübung der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit beruht, für die Dauer der Verpachtung."

2. Beim VwGH ist zu Z 81/08/0029 das Verfahren über eine Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gegen einen Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 12. Dezember 1980 anhängig. In diesem Verfahren ist strittig, ob die Gesellschafterin einer GesmbH, die ihre Gewerbeberechtigung seit 1958 verpachtet hat, auf Grund der genannten Bestimmungen von der Pflichtversicherung ausgenommen war und ist. Während die beschwerdeführende Anstalt diese Frage bejaht hatte, gab der Landeshauptmann dem Einspruch der Gesellschafterin Folge und sprach aus, daß sie im Jahre 1978 nach §2 Abs1 Z3 GSPVG pflichtversichert gewesen und seit 1. Jänner 1979 nach §2 Abs1 Z3 GSVG pflichtversichert sei; die behauptete Ausnahmeliege nicht vor, weil nicht die Gesellschafterin, sondern die GesmbH Verpächterin sei. Der Bundesminister für soziale Verwaltung gab der Berufung gegen den Einspruchsbescheid keine Folge und fügte dessen für zutreffend erachteter Begründung die Bemerkung an, eine ausdehnende Auslegung einer Ausnahmebestimmung sei iS der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unzulässig.

Die beim VwGH beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt hält es für sinnwidrig, die Ausnahme dann, wenn der Tatbestand der Pflichtversicherung an eine Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Gesellschaft anknüpfe (und daher die Ausübungsberechtigung statt auf den Versicherten auf die Gesellschaft laute), daran scheitern zu lassen, daß nicht eine persönliche Berechtigung des Versicherten, sondern die Berechtigung der Gesellschaft verpachtet sei. Man müsse vielmehr berücksichtigen, daß bei der Erweiterung des Kreises der Pflichtversicherten mit 1. Jänner 1978 (bloß) die Anpassung der Ausnahmebestimmungen unterblieben sei. Nicht mehr erwerbstätige Personen durch eine Versicherungspflicht zu belasten sei nicht gerechtfertigt.

3. Der VwGH tritt der Rechtsansicht der belangten Behörde bei, hält die einschlägigen Bestimmungen aber für gleichheitswidrig und beantragt daher, die Verfassungswidrigkeit des §3 Z3 GSPVG festzustellen und §4 Abs3 Z1 GSVG aufzuheben. Er begründet diese Anträge wie folgt:

"3.1.1. Auch im öffentlichen Recht ist bei der Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung positiviert sind, sofern das nicht in den öffentlich-rechtlichen Normen ausdrücklich oder schlüssig ausgeschlossen ist (vgl. Erk. des VwGH vom 24. November 1977, Zl. 1037/76, und vom 5. Oktober 1979, Slg. Nr. 5408/F).

3.1.2. Darnach hat die Gesetzesauslegung zufolge §6 ABGB mit der Erforschung des Wortsinnes der Norm zu beginnen und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdruckes im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der getroffenen Regelung zu fragen (Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes I, 5. Auflage, Seite 19; Wolff in Klang, 2. Auflage, I/1, Seite 90). Nach dieser grundlegenden Auslegungsregel können unter den Verpächtern von Betrieben nach §3 Z3 GSPVG und §4 Abs3 Z1 GSVG nur natürliche Personen verstanden werden, da nach dem Einleitungssatz des §2 Abs1 GSPVG und GSVG nur natürliche Personen der Pflichtversicherung unterliegen und sich daher die strittigen Ausnahmenormen auch nur auf solche Personen beziehen können. Eine Subsumtion von Geschäftsführern einer Gesellschaft mbH., die Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist und ihre Gewerbeberechtigung verpachtet hat, unter die strittigen Normen, ist im Wege der Auslegung im Rahmen des äußerst möglichen Wortsinnes dieser Normen somit nicht möglich.

3.1.3. Es erhebt sich somit die Frage, ob nicht eine Lücke im Rechtssinn vorliegt, die, wie die Beschwerdeführerin im Ergebnis meint, mit Hilfe der Analogie geschlossen werden muß. Eine Lücke im Rechtssinn ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 5. Auflage, Seite 22). Da das öffentliche Recht, im besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muß eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden und kann nicht - trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht - mit Hilfe derselben geschlossen werden (vgl. Erk. des VwGH vom 3. November 1978, Slg. N. F. Nr. 9677/A). Sie ist jedenfalls unzulässig in Fällen, in denen aus dem Gesetz zu erkennen ist, daß bestimmte Rechtswirkungen nur dem gesetzlich umschriebenen Tatbestand zukommen sollen (Erk. des VwGH vom 12. November 1952, Slg. N. F. Nr. 2720/A, vom 25. März 1953, Slg. N. F. Nr. 2911/A, und vom 19. Mai 1954, Slg. N. F. Nr. 3413/A). Für eine Gesetzesanalogie ist dort kein Raum, wo die gesetzlichen Bestimmungen eine eindeutige Regelung treffen (vgl. Erk. des VfGH vom 11. Oktober 1972, Slg. Nr. 6874, und Beschluß vom 29. November 1976, Slg. Nr. 7915).

3.1.4. Wendet man diese Grundsätze auf das im Beschwerdefall strittige Rechtsproblem an, so ist eine analoge Anwendung des §3 Z3 GSPVG bzw. §4 Abs3 Z1 GSVG auf Fälle, in denen der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH. der Pflichtversicherung nach §2 Abs1 Z3 GSPVG bzw. GSVG unterliegt, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung aber ihre Gewerbeberechtigung verpachtet hat, unzulässig. Nach §4 Abs2 Z3 GSPVG, in der Fassung der 25. GSPVG-Nov., endete nämlich die Pflichtversicherung bei den in §2 Abs1 Z3 genannten Pflichtversicherten - anders als bei den in §2 Abs1 Z2 genannten Gesellschaftern einer OHG und den persönlich haftenden Gesellschaftern einer KG, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer der Kammern der gewerblichen Wirtschaft waren, - nicht mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem die die Pflichtversicherung begründende Berechtigung der Gesellschaft erloschen war. Diese Regelung wurde im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz zunächst durch §7 Abs2 Z3 beibehalten und erst durch die 2. GSVG-Nov. iS einer Angleichung an die die Gesellschafter einer OHG und die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG betreffende Regelung geändert. Wenn aber bis zum Inkrafttreten der 2. GSVG-Nov. selbst das Erlöschen der die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung der Gesellschaft keinen Endigungstatbestand der Pflichtversicherung des Geschäftsführers dieser Gesellschaft darstellte, kann umso weniger eine Ergänzungsbedürftigkeit der strittigen Ausnahmenormen angenommen werden. Daher waren zwar natürliche Personen als Verpächter von Betrieben, deren Kammermitgliedschaft ausschließlich auf der verpachteten Gewerbeberechtigung oder Befugnis zur Ausübung der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit beruhte, für die Dauer der Verpachtung bis 31. Dezember 1978 nach §3 Z3 GSPVG von der Pflichtversicherung nach §2 leg. cit. ausgenommen und sind es nach §4 Abs3 Z1 GSVG ab 1. Jänner 1979; Geschäftsführer von Gesellschaften mbH., die ihre Gewerbeberechtigung, auf der ausschließlich ihre Kammermitgliedschaft beruhte, verpachteten, waren und sind hingegen nach diesen Normen nicht von der Pflichtversicherung nach §2 Abs1 Z3 GSPVG bzw. GSVG ausgenommen.

3.2. Diese unterschiedliche Behandlung der genannten Personengruppen verstößt aber nach Auffassung des VwGH gegen das den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot, da für sie unter dem Gesichtspunkt der Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung infolge Verpachtung jener Gewerbeberechtigung, auf der die Kammermitgliedschaft ausschließlich beruht, keine sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Denn durch eine solche Verpachtung fällt für beide Personengruppen in gleicher Weise die rechtliche Möglichkeit jener selbständigen Erwerbstätigkeit weg, die sich letztlich von der verpachteten Gewerbeberechtigung herleitet. Auch die Wahrnehmung der dem Verpächter obliegenden Rechte und Pflichten gegenüber dem Pächter vermag die dargestellte Ungleichbehandlung der beiden Personengruppen nicht zu rechtfertigen, da auch insofern zwischen der physischen Person, die eine Gewerbeberechtigung verpachtet hat und dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, der als Organ derselben die Rechte und Pflichten der Gesellschaft wahrnimmt, kein Unterschied besteht."

Die Bundesregierung hat von einer Äußerung zur Sache Abstand genommen.

II. Die Anträge sind zulässig.

Das Verfahren hat nichts ergeben, was gegen die Annahme des VwGH spräche, er habe die angefochtenen Gesetzesstellen in dem bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden.

Daß der VfGH im Erk. VfSlg. 8657/1979 die Verfassungswidrigkeit der für die Versicherungspflicht grundlegend gewesenen Vorschrift des §2 Abs1 Z3 GSPVG festgestellt und die gleichartige Vorschrift des §2 Abs1 Z3 GSVG als verfassungswidrig aufgehoben hat, ist für diesen Fall bedeutungslos, weil der dem Antrag zugrundeliegende Beschwerdefall kein Anlaßfall jenes Gesetzesprüfungsverfahrens war und die aufgehobene Vorschrift durch die 2. Nov. zum GSVG, BGBl. 531/1979, mit gleichem Wortlaut (und hier nicht in Betracht kommenden Ergänzungen) wieder erlassen wurde.

III. Die Anträge sind aber nicht begründet.

1. Pflichtversichert waren nach dem GSPVG und sind nach dem GSVG nur natürliche Personen. Von der Pflichtversicherung ausgenommen können daher gleichfalls nur natürliche Personen sein. In den Fällen der Z2 und 3 des §2 GSPVG bzw. GSVG wird die Versicherungspflicht der Gesellschafter aus der Kammermitgliedschaft der Gesellschaft abgeleitet. Auch Verpächter des Betriebes kann nur die Gesellschaft selbst sein. Ist folglich die verpachtende Gesellschaft selbst nicht versicherungspflichtig und der versicherungspflichtige Gesellschafter nicht Verpächter, so greift die Ausnahme des §3 Z3 GSPVG bzw. §4 Abs3 Z1 GSVG nach ihrem Wortlaut bei Gesellschaftern nicht ein. Das vom "Verpächter" redende Gesetz scheint vielmehr zu verlangen, daß der Ausnahmegrund beim Pflichtversicherten selbst eingetreten ist. Um die Verpachtung des Betriebes durch die Gesellschaft als Grund für die Ausnahme des Gesellschafters von der Versicherungspflicht zu erfassen, hätte der Gesetzgeber eine ähnliche Formulierung wählen müssen, wie §2 sie für die Voraussetzungen der Versicherungspflicht gewählt hat. Er hätte also dem Verpächter jenen Gesellschafter gleichstellen müssen, dessen Gesellschaft den Betrieb verpachtet hat.

Ob das Gesetz die Gesellschafter im Falle der Verpachtung des Unternehmens durch die Gesellschaft von der Versicherungspflicht tatsächlich ausnimmt oder ob nicht vielmehr nur eine Lücke besteht, die durch sinngemäße Anwendung der Ausnahmeregelung zu schließen ist, kann erst nach Prüfung der Entstehungsgeschichte und des Zwecks der einschlägigen Vorschriften vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Lage entschieden werden.

2. Eine nähere Untersuchung zeigt indessen, daß der Wortlaut des Gesetzes in bezug auf Gesellschafter von Anfang an mangelhaft war, daß aber auch nichts dafür spricht, daß der Gesetzgeber die Verpachtung durch eine Gesellschaft anders behandeln wollte als die Verpachtung durch den Pflichtversicherten selbst. Zu Unrecht geht der VwGH davon aus, daß die Regelung über das Ende der Versicherungspflicht es nicht erlaubt, eine Lücke im Rechtssinn anzunehmen:

a) Nach der Stammfassung des GSPVG, BGBl. 292/1957, waren neben den Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft die vertretungsbefugten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und die persönlich haftenden vertretungsbefugten Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft pflichtversichert, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer Kammer waren (§2 Abs1 Z1 und 2). Der Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft war ferner die Zugehörigkeit zur Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Dentistenkammer (§2 Abs2 Z1 und 2) und die freiberufliche Tätigkeit von Journalisten (§2 Abs2 Z3) gleichgestellt.

Den Ausnahmen (§3) ist nach den EB der RV (343 BlgNR VIII. GP, 50) ganz allgemein "der im §2 erfaßte Personenkreis" unterworfen.

Die Bestimmung über die Ausnahme der Verpächter (§3 Abs1 Z3) hatte bereits damals den Wortlaut, den schließlich §4 Abs3 Z1 des GSVG übernahm.

Die Pflichtversicherung begann mit dem Ersten des Kalendermonates, der dem Tage der Begründung der Kammermitgliedschaft (bei Journalisten: der Tätigkeitsaufnahme) folgte bzw. in dem der Ausnahmegrund wegfiel (§4 Abs1), und erlosch mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem die Kammermitgliedschaft (bei Journalisten: die Tätigkeit) endete bzw. der Ausnahmegrund eintrat (§4 Abs2).

Die Regelungen über Beginn und Ende der Pflichtversicherung (§4) waren ebenso Gegenstand wiederholter Änderungen wie die Abgrenzung des Kreises der Pflichtversicherten (§2). Die 5. Nov., BGBl. 14/1962, ließ die Pflichtversicherung nicht mehr mit dem Ersten des Kalendermonates beginnen, in dem der Ausnahmegrund wegfiel, und mit dem Letzten des Kalendermonates enden, in dem er eintrat, sondern mit dem Ersten des Folgemonates bzw. dem Letzten des vorangegangenen Monats. Zugleich wurde nach der Begründung des Initiativantrages im Nationalrat (zu 518 BlgNR IX. GP, 12)

"durch die Neufassung des §4 auch eine Ungenauigkeit beseitigt, die der bisherigen Regelung hinsichtlich des Beginnes und des Endes der Versicherung bei den pflichtversicherten Gesellschaftern anhaftete".

§4 unterschied jetzt nämlich zwischen pflichtversicherten Kammermitgliedern, bei denen an die Begründung (oder das Ende) der Kammermitgliedschaft angeknüpft wurde, und "den übrigen im §2 genannten Versicherten", bei denen es auf die Aufnahme (oder das Ende) der Tätigkeit ankam. Betreffend Wegfall bzw. Eintritt des Ausnahmegrundes wurde zwischen beiden Gruppen allerdings weiterhin nicht unterschieden.

Die 17. Nov., BGBl. 7/1968, trug für den Fall Sorge, daß das die Versicherungspflicht auslösende Ereignis auf den Monatsersten fiel.

Die Fassung der 20. Nov., BGBl. 288/1971, unterschied innerhalb des größer gewordenen Versichertenkreises zwischen den pflichtversicherten Kammermitgliedern, bei denen sie auf die Erlangung bzw. das Erlöschen der Berechtigung abstellte (Z1), den Gesellschaftern, bei denen die Erlangung bzw. das Erlöschen der Berechtigung durch die Gesellschaft oder die Eintragung bzw. Löschung des Gesellschafters im Handelsregister maßgeblich war (Z2) und anderen Pflichtversicherten, bei denen es auf die Aufnahme der Erwerbstätigkeit ankam (Z3). Der Beginn der Pflichtversicherung trat schon mit diesem Ereignis ein und nur für das Ende blieb es beim Letzten des betreffenden Kalendermonates; auch der Wegfall des Ausnahmegrundes sollte nun - im Unterschied zu seinem Eintritt - im allgemeinen sofort wirksam sein (Z4).

Die jeweilige Z2 des §4 Abs1 und 2 wurde durch die 24. Nov., BGBl. 705/1976, dahin präzisiert, daß nicht der Tag der Eintragung (Löschung) des Gesellschafters im Handelsregister, sondern der Tag der Antragstellung auf Eintragung (Löschung) den Ausschlag gab. Diese Nov. paßte §4 auch einer (hier nicht wesentlichen) neuen Gruppe von Versicherten an (Z4; die Regelung über die Ausnahmegründe wurde dadurch zur Z5).

Die 25. Nov., BGBl. 619/1977, bezog durch Anschluß einer neuen Z3 an §2 Abs1 GSPVG die geschäftsführenden Gesellschafter kammerangehöriger Gesellschaften mit beschränkter Haftung in die Pflichtversicherung ein und gab auch §4 eine neue, diesem Umstand Rechnung tragende Fassung.

Die Pflichtversicherung begann demnach (Abs1)

"3. bei den im §2 Abs1 Z3 genannten Pflichtversicherten mit dem Tag der Bestellung des Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Geschäftsführer, frühestens jedoch mit dem Tag der Erlangung der Kammermitgliedschaft durch die Gesellschaft, beim Eintritt eines Geschäftsführers in die Gesellschaft mit dem Tag der Antragstellung auf Eintragung des Geschäftsführers in das Handelsregister;"

und endete (Abs2)

"3. bei den in §2 Abs1 Z3 genannten Pflichtversicherten mit dem Tag des Widerrufes der Bestellung zum Geschäftsführer bzw. der Enthebung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. mit dem Tag des Ausscheidens des Geschäftsführers aus einer solchen Gesellschaft;".

Die bisherigen Z3 bis 5 erhielten dadurch die Bezeichnung 4 bis 6.

In dieser Fassung ging die Regelung des §4 Abs1 und 2 GSPVG mit den durch die Zusammenfassung von Kranken- und Pensionsversicherung veranlaßten Änderungen in §§6 und 7 GSVG ein.

Durch die 2. Nov. zum GSVG, BGBl. 531/1979, wurde die jeweilige Z3 etwas umgestellt. Die Pflichtversicherung beginnt nunmehr gemäß §6 Abs1 und 3 jeweils

"3. bei den im §2 Abs1 Z3 genannten Gesellschaftern mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung durch die Gesellschaft, bei Bestellung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Geschäftsführer mit dem Tag der Antragstellung auf Eintragung des Geschäftsführers in das Handelsregister, bei Eintritt eines Geschäftsführers in die Gesellschaft mit dem Tag des Eintrittes;"

und endet gemäß §7 Abs1 und 2 jeweils

"3. bei den im §2 Abs1 Z3 genannten Gesellschaftern mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem die die Pflichtversicherung begründende Berechtigung der Gesellschaft erloschen ist bzw. in dem die Eintragung des Widerrufes der Bestellung zum Geschäftsführer im Handelsregister beantragt worden ist bzw. in dem der Geschäftsführer von der Geschäftsführung enthoben worden oder als Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist;".

Die EB enthalten dazu unter anderem folgenden Hinweis (93 BlgNR XV. GP, 7):

"Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll bezüglich des Beginnes und des Endes der Pflichtversicherung der zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Ges. m. b. H. eine Angleichung an die Regelungen über Beginn und Ende der Pflichtversicherung von Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft herbeigeführt werden. Darüber hinaus wäre auch auf jene Fälle Bedacht zu nehmen, in denen eine zum Geschäftsführer einer Ges. m. b. H. bestellte Person als Gesellschafter in die Gesellschaft eintritt, weil in diesen Fällen eine Eintragung in das Handelsregister nicht vorgenommen wird. Des weiteren soll dafür Sorge getragen werden, daß auch bei den zu Geschäftsführern einer Ges. m. b. H. bestellten Gesellschaftern die Pflichtversicherung mit dem Letzten eines Kalendermonates endet und überdies darauf Bedacht genommen werden, daß als Endigungsgrund das Erlöschen der Kammermitgliedschaft der Ges. m. b. H. in Betracht kommen kann."

Was die Ausnahmen betrifft, beginnt die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach Wegfall des Ausnahmegrundes mit diesem Zeitpunkt (§6 Abs1 Z5) und in der Pensionsversicherung mit dem Tage des Wegfalles eines Ausnahmegrundes (§6 Abs3 Z6) und endet mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem der Ausnahmegrund eintritt (§7 Abs1 Z7 und Abs2 Z6).

b) Der Werdegang dieser Vorschriften ist also ein Prozeß der Beseitigung von Regelungslücken. Schon in der 5. Nov. zum GSPVG hatte sich der Gesetzgeber zur Beseitigung von "Ungenauigkeiten" veranlaßt gesehen, den Wortlaut der Bestimmungen über den Beginn und das Ende der Versicherungspflicht abzuändern. Aus sprachlichen Gründen wurde die Regelung für die pflichtversicherten Kammermitglieder von der Regelung für Gesellschafter kammerangehöriger Personengesellschaften getrennt. Sodann mußte die 20. Nov. die Gesellschafter aus der Gruppe der "übrigen ... Versicherten" herausnehmen, weil sich gezeigt hatte, daß sowohl Vorgänge auf der Ebene der Gesellschaft wie auch Ereignisse in der Person des Gesellschafters in Betracht kommen. Die Einführung der Versicherungspflicht von Gesellschaftern einer GesmbH erzwang in der 25. Nov. eine weitere Differenzierung, jedoch blieb die Regelung betreffs des Endes der Versicherungspflicht abermals unvollständig, weil sie das Erlöschen der die Versicherungspflicht begründenden Tätigkeit der Gesellschaft zwar bei den Personengesellschaften (Z2), nicht aber bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Z3) berücksichtigte. Dieses Versehen wurde erst durch die 2. GSVG-Nov. berichtigt.

Der Gesetzgeber hat also die legistischen Probleme, welche die unterschiedlichen Anknüpfungen der Versicherungspflicht mit sich bringen, bei den Regelungen über Beginn und Ende der Versicherungspflicht erst in mehreren Anläufen bewältigt. In bezug auf Beginn und Ende der Versicherungspflicht stand die Auslegung mehrmals vor gleichartigen Fragen, wie sie im vorliegenden Verfahren in bezug auf die Ausnahme von der Versicherungspflicht gestellt sind. Der VfGH kann daher der These des VwGH, bis zur 2. GSVG-Nov. sei selbst das Erlöschen der die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung der Gesellschaft nicht Endigungstatbestand der Pflichtversicherung des Gesellschafters gewesen (weshalb auch die Ausnahmevorschriften nicht ergänzungsbedürftig seien), keineswegs beipflichten. Vielmehr lag auch in dieser Frage eine ganz offenkundig planwidrige Lücke vor:

Aufgabe des §4 GSPVG und der §§6 und 7 GSVG war und ist, Beginn und Ende der in §2 materiell festgelegten Versicherungspflicht im Detail zu regeln. In der Stammfassung kam diese Rolle besonders deutlich zum Ausdruck, weil Eintritt oder Wegfall der materiellen Voraussetzungen Beginn bzw Ende nicht im Zeitpunkt dieses Ereignisses bewirkte, sondern die Versicherungspflicht schon mit dem Ersten des Kalendermonates entstehen bzw. erst mit dem Letzten enden ließ. Seit der 20. Nov. zum GSPVG stellt das Gesetz zwar bezüglich des Eintrittes der Versicherungspflicht nur mehr klar, daß die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen bereits genügt, doch läßt es ihr Ende noch immer erst mit Ablauf des betreffenden Monates eintreten. Mit Rücksicht auf diese untergeordnete Funktion des §4 Abs2 GSPVG und des §7 GSVG konnte nicht angenommen werden, daß die Versicherungspflicht eines Gesellschafters trotz Wegfalles der materiellen Voraussetzungen noch fortdauern sollte, sondern es war anzunehmen, daß (auch) in diesem Fall die Beendigung erst am Ende des betreffenden Kalendermonates eintreten sollte. Dieses Ergebnis war durch einen Analogieschluß aus der Regelung für die anderen Endigungstatbestände abzuleiten. Durch die 2. GSVG-Nov. wurde §7 (Abs1 und 2) Z3 bloß im Wortlaut dem übrigen Text angepaßt.

Damit fällt die wesentliche Prämisse des Antrages des VwGH.

c) Was die hier in Rede stehenden Ausnahmen von der Pflichtversicherung selbst betrifft, ist dem Gesetzgeber bisher offenbar entgangen, daß die Formulierung auf die Fälle der Gesellschafter gleichfalls dann nicht paßt, wenn es um die zur Kammermitgliedschaft führende Betätigung geht. Das gilt insbesondere für den Fall der Verpachtung des Betriebes. Nichts gibt Anlaß auch nur zu erwägen, ob die Formulierung nicht mit der Absicht gewählt wurde, die Ausnahme für Gesellschafter nicht gelten zu lassen. Die Technik der Erfassung der Ausnahmegründe ist vielmehr seit der Stammfassung des GSPVG gleichgeblieben - jener Fassung also, die auch in der Frage von Beginn und Ende der Versicherungspflicht auf die Besonderheiten der Gesellschafter noch nicht einging. Was sich in den Regelungen über den Beginn und das Ende der Versicherungspflicht als offenkundiges Versehen des Gesetzgebers herausstellte, das in der 5. Nov. und in der 20. Nov. zum GSPVG und sodann in bezug auf Gesellschafter einer GesmbH in der 2. Nov. zum GSVG berichtigt wurde, ist daher auch bei der Regelung für die Verpachtung nur ein Versehen des Gesetzgebers. Er hat das Wort "Verpächter" anstelle der Wendung "bei Verpachtung des Betriebes" wohl allein deshalb gewählt, weil der auf Personen abstellende Eingangssatz des §3 GSPVG bzw. §4 Abs3 GSVG sprachlich nur schwer - möglicherweise nur durch mehrere, auf verschiedene Personengruppen abgestellte Sätze - mit einer auf objektive Sachverhalte abgestellten Ausnahme zu verbinden ist. Weder die subjektive Absicht des Gesetzgebers noch objektive Gründe geben Anhaltspunkte, die gegen die Annahme einer durch Analogie zu füllenden Lücke sprächen.

3. Vollends zwingend wird diese Annahme im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Interpretation. Wie der VwGH zutreffend erkannt hat, wäre unter dem Blickwinkel der Versicherungspflicht für eine unterschiedliche Behandlung von Kammermitgliedern, die ihren Betrieb verpachtet haben, und Gesellschaftern kammerangehöriger Gesellschaften, die ihre Befugnis auf gleiche Weise verwerten, keine sachliche Rechtfertigung erkennbar. Auch die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren eine solche Rechtfertigung nicht versucht. Im Zweifel ist daher der durch die Wahl des Wortes "Verpächter" entstandene Mangel einer nach dem Gesetzeszweck zu erwartenden Regelung für den Fall der Verpachtung des Betriebes durch eine Gesellschaft als eine planwidrige Lücke anzusehen, die mittels Analogie zu schließen ist: Die Verpachtung des Betriebes durch die Gesellschaft hat auf die sonst versicherungspflichtigen Gesellschafter dieselbe Wirkung wie die Verpachtung seines Betriebes auf den sonst versicherungspflichtigen Einzelunternehmer.

Damit werden aber die vom VwGH geäußerten Bedenken gegen das Gesetz gegenstandslos. Seinem Antrag ist daher keine Folge zu geben.

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Analogie, Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:G52.1982

Dokumentnummer

JFT_10169370_82G00052_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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