TE Vfgh Beschluss 2006/6/19 V46/05

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Veröffentlicht am 19.06.2006
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0001 Landesverfassung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 27.11.03 betreffend das Verbot und die Einschränkung der Verwendung von bestimmten Auftaumitteln und bestimmten abstumpfenden Streumitteln (Winterdienst-Verordnung 2003 - WDV). ABl 48/2003
VfGG §57 Abs1
Wr Stadtverfassung §76, §108

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Hausbetreuungsunternehmens auf Aufhebung der Winterdienst-Verordnung 2003 in Wien betreffend die Verwendung bestimmter Auftau- und Streumittel mangels ausreichender Darlegung der Bedenken im Einzelnen bzw mangels Legitimation; Straßenerhalter und Liegenschaftseigentümer als Normadressaten, nicht aufgrund zivilrechtlicher Vereinbarungen zur Winterbetreuung von Verkehrsflächen verpflichtete Unternehmen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Die Antrag stellende Gesellschaft betreibt ein gewerbliches Hausbetreuungsunternehmen, deren Geschäftsbereich die Winterbetreuung von Verkehrsflächen umfasst. Die Gesellschaft hat aufgrund zivilrechtlicher Verträge mit Liegenschaftseigentümern die diese nach den Vorschriften der StVO treffende Pflicht zur Reinigung und Bestreuung öffentlicher Verkehrsflächen übernommen.

II. 1.1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Individualantrag begehrt die Antrag stellende Gesellschaft die Aufhebung der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend das Verbot und die Einschränkung der Verwendung von bestimmten Auftaumitteln und bestimmten abstumpfenden Streumitteln (Winterdienst-Verordnung 2003, im Folgenden WDV genannt), in eventu die Aufhebung der Bestimmungen des §3 Abs1 erster Satz, Abs2, 3 und 4, des §4 Abs1 erster Satz, des §5 Abs1 erster Satz WDV iVm der Anlage zur WDV und des §8 WDV bzw. von Teilen dieser Bestimmungen wegen Gesetz- und Verfassungswidrigkeit ihres Inhalts.

1.2. Die angefochtene, auf die §§76 und 108 der Wiener Stadtverfassung gestützte Verordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien, ABl. Nr. 48/2003, vom 27. November 2003, lautet:

"§1

Ziele und Grundsätze

(1) Diese Verordnung dient der Vermeidung und Bekämpfung von Eis- und Schneeglätte zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit durch eine gezielte und sparsame Verwendung von Auftaumitteln und abstumpfenden Streumitteln auf für den öffentlichen Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen, ausgenommen Autobahnen und Schnellstraßen. Dabei ist der nachhaltige Schutz der menschlichen Gesundheit, des Bodens, der Pflanzen und Tiere sowie der Gewässer zu berücksichtigen.

(2) Auftaumittel und abstumpfende Streumittel sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zu verwenden.

(3) Vor dem Aufbringen von Auftaumitteln und abstumpfenden Streumitteln sind die für den öffentlichen Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr bestimmten Flächen von Schneeablagerungen soweit wie möglich zu säubern.

§2

Begriffsbestimmungen

(1) Auftaumittel sind auftauende, wasserlösliche Streumittel, die auf Grund ihrer chemisch-physikalischen Eigenschaften den Gefrierpunkt von Wasser herabsetzen. Als Auftaumittel gelten insbesondere

a) natrium- oder halogenidhaltige Mittel wie Natriumchlorid (NaCl), Calciumchlorid (CaCl2), Magnesiumchlorid (MgCl2) und Natriumacetat (CH3COONa)

b) stickstoffhaltige Mittel wie Ammoniumsulfat ((NH4)2SO4) und Harnstoff (NH2-CO-NH2),

c) Kaliumcarbonat (K2CO3).

(2) Feuchtsalz entsteht durch das Anfeuchten des trockenen Auftaumittels mit einer Lösung (Sole) aus Wasser und halogenidhaltigen Mitteln (insbesondere NaCl, CaCl2, MgCl2) im Mischungsverhältnis von annähernd 70 Gewichtsprozent trockenes Auftaumittel und annähernd 30 Gewichtsprozent Sole.

(3) Abstumpfende Streumittel sind natürlich vorkommende, wasserunlösliche Mittel wie insbesondere Gesteine in unterschiedlichen Korngrößen (Splitt), künstliche Mittel wie insbesondere geblähte Tone, die geeignet sind die Rutschfestigkeit zu erhöhen, oder Verbrennungsrückstände wie insbesondere Schlacke oder Asche.

§3

Verwendung von Auftaumitteln und abstumpfenden Streumitteln

(1) Die vorbeugende Verwendung von natrium- oder halogenidhaltigen Auftaumitteln, stickstoffhaltigen Auftaumitteln und abstumpfenden Streumitteln ist verboten. Ausgenommen von diesem Verbot ist die vorbeugende Verwendung von Feuchtsalz (§5 Abs2).

(2) Die Verwendung von Auftaumitteln, die als Wirkstoff stickstoffhaltige Substanzen enthalten, ist verboten, wobei technische Verunreinigungen bis zu einem Gehalt von 1 % (berechnet als Ammonium [NH4]) zulässig sind.

(3) Die Verwendung folgender abstumpfender Streumittel ist verboten: Schlacke, Asche, Quarzsplitt, Quarzsand und Betonrecyclingsplitt.

(4) Abstumpfende Streumittel, die nicht unter das Verbot des Abs3 fallen, dürfen auf allen für den öffentlichen Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen nur in einem Korngrößenbereich zwischen 2 und 8 mm verwendet werden. Sie müssen eine kantige Form aufweisen, staubarm und trocken sein und dürfen keine bindigen oder schmierigen Bestandteile enthalten. Darüber hinaus müssen sie - mit Ausnahme von geblähten Tonen - gewaschen und von hoher Abriebhärte sein.

§4

Flächen für den Fußgängerverkehr

(1) Auf allen für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen (z.B. Gehsteige, Gehwege) dürfen im Abstand von zehn Metern zu unversiegelten Bodenflächen keine Auftaumittel verwendet werden, die als Wirkstoff natrium- oder halogenidhaltige Substanzen enthalten, wobei technische Verunreinigungen bis zu einem Gehalt von 1 % (berechnet als Natriumchlorid) zulässig sind. Dieses Verbot gilt nicht, wenn durch bauliche Maßnahmen sichergestellt ist, dass weder durch Versickern noch durch Aufwirbelung ein Eintrag des Auftaumittels in unversiegelte Bodenflächen erfolgen kann.

(2) Das Verbot des Abs1 gilt nicht für Brücken, Haltestellenbereiche für öffentliche Verkehrsmittel, Rampen für Behindertenfahrzeuge und Stiegenanlagen.

§5

Flächen für den Fahrzeugverkehr

(1) Auf den in der Anlage angeführten, für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Verkehrsflächen (z.B. Fahrbahnen, Radwege) dürfen keine Auftaumittel verwendet werden, die als Wirkstoff natrium- oder halogenidhaltige Substanzen enthalten, wobei technische Verunreinigungen bis zu einem Gehalt von 1 % (berechnet als Natriumchlorid) zulässig sind. Dieses Verbot gilt nicht für Fahrbahnen, die von Bussen oder Schienenfahrzeugen im Linienverkehr benützt werden, selbständige Gleiskörper, Brücken und Parkplätze für Behinderte.

(2) Auf allen für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Flächen, die nicht in der Anlage genannt sind, ist vorrangig Feuchtsalz zu verwenden. Sofern dies auf Grund einer vorliegenden Wetterprognose zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit erforderlich ist, ist auch die vorbeugende Verwendung von Feuchtsalz zulässig.

§6

Ausnahmebewilligung

(1) Der Magistrat hat auf Antrag des Eigentümers der an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzenden Liegenschaft oder des Straßenerhalters mit Bescheid Ausnahmen von den Verboten des §4 Abs1 und des §5 Abs1 zu bewilligen, wenn dies auf Grund der örtlichen Gegebenheiten (z.B. steile Verkehrsflächen) im Interesse der Sicherheit von Personen oder Sachen oder aus Gründen der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs erforderlich ist.

(2) Bewilligungen nach Abs1 sind nur auf bestimmte Zeit und erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Auflagen zur Sicherung der Schutzgüter des §1 Abs1 zu erteilen. Derartige Bewilligungen sind zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wurden, weggefallen sind.

§7

Außerkrafttreten des Verbotes

Wenn auf Grund extremer Glatteisbildung die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr gewährleistet ist, treten die Verbote des §4 Abs1 und des §5 Abs1 in Teilen des Stadtgebietes oder im gesamten Stadtgebiet für die Dauer von höchstens drei Tagen durch Kundmachung des Magistrates außer Kraft. Dies setzt voraus, dass der Einsatz erlaubter Auftaumittel oder abstumpfender Streumittel wirkungslos ist. Das Außerkrafttreten der Verbote des §4 Abs1 und des §5 Abs1 und der räumliche Umfang des Außerkrafttretens sind vom Magistrat im Wege des Österreichischen Rundfunks, des Privatfernsehens oder des privaten Hörfunks bekannt zu geben.

§8

Ablagerung und Reinigung

(1) Der mit natrium- oder halogenidhaltigen Auftaumitteln verunreinigte Schnee darf nicht auf unversiegelten Bodenflächen abgelagert werden.

(2) Sobald aufgebrachte Auftaumittel und abstumpfende Streumittel für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr erforderlich sind, sind die für den öffentlichen Verkehr bestimmten Flächen (z.B. Gehsteige, Gehwege, Fahrbahnen, Radwege) sowie die daran angrenzenden unversiegelten Bodenflächen durch denjenigen, der die Streuung vorgenommen hat, zu reinigen. Die Verlagerung von abstumpfenden Streumitteln auf andere Grundflächen (z.B von Gehsteigen auf Fahrbahnen) ist dabei unzulässig.

§9

Unberührt bleibende Bestimmungen

In Gesetzen und Verordnungen des Bundes oder Landes sowie in anderen ortspolizeilichen Vorschriften der Gemeinde Wien enthaltene Bestimmungen werden durch diese Verordnung nicht berührt.

§10

Strafbestimmungen

Wer den Ge- oder Verboten des §3 Abs1 bis 4, §4 Abs1, §5 Abs1 und 2, §8 Abs1 und 2 oder den in Bescheiden gemäß §6 vorgesehenen Auflagen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und unterliegt der hiefür im §108 Abs2 der Wiener Stadtverfassung - WStV, LGBl. für Wien Nr. 28/1968, in der jeweils geltenden Fassung, vorgesehenen Strafe.

§11

Inkrafttreten und Übergangsbestimmung

(1) Diese Verordnung tritt - ausgenommen §3 Abs2 bis 4 - mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) §3 Abs2 tritt mit 1. Juli 2004 in Kraft. §3 Abs3 und 4 treten mit 1. Mai 2005 in Kraft.

(3) Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Einschränkung der Verwendung von bestimmten Auftaumitteln zur Vermeidung beziehungsweise Bekämpfung von Eis- und Schneeglätte (Auftaumittelverordnung 1982), Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 47/1982, in der Fassung der Verordnung vom 8. Februar 2001, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 06/2001, tritt mit dem in Abs1 genannten Zeitpunkt außer Kraft.

Anlage

Von der Anlage umfasst sind jene für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Verkehrsflächen, die mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

1. Fahrbahnen, die ungeschützt (das heißt ohne bauliche Abgrenzung wie Mauern, Einfassungen und dergleichen) an unversiegelte Bodenflächen angrenzen,

2. Fahrbahnen, die nicht in das öffentliche Schmutzwasser- bzw. Mischwasserkanalnetz entwässern (sondern z.B. ins Grundwasser oder in ein Oberflächengewässer),

3. Fahrbahnen, die an Grundflächen angrenzen, die auf Grund von Messergebnissen hohe Konzentrationen von natrium- oder halogenidhaltigen Auftaumitteln aufweisen."

1.3. Zur Frage der Anfechtungslegitimation bringt die Antrag stellende Gesellschaft zunächst vor, dass sie als gewerbliches Verkehrsflächenreinigungsunternehmen unmittelbarer Normadressat der Bestimmungen der §§3, 4 Abs1 und 5 Abs1 WDV sei. Das Verbot der Verwendung der in den angeführten Verordnungsstellen bezeichneten Auftau- und Streumittel greife tatsächlich und unmittelbar in ihre rechtlich geschützte Position nachteilig ein, zumal ihr die Verwendung dieser Auftau- und Streumittel bis zum jeweiligen Inkrafttretenszeitpunkt der einzelnen Bestimmungen erlaubt (gewesen) sei.

In Bezug auf §8 WDV führt die Antrag stellende Gesellschaft zudem aus, dass sie insbesondere von der Anordnung des Abs2 (erster Satz - Reinigungsverpflichtung nach erfolgter Streuung) aktuell beeinträchtigt sei: diese Norm wende sich ausdrücklich an "denjenigen, der die Streuung vorgenommen hat", sodass die Antrag stellende Gesellschaft als zur Streuung verpflichtetes Unternehmen unmittelbarer Normadressat sei. Nach Abs1 der Vorschrift werde ihr überdies die Ablagerung verunreinigten Schnees verboten.

1.4. Der Magistrat der Stadt Wien legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der ua. die Antragslegitimation des Verkehrsflächenreinigungsunternehmens bestritten wird:

Normadressaten der WDV seien neben dem Straßenerhalter die Eigentümer der an die öffentlichen Verkehrsflächen angrenzenden Liegenschaften, also jene Personen, die primär (sowohl nach §93 StVO als auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht gemäß §1295 iVm §1319a ABGB) zur Streuung und Reinigung verpflichtet sind. Die WDV nenne zwar grundsätzlich keine verpflichtete Person, eine gesetzes- und verfassungskonforme Auslegung gebiete aber, hinsichtlich des Verordnungsadressaten auf die gesetzlichen Verpflichtungen nach den Bestimmungen der StVO sowie des ABGB abzustellen. Lediglich §8 Abs2 WDV richte sich an den Aufbringer des Streu- bzw. Auftaumaterials. Auch diese Bestimmung sei aber bei gesetzes- und verfassungskonformer Interpretation so zu verstehen, dass die von den übrigen Vorschriften betroffenen Verpflichteten Normadressaten seien. Diese Bestimmung wende sich daher ebenfalls an den Straßenerhalter und an die Liegenschaftseigentümer.

Für die Antrag stellende Gesellschaft entfalte die WDV insgesamt nur infolge eines zwischengeschalteten Rechtsgeschäftes (und daher nur mittelbar) rechtliche Wirkung.

1.5. Die Wiener Landesregierung schloss sich diesen Ausführungen des Magistrats an.

1.6. Der Antragsteller replizierte.

III. Der Antrag ist unzulässig.

1.1. Nach der ständigen - mit Beschluss VfSlg. 8060/1977 beginnenden - Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erfordert die Zulässigkeit eines Individualantrages nach Art139 B-VG, dass der Antragsteller behauptet, durch die Rechtswidrigkeit der Verordnung in seinen Rechten verletzt zu sein, und dass die Verordnung für ihn ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren bildet dabei der Umstand, dass die angefochtene Norm in einer nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmten Weise in die Rechtssphäre des Einschreiters (nicht bloß potentiell, sondern) aktuell eingreift. Anfechtungsberechtigt kann folglich von vornherein - wie der Verfassungsgerichtshof gleichfalls in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat (vgl. zB VfSlg. 8009/1977, 8670/1979, 12.571/1990, 12.909/1991, 13.814/1994, 14.274/1995, 14.488/1996, 15.184/1998) - nur ein Rechtsträger sein, an den sich die bekämpfte Regelung unmittelbar wendet. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG (bzw. Art140 Abs1 letzter Satz B-VG) als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert. Der bloße Umstand, dass der Antragsteller von der bekämpften Bestimmung faktisch (etwa durch Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen) betroffen ist ("Reflexwirkung"), reicht nicht hin.

1.2. Die in Art139 Abs1 letzter Satz B-VG festgelegten Voraussetzungen des Individualantrages können mithin von vornherein nur bei solchen Rechtsträgern zutreffen, die Normadressaten der anzufechtenden Verordnung sind.

1.3. Soweit die Antrag stellende Gesellschaft in ihrem auf Aufhebung der gesamten WDV abzielenden Hauptantrag (implizit) die Ausschaltung der §§1, 2, 9, 10 und 11 der Verordnung (einschließlich ihres "Anhanges") begehrt, fehlen im Antrag nicht nur Ausführungen zur Antragslegitimation, sondern überhaupt die Darlegung der Normbedenken. Insoweit mangelt der Antrag stellenden Gesellschaft schon aus diesem Grund die Anfechtungslegitimation (vgl. VfSlg. 8594/1979).

1.4.1. Alle übrigen vom Anfechtungsbegehren umfassten Bestimmungen der WDV wenden sich (an die in §6 Abs1 zur Erwirkung einer Ausnahmebewilligung ausdrücklich als Antragsberechtigte genannten Adressaten, nämlich) an Straßenerhalter und an Liegenschaftseigentümer, nicht hingegen an Personen oder Unternehmen, welche die in der Verordnung festgelegten Pflichten (wie hier die Antrag stellende Gesellschaft) aufgrund zivilrechtlicher Vereinbarung von einem Liegenschaftseigentümer übernommen haben.

1.4.2. Diese Überlegungen treffen nicht nur auf jene Bestimmungen zu, die explizit keinen Normadressaten nennen, sondern auch auf die (vom Eventualantrag erfasste) Anordnung des §8 Abs2 der WDV: Zwar scheint die auf das Reinigungsgebot nach vorangegangener Streuung bezogene Wortfolge "durch denjenigen, der die Streuung vorgenommen hat," - isoliert betrachtet - an den Verursacher der Streuung gerichtet zu sein. Bei gebotener systematischer Interpretation ist jedoch der Zusammenhang dieser Wendung mit der (Gesamt)Konzeption der Verordnung, die auf den Adressatenkreis Straßenerhalter und Liegenschaftseigentümer abstellt und diese zur Einhaltung näher determinierter Verwendungsgebote und -verbote in Bezug auf bestimmte Streu- und Auftaumittel verpflichtet, zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kann die in Rede stehende Wortfolge nur so verstanden werden, dass sie sich (ebenfalls) an denjenigen richtet, der nach den sonstigen Verordnungsvorschriften Verpflichteter ist. Auch im Fall, dass ein diesem Kreis angehörender Normadressat (also Straßenerhalter oder Liegenschaftseigentümer) seine Obsorgepflicht (ganz oder teilweise) durch Rechtsgeschäft an einen Dritten (wie etwa an ein Hausbetreuungsunternehmen) übertragen hat, ergibt sich Art und Umfang der Handlungspflicht des solcherart eingebundenen Dritten (nur) aus dem Inhalt der zivilrechtlichen Vereinbarung, nicht hingegen aus der in Rede stehenden Verordnung.

Der Antrag war daher zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

1.5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Verkehrsflächen, Straßenpolizei örtliche, VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, Auslegung systematische

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V46.2005

Dokumentnummer

JFT_09939381_05V00046_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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