TE Vfgh Erkenntnis 1983/11/25 B467/79, B468/79, B469/79, B470/79

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Veröffentlicht am 25.11.1983
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

StGG Art5
BAO §213 Abs4
BAO §217 Abs1

Leitsatz

BAO; Vorschreibung eines Säumniszuschlages in denkmöglicher Anwendung des §213 Abs4 iVm. §217 Abs1

Spruch

1. Die Beschwerdeverfahren werden insoweit eingestellt, als die Beschwerden G G zuzurechnen sind.

2. Dr. F G ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden insoweit abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Finanzlandesdirektion für Stmk. wies mit vier im Instanzenzug erlassenen Bescheiden vom 28. September 1979 Berufungen des Dipl.-Ing. DDr. J G ab, die sich gegen je einen Bescheid des Finanzamtes Graz über die Vorschreibung eines Säumniszuschlages in Höhe von 28 S richteten; Bemessungsgrundlage des vorgeschriebenen Säumniszuschlages bildete die Vermögensteuerschuld für das dritte und vierte Vierteljahr 1978 sowie für das erste und zweite Vierteljahr 1979 in Höhe von jeweils 1425 S. Dipl.-Ing. DDr. J G vertrat in seinen Berufungen die Auffassung, daß die Vorschreibung nicht gerechtfertigt sei, da er die Vermögensteuer für das betreffende Vierteljahr termingerecht eingezahlt habe. Die Berufungsbehörde nahm hingegen den Standpunkt ein, daß die Zahlung auf eine ältere Abgabenschuldigkeit zu verrechnen sei und führte zur Begründung (unter Bezugnahme auf Bestimmungen der BAO in der vor der Nov. BGBl. Nr. 151/1980 geltenden Fassung) im wesentlichen jeweils aus:

Gemäß §217 Abs1 BAO trete, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs2 bis 6 hinausgeschoben wird. Aufschiebungsgründe iS des §217 Abs2 bis 6 BAO seien von Dipl.-Ing. DDr. J G betreffend die Vermögensteuer nicht geltend gemacht worden und hätten auch von der Rechtsmittelbehörde nicht festgestellt werden können. Die zuletzt mit Bescheid vom 27. Juli 1978 gewährte Zahlungserleichterung habe lediglich eine Laufzeit bis 25. Oktober 1978 gehabt. Der Rückstandsbetrag sei bis zum festgesetzten Zahlungstermin nicht entrichtet worden.

Nach §213 Abs4 BAO seien Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit §214 nicht Abweichendes bestimmt, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Schuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen. Die von Dipl.-Ing. DDr. J G für die Abstattung der Vermögensteuerschuldigkeit geleistete Zahlung habe daher in Ermangelung eines besonderen Weisungsrechtes (§214 BAO) auf die dem Fälligkeitsbetrag nach älteste Abgabenschuldigkeit verrechnet werden müssen. Die Tatsache, daß derartige Steuerschuldigkeiten ausgehaftet hätten, werde von Dipl.-Ing. DDr. J G nicht bestritten. Aus diesen besonderen Verrechnungsvorschriften ergebe sich jedoch, daß die die Bemessungsgrundlage des angefochtenen Säumniszuschlages bildende Vermögensteuervierteljahresschuldigkeit an ihrem Fälligkeitstag trotz einer in Höhe dieser Schuldigkeit geleisteten Zahlung unberichtigt ausgehaftet habe. Dem Abgabepflichtigen würden über sämtliche Bewegungen auf seinem Steuerkonto Benachrichtigungen zugemittelt. Es sei jedoch weder im Gesetz vorgesehen noch wäre es mit der Verwaltungstätigkeit in Einklang zu bringen, sollte die Abgabenbehörde verhalten sein, jeden Abgabepflichtigen über die zur Anwendung gelangenden Gesetzesvorschriften besonders in Kenntnis zu setzen.

2. Gegen die Berufungsbescheide richten sich die vier von Dipl.-Ing. DDr. J G erhobenen im wesentlichen inhaltsgleichen Verfassungsgerichtshofbeschwerden. Mit ihnen wird eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. 1. Dipl.-Ing. DDr. J G ist am 5. Jänner 1981 verstorben. Sein Nachlaß wurde mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 15. November 1981, 18 A 19/81-15, je zur Hälfte seiner Witwe G G und seinem Sohn Dr. F G eingeantwortet.

2. Auf Anfrage des VfGH teilte G G mit, daß sie die Verfahren über die Beschwerden nicht fortsetzen wolle; Dr. F G dagegen erklärte diesbezüglich, die Beschwerdeverfahren fortsetzen zu wollen.

Im Hinblick auf diese Erklärungen und unter Bedachtnahme auf die im §19 Abs1 BAO getroffene Regelung über die Gesamtrechtsnachfolge sind die Verfahren über die vorliegenden Beschwerden hinsichtlich G G einzustellen und im übrigen mit Dr. F G als Bf. fortzusetzen.

III. Der VfGH hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Bei der aus der Sicht dieser Beschwerdesache gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide könnte die von den Beschwerden geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9014/1981) nur stattgefunden haben, wenn die bel. Beh. eine herangezogene Rechtsvorschrift in denkunmöglicher Weise gehandhabt hätte, ein Fall, der bloß dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Dies trifft hier jedoch nicht zu.

Die Beschwerden machen zunächst geltend, daß zugunsten der bf. Partei (auf einem anderen Konto) jeweils ein "Umsatzsteuerguthaben" von 40931,43 S bestanden habe, zu dessen Rückzahlung das Finanzamt verpflichtet gewesen sei. Sie leiten daraus ab, daß die Vorschreibung der Säumniszuschläge in denkunmöglicher Gesetzesanwendung erfolgt sei, und werfen den eingeschrittenen Abgabenbehörden in diesem Zusammenhang - wie das insgesamt nicht sehr deutliche Vorbringen wohl verstanden werden muß - überdies eine Verletzung von Informationspflichten gegenüber dem Abgabepflichtigen vor.

Dieser Beschwerdevorwurf ist jedoch schon deshalb ungeeignet, eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung nachzuweisen, weil das Bestehen eines Guthabens im gesamten Abgabenverfahren nicht ins Treffen geführt worden war; das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ist nicht der richtige Platz, im Verwaltungsverfahren versäumtes Parteienvorbringen nachzuholen. Selbst wenn man aber hievon absieht, wäre für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen, weil - wie die bel. Beh. in Übereinstimmung mit den von der bf. Partei vorgelegten Kontonachrichten ausführt - das betreffende Guthaben zu einem Steuerkonto eines anderen Steuersubjekts (nämlich einer näher bezeichneten, von Dipl.-Ing. DDr. J G vertretenen Grundstücksgemeinschaft) bestand.

2. Die Beschwerden halten auch bei Bedachtnahme auf die Verrechnung der Zahlungen mit älteren Schuldigkeiten die Auffassung der bel. Beh. für denkunmöglich, "die bezahlte Vermögensteuer als nicht bezahlt anzusehen".

Eine zusammenschauende Auslegung des von der Beschwerde selbst bezogenen (und bloß versehentlich als §216 Abs4 bezeichneten) §213 Abs4 BAO (wonach Zahlungen - abgesehen von hier nicht behaupteten Ausnahmefällen - auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Schuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen sind) mit §217 Abs1 dieses Gesetzes (demzufolge die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages insbesondere voraussetzt, daß die Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird) läßt die von der bel. Beh. vertretene Anschauung jedoch zumindest als denkmöglich erscheinen. Im Hinblick auf die zitierten Anordnungen ist beim gegebenen Sachverhalt ihre in der Bescheidbegründung ausgedrückte Annahme nämlich durchaus vertretbar, "daß die die Bemessungsgrundlage des angefochtenen Säumniszuschlags bildende Vermögensteuervierteljahresschuldigkeit an ihrem Fälligkeitstag trotz einer in Höhe dieser Schuldigkeit geleisteten Zahlung unberichtigt aushaftet".

3. Das Verfahren über die vorliegenden Beschwerden erbrachte auch keine Anhaltspunkte dafür, daß eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aus anderen als den von den Beschwerden vorgebrachten Gründen oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden habe.

Die Beschwerden waren sohin abzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Säumniszuschlag (Finanzverfahren), Auslegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B467.1979

Dokumentnummer

JFT_10168875_79B00467_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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