TE Vfgh Beschluss 1983/10/13 KI-2/80

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Veröffentlicht am 13.10.1983
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Index

50 Gewerberecht
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art94
B-VG Art138 Abs1 lita
AVG §73 Abs2
HandelskammerG §57g
HandelskammerG §57c
VwGG §27

Leitsatz

Art138 Abs1 B-VG; das Nichtvorliegen eines negativen Zuständigkeitsstreites bildet ein Prozeßhindernis; Gebühren für Sonderleistungen iS des §57c HandelskammerG sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen; Unzulässigkeit des gerichtlichen Rechtsweges auch für Rückforderungsanspruch; analoge Anwendung des §57g HandelskammerG

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der VwGH wies mit Beschluß Z 488/77 vom 27. April 1977 die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gegen die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Stmk. (im folgenden auch: HKStmk.) von der antragstellenden Partei erhobene Beschwerde zurück und begründete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

Die Bf. habe nach ihrem Vorbringen für ein dem Grazer Messeabkommen/Frühjahr 1975 unterfallendes Geschäft auf das Messekompensationskonto der HKStmk. bei der CA-BV Filiale Graz 882735 S und ferner 6620,51 S an Gebühren - darunter einen Betrag von 4413,67 S als Gebühr nach Z17 der Taxenordnung in der Höhe von 0,5 vH des Fakturenwertes - gutzubringen gehabt. Die Bf. habe im Zusammenhang damit am 18. September 1975 durch ihren bevollmächtigten Vertreter an die HKStmk. nachstehendes Schreiben gerichtet:

"Meine Mandantschaft, die Firma J-T Import-Export GesmbH hatte für einen Geschäftsfall im Rahmen des Grazer Messeabkommens Frühjahr 1975 einen Betrag von 889355,51 S das sind 882735 S an Fakturensumme und 6620,51 S an 0,5 vH und 0,25 vH Gebühren auf das Konto bei der CA-BV Graz, 87-32471/50, anzuschaffen, dies iS der gegebenen Usance, ohne gleichzeitige Anschaffung des ausgewiesenen Gebührenbetrages, dessen Zurechtbestehen meine Mandantschaft ja, wie bekannt, bestreitet, den Geschäftsfall nicht abzuwickeln.

Gestützt auf die einschlägigen, hierauf bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen wird seitens meiner Mandantschaft die Ausfertigung eines Gebührenvorschreibungsbescheides, und zwar sowohl für die Gebühr in der Höhe von 0,5 vH gemäß §17 der Taxenordnung als die Gebühr in der Höhe von 0,25 vH ohne Titelausweisung begehrt, und zwar des Inhaltes, daß für den gegenständlichen Geschäftsfall eine Gebühr rechtmäßig nicht zur Vorschreibung gelangen könne.

Unter einem wird daher weiters iS dieses Antragsinhaltes gestellt der weitere Antrag auf Rücküberweisung der Gebühr von insgesamt 6620,51 S auf das Konto der Einzahlerin, der Firma J-T Import-Export GesmbH bei der Volksbank Graz."

Die Bf. mache nunmehr unter Hinweis darauf, daß das Rechtsverhältnis zwischen den gesetzlichen Berufsvertretungen und den kraft gesetzlicher Zwangsmitgliedschaft ihnen zugehörigen Berufsangehörigen öffentlich-rechtlicher Natur sei und überdies für die Einbringlichmachung der Gebühr gemäß §57f Abs3 des Handelskammergesetzes (im folgenden HKG) die Vollstreckung im Verwaltungswege gemäß §1 Abs1 Z3 und §3 Abs3 VVG 1950 vorgesehen sei, die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die bel. Handelskammer hinsichtlich des einen Gebührenbetrag von 0,5 vH der Fakturensumme von 882735 S, ds. 4413,67 S, betreffenden Rückforderungsbegehrens geltend.

Nach Hinweis auf Art132 B-VG und §27 VwGG 1965 führte der VwGH begründend weiter aus, er habe bereits in seinen Beschlüssen vom 22. September 1976, Z 636/76 und Z 637/76, in sachverhaltsmäßig gleichgelagerten, die Bf. betreffenden Säumnisbeschwerdefällen unter Bezugnahme auf die dort angeführte Vorjudikatur zur Frage der Zulässigkeit eines Sonderleistungsgebühren nach Z17 der Taxenordnung betreffenden Feststellungsbegehrens dargelegt, daß einer analogen Anwendung des die Voraussetzungen einer bescheidmäßigen Vorschreibung einer Grundumlage oder einer Einverleibungsgebühr normierenden §57g HKG auch auf Gebühren für Sonderleistungen die unterscheidende Regelung dieser Gesetzesbestimmung entgegenstehe, weshalb auch mangels eines allfälligen unabhängig davon zu erkennenden rechtlichen Interesses der Bf. - der Hinweis der Bf. auf bestehende Abwicklungsusancen sei als ihrer wirtschaftlichen Interessenssphäre zugehörig erachtet worden - ein Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides und sohin auf Sachentscheidung ausgeschlossen sei.

Diese Überlegungen gälten im vollen Umfang auch in Ansehung des vorliegenden Säumnisbeschwerdefalles, wobei auch bezogen auf das in Rede stehende, das Nichtbestehen einer Sonderleistungs-Gebührenpflicht der Bf. und somit in diesem Umfang inhaltlich einenegative Feststellung voraussetzende Rückerstattungsbegehren eine Anspruchsgrundlage aus den Bestimmungen des HKG, BGBl. Nr. 182/1946, idF der 4. Handelskammer-Gesetz-Nov., BGBl. Nr. 208/1969, nicht entnommen werden könne. Eine ausdrückliche gesetzliche Normierung wäre aber - wieder VwGH weiter ausführte - Voraussetzung für die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde zu einem bescheidmäßigen Abspruch über einen derartigen Antrag, wobei eine solche im vorliegenden Fall schon mangels einer zwangsweisen Gebühreneinbringung bzw. des Vorliegens eines Rückstandsausweises auch nicht etwa in den von der Bf. zitierten Bestimmungen des VVG 1950 habe gefunden werden können.

2. Mit der am 8. April 1980 beim Bezirksgericht für ZRS Graz gegen die HKStmk. zu 2 C 530/80 eingebrachten Klage begehrte die antragstellende Partei als Klägerin den Ersatz des vorhin erwähnten Betrages von 4413,67 S samt Anhang. Sie habe die erwähnte Gebühr anläßlich der Bezahlung des Fakturenbetrages auf das Messekompensationskonto überwiesen; dabei habe sie unter wirtschaftlichem Zwang gehandelt und sich die Rückforderung ausdrücklich vorbehalten. Der Rechtsweg sei zulässig, weil für Sonderleistungsgebühren zwar die Möglichkeit der Einbringung im Verwaltungsweg bestehe, sie dessen ungeachtet ihrer Rechtsnatur nach dem Zivilrecht zuzuordnen seien; sie stellten sozusagen Entgelte für Dienstleistungen der Handelskammer dar, die nicht nur von Kammerangehörigen, sondern auch von Dritten angesprochen werden könnten.

Das Prozeßgericht wies die Klage mit Beschluß vom 9. Mai 1980 wegen Unzuläßigkeit des Rechtsweges zurück. Nach der Rechtsprechung seien die in §57c Abs1 HKG normierten Sondergebühren wegen ihrer einseitigen Festsetzung durch die mit Umlagenhoheit ausgestatteten Landeskammern als Organe der Selbstverwaltung und wegen des Zwanges ihrer Entrichtung durch Personen, welche die Sonderleistungen in Anspruch nehmen, öffentliche Abgaben, zu deren Eintreibung der Rechtsweg unzulässig sei. Ein Rückforderungsanspruch könne dann nicht auf §1431 ABGB gestützt werden, wenn die Prüfung des Rechtsbestandes der Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen sei, weil dann die in der Verfassung vorgeschriebene Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung nicht gewährleistet wäre.

3. Mit dem vorliegenden, auf Art138 Abs1 (litb) B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Partei, den ihrer Auffassung nach gegebenen negativen Kompetenzkonflikt zu entscheiden und festzustellen, ob das Bezirksgericht für ZRS Graz oder der VwGH zur Entscheidung über den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch zuständig ist.

II. Der VwGH hat über den Antrag erwogen:

1. Der OGH hat in seinem Beschluß vom 21. November 1978, 3 Ob 624/77 (SZ 51/161), mit eingehender Begründung den Standpunkt eingenommen, daß es sich bei den in §57c HKG vorgesehenen Gebühren für Sonderleistungen um öffentliche Abgaben - der Abgabenbegriff wird hier offenkundig in seinem weitesten Sinn verstanden - handelte, zu deren Eintreibung der Rechtsweg unzulässig ist. Diesen Standpunkt teilt der VfGH, wobei er in diesem Zusammenhang auf sein in einem Verordnungsprüfungsverfahren gefälltes (nämlich die Gesetzmäßigkeit des vom Vorstand der HKStmk. gefaßten, eine Sonderleistungsgebühr festsetzenden Beschlusses vom 19. November 1971 betreffendes) Erk. VfSlg. 7334/1974 hinweist, das von der gleichen Auffassung ausgeht (vgl. etwa die dort gebrauchte Wendung "gebührenauslösender Tatbestand"). Handelt es sich bei den in Rede stehenden Gebühren aber um öffentlich-rechtliche Geldleistungen, so ist auch für einen diesbezüglichen, etwa auf §§1431 ff. ABGB gestützten Rückforderungsanspruch der Rechtsweg nicht zulässig, weil anderenfalls - wie der OGH im zitierten Beschluß ausgeführt hat - auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden herangezogen werden könnten, was der verfassungsmäßigen Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung zuwiderlaufen würde. Diese Ansicht entspricht der ständigen, auch hier beizubehaltenden Rechtsprechung des VfGH, daß die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte dort nicht gegeben ist, wo der (rückgeforderte) Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (siehe VfSlg. 8065/1977 mit Bezugnahme auf VfSlg. 5386/1966).

Die gegenteilige Auffassung der antragstellenden Partei, welche eine Sachentscheidung über ihren Anspruch im Zivilrechtsweg erwirken möchte, ist das Ergebnis einer deshalb fehlgehenden Argumentation, weil diese der Sache nach ausschließlich das Meritum des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs betrifft (nämlich die Unanwendbarkeit des vorhin erwähnten Beschlusses der HKStmk. im konkreten Fall dartun soll), keineswegs aber den für die Zuständigkeitsbeurteilung maßgeblichen Umstand in Frage stellt, daß die von ihr tatsächlich erbrachte Geldleistung der HKStmk. unter dem Titel einer Sonderleistungsgebühr zugeflossen ist.

2. Der VwGH hat in seinem Erk. Z 331, 332/75 vom 24. September 1975 darauf hingewiesen, daß die Regelung über die Erlassung von Gebührenbescheiden und das diesbezügliche Rechtsmittelverfahren im §57g HKG sich nach dem Wortlaut dieses Paragraphen nur auf die Vorschreibung einer Grundumlage oder Einverleibungsgebühr beziehe, und hat die Ansicht vertreten, daß einer analogen Anwendung dieses Paragraphen die eindeutig (zwischen den eben genannten Gebühren einerseits und Gebühren für Sonderleistungen andererseits) unterscheidende Regelung entgegenstehe, die im übrigen kein offenkundiges Redaktionsversehen erkennen lasse. Dieser Ansicht, welche der VwGH auch seiner weiteren Rechtsprechung (siehe die Beschlüsse Z 1646, 1647/75 vom 10. Dezember 1975 = VwSlg. 8942/A, Z 636/76 vom 22. September 1976, Z 637/76 vom 22. September 1977 sowie den eingangs bezogenen Beschluß Z 488/77 vom 27. April 1977) zugrunde gelegt hat, kann der VfGH trotz des Umstandes, daß sie auch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze findet (Regierungsvorlage zu 4. HKG-Novelle, 1219 dB, 11. GP S 19), im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung nicht beitreten. Der VfGH vermag nämlich unter dem Gesichtswinkel des Gleichheitsgrundsatzes, der dem Gesetzgeber die Schaffung anderer als sachlich begründbarer Differenzierungen verwehrt (zB VfSlg. 9121/1981), keinen einsichtigen Grund für die aus dem bloßen Gesetzeswortlaut scheinbar zu folgernde unterschiedliche Regelung des Rechtsschutzes zu finden. Während bei der Vorschreibung einer Grundumlage oder Einverleibungsgebühr ein Parteianspruch auf Bescheiderlassung sowie auf Überprüfung des bescheidmäßigen Abspruchs durch eine, in einer bestimmten Fallgruppe sogar durch zwei Rechtsmittelinstanzen vorgesehen ist, würde bei Gebühren für Sonderleistungen jeglicher Rechtsschutz bei freiwilliger Gebührenentrichtung fehlen und der Gebührenschuldner auf den - im Gesetz überhaupt nicht geregelten - Weg der Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs oder auf den der Wahrnehmung von Rechtsbehelfen des Vollstreckungsverfahrens gewiesen sein. Selbst wenn man ohne nähere Prüfung von der Annahme ausgeht, daß Art und durchschnittliche Höhe der eben gegenübergestellten Umlagen ein unterschiedliches Rechtsschutzbedürfnis der Betroffenen bewirken, so darf dies bloß zu einer in der Intensität des eingeräumten Rechtsschutzes unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten führen, nicht aber etwa dazu, im einen Teilbereich eine sozusagen perfekte, durch Bescheiderlassungspflicht und Anrufbarkeit (mindestens) einer Berufungsinstanz gekennzeichnete Administrativkontrolle der Umlagenvorschreibung zu gewährleisten, im anderen Teilbereich dagegen den Gebührenschuldner geradezu rechtlos zu stellen. Diese Überlegungen gebieten es, §57g HKG analog so heranzuziehen, daß die darin getroffene Regelung entsprechend auch den Fall der Vorschreibung einer Sonderleistungsgebühr (oder der bloßen Entrichtung einer solchen im Hinblick auf die Erbringung der Sonderleistung) erfaßt; erst eine derartige analoge Anwendung des §57g HKG, welcher sein Wortlaut nicht entgegensteht, wird der beschriebenen Verfassungsrechtslage gerecht.

3. Die dargelegten Erwägungen führen für den vorliegenden Fall zum Ergebnis, daß ein verneinender Kompetenzkonflikt iS des §46 VerfGG nicht vorliegt (siehe dazu VfSlg. 6046/1969), weil weder das Bezirksgericht für ZRS Graz noch der VwGH die Kompetenz zu Unrecht abgelehnt haben.

Dies bedarf, was die Zurückweisung der beim Bezirksgericht erhobenen Klage aus dem Grund der Unzulässigkeit des Rechtswegs anlangt, nach dem unter II.1. Gesagten keiner weiteren Begründung.

Es ist aber auch die Ablehnung einer Sachentscheidung durch den VwGH unter dem Blickpunkt seiner Zuständigkeit im Ergebnis jedenfalls gerechtfertigt. Hält man fest, daß §57g HKG - wie vorhin nachgewiesen - analog in bezug auf Gebühren für Sonderleistungen heranzuziehen ist, so trifft dies auch auf dessen die sinngemäße Anwendung des AVG anordnenden Abs3 zu. Aus der sinngemäßen Anwendung des §73 Abs2 AVG folgt nun für den vorliegenden Fall, daß sich die an den VwGH erhobene Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht entgegen dem §27 VwGG nicht gegen die im Verwaltungsverfahren anrufbare oberste Behörde, nämlich gegen das zuständige Organ der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, gerichtet hat, was eine Sachentscheidung in der Beschwerdesache ausschließt.

4. Der Antrag war, da das Nichtvorliegen eines negativen Zuständigkeitsstreites ein Prozeßhindernis bildet (siehe auch dazu VfSlg. 6046/1969), zurückzuweisen.

Schlagworte

Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Gebühr, Rückforderungsanspruch, Analogie, Verwaltungsverfahren, Auslegung verfassungskonforme, Handelskammern, VfGH / Kompetenzkonflikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:KI2.1980

Dokumentnummer

JFT_10168987_80KI0002_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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