Index
95 TechnikNorm
IngenieurkammerG §29 Abs1Beachte
vgl. Kundmachung BGBl. 669/1983 am 20. Dezember 1983Leitsatz
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen (Beschluß des Kammertages der Bundesingenieurkammer vom 30. Juni 1970); Kundmachungsmangel wegen Nichteinhaltung des in §29 Abs1 IngenieurkammerG festgelegten PublikationsmodusSpruch
§12 Abs1 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen (Beschluß des Kammertages der Bundesingenieurkammer vom 30. Juni 1970; kundgemacht in den "Nachrichten der Bundesingenieurkammer" vom 20. Juli 1970) war bis zum Ablauf des 21. April 1980 gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Bauten und Technik ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist unter B592/78 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Kammertages der Bundesingenieurkammer richtet. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag der Bf. (nunmehr: Beteiligten dieses Verordnungsprüfungsverfahrens) auf Zuwendungen wegen dauernder Berufsunfähigkeit aus dem Versorgungsfonds abgewiesen, weil für diese Leistung im §12 Abs1 des (vom Kammertag erlassenen) Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen festgelegte materielle Voraussetzungen nicht vorlägen.
2. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles leitete der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des folgendermaßen lautenden (erst nach Erlassung des im Anlaßverfahren angefochtenen Bescheides durch einen Beschluß des Kammertages vom 26. Juni 1981 geänderten) §12 Abs1 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen ein:
"(1) Zuwendungen aus dem Grunde der Berufsunfähigkeit werden einem Ziviltechniker gewährt, wenn er dauernd berufsunfähig wird, seine Befugnis ruht oder zurückgelegt wurde, keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt wird und die Wartefrist abgelaufen ist. Dauernde Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Ziviltechniker infolge eines Leidens oder einer Krankheit außerstande ist, seinen Beruf als Ziviltechniker weiter auszuüben und mit der Wiedererlangung der Berufsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist das Berufsbild maßgebend. Die Wartefrist beträgt, wenn die Berufsunfähigkeit vor dem vollendeten 50. Lebensjahr eintritt, 5 Jahre, nach dem 50. Lebensjahr 8 Jahre. Ist die Berufsunfähigkeit die Folge eines Unfalles, ist keine Wartefrist erforderlich."
Der VfGH nahm vorläufig an, daß diese Verordnungsbestimmung präjudiziell sei, und ging bei der Darlegung seiner Bedenken gegen ihre Gesetzmäßigkeit von folgenden Ausführungen im Erk. des VwGH VwSlg. 9932/A/1979 aus:
"Nach §29 Abs1 des Ingenieurkammergesetzes sind in diesem Statut die näheren Bestimmungen über die Aufgaben des Versorgungs- und des Sterbekassenfonds, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, die Geschäftsführung des Kuratoriums, die Beitragspflicht, die Gewährung und Höhe der Zuwendungen, die Art der Auszahlung, allfällige Beschränkungen der Auszahlung und die Pflichten des Leistungsempfängers unter Bedachtnahme auf die in den §§27, 28 und 29 Abs2 bis 5 des Ingenieurkammergesetzes festgelegten Grundsätze festzusetzen. Hiebei sind die Grundsätze der Versicherungsmathematik sowie der verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen. Das Statut ist in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen. Das Statut tritt, wenn darin ein nicht späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
Der Gesetzgeber bestimmt somit, daß das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen 'in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen' ist. Dieselbe Wendung ist im §30 Abs3 (Standesregeln) und im §31 Abs3 (Gebührenordnungen) des Ingenieurkammergesetzes enthalten. Diese Vorschriften regeln die Kundmachung genereller Vollzugsakte der Bundeskammer.
Daraus ergibt sich zunächst, daß das Ingenieurkammergesetz die Einrichtung von 'Nachrichten der Bundeskammer' und von 'Nachrichten der Länderkammer' anordnet. Im übrigen enthält das Gesetz keine näheren Vorschriften über die Form der in den zuvor angeführten Bestimmungen vorgeschriebenen Kundmachung. (Die rechtliche Bedeutung des im §72 Abs6 zweiter Satz des Ingenieurkammergesetzes aufgenommenen Hinweises auf die 'Ingenieurkammer in Wien IV., K-gasse 9' und 'Ingenieurkammer in Graz, S-gasse 7' muß im vorliegenden Fall schon wegen Ablaufes der Geltungsdauer jener Vorschriften, auf die sich der Hinweis bezieht, nicht geprüft werden.) Als Mindesterfordernis der Kundmachung genereller Vollzugsakte der Bundeskammer ergibt sich aber aus dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmungen jedenfalls, daß diese in einem für Ziviltechniker (§1 Abs1 des Ingenieurkammergesetzes) bestimmten - allenfalls gemeinsamen - Kundmachungsorgan (Mitteilungsblatt) der Bundeskammer und der Länderkammern enthalten ist.
Das von der bel. Beh. bei ihrer Entscheidung angewendete, mehrmals geänderte, Statut der Wohlfahrtseinrichtungen wurde in den 'Nachrichten der Bundesingenieurkammer' vom 20. Juli 1970, 10. Dezember 1970, 11. Nocember 1971 und 7. Dezember 1972, bzw. in den 'Amtlichen Nachrichten' des 'Offiziellen Organs der Bundesingenieurkammer': 'Konstruktiv' vom 24. Juni 1974, 4. Dezember 1975, 9. April 1976 und 9. Dezember 1976 kundgemacht. Davon enthalten aber nur die 'Nachrichten-8' der Bundesingenieurkammer vom 7. Dezember 1972 sowie die oben bezeichneten Ausgaben des Organes 'Konstruktiv', letztere in Form eines in das 'Impressum' aufgenommenen Hinweises, die Angabe, daß es sich bei den 'Amtlichen Nachrichten' um solche der Bundeskammer und der Lädnerkammern handelt. Hingegenliegen hinsichtlich der Kundmachung des Statuts in seiner Stammfassung (Beschluß des Kammertages vom 30. Juni 1970) sowie der am 27. Oktober 1970 und am 27. Oktober 1971 vom Kammertag beschlossenen Abänderungen ausschließlich 'Nachrichten' der Bundeskammer vor. Damit ist das Statut insbesondere hinsichtlich jenes im §12 Abs1 enthaltenen, die allgemeinen Voraussetzungen für Zuwendungen aus dem Grunde der dauernden Berufsunfähigkeit regelnden Teils, dessen Stammfassung - abgesehen von den 'Klarstellungen' durch eine 'Authentische Interpretation' des Kammertages ('Konstruktiv' vom 30. Oktober 1978) - unverändert geblieben ist, nicht gesetzmäßig kundgemacht worden."
Im Hinblick auf die eben wiedergegebenen Ausführungen im Erk. des VwGH nahm der VfGH vorläufig weiters an, daß das Statut (in seiner Stammfassung) zufolge der vorgenommenen Verlautbarung als Verordnung in Geltung gesetzt worden (vgl. VfSlg. 8807/1980) sowie daß es mit dem vom VwGH aufgezeigten und vom VfGH sohin bezüglich der präjudiziellen Stelle in einem Verfahren nach Art139 Abs1 B-VG wahrzunehmenden Kundmachungsmangel belastet sei.
3. Sowohl der Kammertag der Bundesingenieurkammer als auch der Bundesminister für Bauten und Technik erstatteten Äußerungen, in denen ein Antrag zur Sache nicht gestellt wird.
Der Kammertag führte im wesentlichen aus, daß die Kundmachung des Statuts (in der Stammfassung) seiner Auffassung nach von ihm auch für die Länderkammern vorgenommen worden sei, und verwies ferner darauf, daß das Statut (in nov. Fassung) im Hinblick auf das erwähnte Erk. des VwGH am 21. April 1980 neuerlich kundgemacht wurde.
Der Bundesminister für Bauten und Technik erklärte, daß er den Ausführungen des VwGH zur Frage der Kundmachung des Statuts folge.
II. 1. Dem eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren stehen Prozeßhindernisse nicht entgegen; es ist insbesondere nicht zweifelhaft, daß der VfGH die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung bei seiner Entscheidung in der Beschwerdesache anzuwenden hätte.
2. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des §12 Abs1 des Statuts sind begründet; der angenommene Kundmachungsmangel liegt vor.
Der VfGH bleibt bei der im Prüfungsbeschluß dargelegten Auffassung, welche durch die Argumentation des Kammertags nicht entkräftet wird.
Der Kammertag stützt seine schon erwähnte Ansicht, die Kundmachung sei auch für die Länderkammern vorgenommen worden, im einzelnen darauf, daß das "Nachrichtenblatt" vom 20. Juli 1970 im Einvernehmen bzw. auf Ersuchen der Länderkammern sämtlichen ihrer Mitglieder zugestellt worden sei; dadurch sei die Verlautbarungsaufgabe der Länderkammern gemäß §29 Abs1 des Ingenieurkammergesetzes (IKG), BGBl. 71/1969, übernommen und erfüllt worden, zumal der letzte Satz dieser Gesetzesstelle nur von "Kundmachung" in der Einzahl spreche.
Zu diesem Einwand ist festzuhalten, daß es bei der Beurteilung, ob der in der bezogenen Gesetzesvorschrift festgelegte Publikationsmodus ("Das Statut ist in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen." eingehalten wurde, im Fall eines der Bundeskammer und den Länderkammern gemeinsam, einheitlichen Kundmachungsaktes auf den objektiven Umstand ankommt, daß sich die den kundzumachenden Verordnungstext enthaltenden "Nachrichten" ausdrücklich sowohl als solche der Bundeskammer als auch als solche der Länderkammern darstellen; daß dies bei den "Nachrichten der Bundesingenieurkammer" vom 20. Juli 1970 in Ansehung der Länderkammern aber nicht zutrifft, steht fest und wird auch vom Kammertag nicht bezweifelt. Das weitere Argument des Kammertags, in §29 Abs1 letzter Satz IKG werde der Ausdruck "Kundmachung" im Singular gebraucht ("Das Statut tritt, wenn darin nicht ein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."), geht an diesem maßgebenden Umstand vorbei. Denn selbst wenn erweislich wäre, daß der Kundmachungsakt ein gemeinsamer zu sein habe, änderte dies nichts daran, daß das Kundmachungsorgan ausdrücklich als ein solches der Bundeskammer und der Länderkammern zu kennzeichnen wäre.
3. Der Kammertag weist - wie ebenfalls schon erwähnt - darauf hin, daß das (ua. §12 Abs1 ohne Veränderung enthaltende) Statut der Wohlfahrtseinrichtungen "idF der Kammertagsbeschlüsse vom 30. Juni 1970, 27. Oktober 1970, 27. Oktober 1971, 31. Oktober 1972, 6. Juni 1974, 27. Oktober 1975, 19. März 1976, 29. Oktober 1976, 19. September 1978 und 30. Oktober 1979" in der Nr. 72 des Organs der Bundesingenieurkammer "Konstruktiv" vom 21. April 1980 im Teil "Amtliche Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer sowie der Ingenieurkammern für Wien, NÖ und Bgld., für Stmk. und Ktn., für OÖ und Sbg. und für Tir. und Vbg." neuerlich kundgemacht wurde. Im Hinblick auf diese neuerliche, den Publikationserfordernissen des §29 Abs1 IKG entsprechende Kundmachung ist der vorhin festgestellte Kundmachungsmangel mit Wirksamkeit vom 22. April 1980 saniert (vgl. dazu VfSlg. 7463/1974).
Der VfGH hatte daher auszusprechen, daß §12 Abs1 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen bis zum Ablauf des 21. April 1980 gesetzwidrig war.
Schlagworte
Ziviltechniker, Ingenieurkammer, Verordnung KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V53.1983Dokumentnummer
JFT_10168793_83V00053_00