TE Vfgh Erkenntnis 1983/12/16 B392/79

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Veröffentlicht am 16.12.1983
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs3 idF BGBl 351/1981
StGG Art5
ASVG §308 Abs6
ASVG §311 Abs1
NotarversicherungsG 1972 §64
VfGG §19 Abs3 Z3 idF BGBl 353/1981
VfGG §86

Leitsatz

ASVG; Anwendbarkeit der §§308 bis 310 im Bereich des §64 NVG 1972; kein Entzug des gesetzlichen Richters Art7 Abs1 B-VG; Durchschnittsbetrachtung; keine Bedenken gegen die in §308 Abs6 ASVG enthaltene Differenzierung bei der Festsetzung der Prozentsätze unter Zugrundelegung versicherungsmathematischer Berechnungen

Spruch

1. Das Beschwerdeverfahren wird, soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages vom 7. November 1978 auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge für die Zeit der zweiten Beschäftigung (vom 1. September 1974 bis 30. November 1977) richtet, eingestellt.

2. Im übrigen ist der Bf. durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. stand vom 22. August 1966 bis 31. Dezember 1967 in einem privatrechtlichen und vom 1. Jänner 1968 bis 31. Jänner 1978 (als Richter) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. In der Zeit vom 1. September 1974 bis 30. November 1977 hat überdies ein privatrechtliches Dienstverhältnis zwischen dem Bf. als Vertragslehrer und dem Bund bestanden.

Mit Wirksamkeit vom 1. Feber 1978 wurde der Bf. als Notariatskandidat nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 - NVG 1972, BGBl. Nr. 66/1972 (idF der 2. Nov. zum NVG 1972, BGBl. Nr. 708/1976), sozialversicherungspflichtig. Aus diesem Anlaß wurde vom (damaligen) Zentralbesoldungsamt (nunmehr Bundesrechenamt) an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng.) für den ohne Anspruch auf Ruhegenuß aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschiedenen Bf. gemäß §311 Abs1 ASVG ein Überweisungsbetrag von insgesamt 145644,36 S (für 121 Beitragsmonate in der Zeit vom 1. Jänner 1968 bis 31. Jänner 1978 142296 S und 3348,36 S als Rückzahlung des für die Versicherungszeiten vom 22. August 1966 bis 31. Dezember 1967 geleisteten Überweisungsbetrages gemäß §308 ASVG) geleistet, worauf von dieser Anstalt insgesamt 138 Monate als Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung der Angestellten vorgemerkt wurden.

Auf Antrag der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats vom 7. September 1978 wurde von der PVAng. an diese Anstalt ein Überweisungsbetrag für 48 Beitragsmonate in der Höhe von 56448 S gemäß §308 ASVG iVm §64 NVG 1972 geleistet.

Mit Schreiben vom 27. September 1978 hat die PVAng. dem Bf. mitgeteilt, daß ihm für die in der Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 nicht zu berücksichtigenden Pflichtbeitragszeiten nach dem ASVG ein Erstattungsbetrag in der Höhe von 58212 S überwiesen wird.

Mit Schreiben vom 7. November 1978 stellte der Bf. an die PVAng. das Begehren, die von ihm während des Bestandes des privatrechtlichen Dienstverhältnisses als Vertragslehrer (zweite Beschäftigung) für die Pensionsversicherung geleisteten Beiträge zurückzuerstatten. Des weiteren begehrte der Bf. mit Schreiben vom 10. November 1978 von der PVAng., sie möge den gesamten, vom Zentralbesoldungsamt an sie geleisteten und von ihr nicht an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats überwiesenen Geldbetrag an ihn überweisen.

Aufgrund dieser Schreiben des Bf. erging folgender Bescheid der PVAng. vom 15. Dezember 1978:

"Zufolge Vorliegen der Zuständigkeit nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 ab 1. Feber 1978 haben die Bestimmungen des §64 leg. cit. in Verbindung mit §§308 ff. ASVG Anwendung zu finden.

Sohin ist ein in Anwendung des §308 Abs3 ASVG zu ermittelnder Erstattungsbetrag in der Höhe von 58212 S an Sie zur Auszahlung zu bringen.

Die Errechnung dieses Betrages ergibt sich für die Zeit von August 1966 bis Jänner 1974, das ist für 90 Monate. Gemäß §308 Abs6 ASVG ...

(es folgt die Berechnung, aus der sich die Höhe des Betrages von 58212 S ergibt) ...

Der Antrag vom 7. November 1978 auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge für die Zeit der zweiten Beschäftigung iZm §308 Abs3 ASVG wird abgelehnt, weil die Rückerstattung gemäß §308 Abs3 litc ASVG nicht vorgesehen ist, soweit es sich um Beiträge handelt, die lediglich gemäß §70 ASVG als entrichtet gelten."

Nach der Begründung des Bescheides habe gemäß §64 NVG 1972 iVm §308 ASVG der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger anläßlich der Aufnahme des Versicherten in die Notarversicherung einen Überweisungsbetrag zu leisten. Dem Überweisungsbetrag seien nur nach dem vollendeten 22. Lebensjahr liegende Beitragsmonate der Pflichtversicherung, die unmittelbar vor dem Ausscheiden liegen, zugrunde zu legen, und zwar bis zum Höchstausmaß von 48 Monaten. Er sei um noch nicht berücksichtigte Zeiten, die in einem gemäß §63 Abs1 und 2 NVG 1972 geleisteten Überweisungsbetrag enthalten sind, zu erhöhen. Als Beitragsgrundlage für die Ermittlung des Überweisungsbetrages gelte die für den letzten Beitragsmonat vor dem Ausscheiden festgestellte allgemeine Beitragsgrundlage.

Zeiten, für die kein Überweisungsbetrag gemäß §64 NVG 1972 in Betracht kommt, seien gemäß §§308 ff. ASVG zu beurteilen.

Im Falle des Bf. sei für die Zeit vom 1. Feber 1974 bis 31. Jänner 1978 (48 Monate) der Überweisungsbetrag gemäß §64 NVG 1972 in der Höhe von 56448 S an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats geleistet worden. Da ein Überweisungsbetrag für die Zeit vom 22. August 1966 bis 31. Jänner 1974 nicht in Betracht komme, habe der Bf. für 90 Monate den Erstattungsbetrag gemäß §308 Abs3 ASVG erhalten.

Der Bf. habe als Vertragslehrer vom 1. September 1974 bis 30. November 1977 in einem pensionsversicherungspflichtigen Dienstverhältnis, somit aufgrund einer zweiten Beschäftigung Beitragszeiten erworben. Für diese Zeiten könne eine Erstattung nicht erfolgen, weil sich die in Rede stehende Zeit mit den gemäß den Bestimmungen des NVG 1972 "zu überweisenden Zeiten" zeitlich decke und gemäß §308 Abs2 ASVG eine Rückerstattung für Zeiten einer Doppelbeschäftigung iS des §70 ASVG nicht vorgesehen sei.

2. Der vom Bf. gegen den Bescheid der PVAng. vom 15. Dezember 1978 erhobene Einspruch wurde vom Landeshauptmann von NÖ mit dem Bescheid vom 1. August 1979 aufgrund der §§413 und 414 ASVG und unter Hinweis auf die im Bescheid der PVAng. angeführten Gesetzesstellen als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird zum Einspruchsbegehren auf "Erstattung der Zeiten der Beschäftigung als Vertragslehrer" in der Zeit vom 1. September 1974 bis 30. November 1977 bemerkt, daß gemäß §308 Abs3 ASVG, welche Bestimmung aufgrund des §64 NVG 1972 bei Eintritt der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz sinngemäß anzuwenden sei, ein Erstattungsbetrag nur für jene Beitragsmonate der Pflichtversicherung in Betracht komme, die nicht in der Pensionsversorgung angerechnet worden seien. Da "die Zeiten vom 1. Feber 1974 bis 31. Jänner 1978 gem. §64 Z3 NVG 1972 an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats überwiesen" und in der Pensionsversicherung des Notariats für die Begründung eines Anspruches auf eine Leistung vorgemerkt worden seien, die streitgegenständlichen Zeiten vom 1. September 1974 bis 30. November 1977 somit als Versicherungsmonate angerechnet worden seien, könne eine Erstattung der Beiträge aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Bestimmung des §308 Abs3 ASVG nicht erfolgen. Die Berechnung des Überweisungsbetrages bei Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis sei gemäß der Bestimmung des §311 Abs5 ASVG erfolgt, bei der Ermittlung des Überweisungsbetrages an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats seien §64 Z4 lita NVG 1972 und bei der Feststellung des Erstattungbetrages an den Bf. §308 Abs3 und 6 ASVG zur Anwendung gelangt. Dem Vorbringen des Bf., die gehandhabte Praxis "bei Überweisungen nach dem Pensionsgesetz die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten als Verrechnungsstelle einzuschalten", sei ungesetzlich, werde entgegengehalten, daß nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des §64 NVG 1972 bei Ausscheiden eines Versicherten aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG und bei Vorliegen der Versicherungspflicht nach dem NVG 1972 die Bestimmungen des ASVG über die Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis sinngemäß anzuwenden seien. Durch diese Verweisung des §64 NVG 1972 auf die Überweisungsbestimmungen des §308 ASVG und in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung für den Fall des unmittelbaren Übertrittes aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in ein die Versicherungspflicht nach dem NVG 1972 begründendes Beschäftigungsverhältnis sei die Zuständigkeit der beteiligten PVAng. zur Durchführung des Überweisungsverfahrens eindeutig gegeben. Darüber hinaus habe der Bf., für den anläßlich seines Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis seitens des Bundesrechenamtes in Anwendung der Bestimmungen des §311 Abs1 ASVG ein Überweisungsbetrag an die beteiligte Pensionsversicherungsanstalt geleistet und in der Folge die Zeiten vom 1. Jänner 1968 bis 31. Jänner 1978 als Versicherungszeiten in der PVAng. zur Anrechnung vorgemerkt worden seien, dem Versichertenstand der Pensionsversicherunganstalt der Angestellten angehört.

3. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 1. August 1979 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde.

Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Mit dem Erk. vom 29. Oktober 1982, Z 08/2557/79, hat der VwGH den angefochtenen Bescheid, soweit der Einspruch des Bf. gegen die Ablehnung des Antrages vom 7. November 1978 auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge für die Zeit der zweiten Beschäftigung (vom 1. September 1974 bis 30. November 1977) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. (Im übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.)

Insoweit ist für das Verfahren vor dem VfGH der Gegenstand weggefallen; das Beschwerdeverfahren ist daher einzustellen.

Insoweit ist der gestellte Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9322).

Hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens war auch ein Ersatz von Prozeßkosten nicht zuzusprechen, weil §88 iVm §27 und §86 VerfGG einen Kostenersatz an den Bf. nur vorsehen, wenn die Klaglosstellung durch eine Partei erfolgt ist; ein solcher Fall liegt bei Aufhebung eines Bescheides durch den VwGH nicht vor (vgl. VfGH 12. Juni 1981 B380/79, 14. Juni 1982 B75/80, 14. Juni 1982 B111/81, VfSlg. 9427/1982).

2. a) Soweit der angefochtene Bescheid darüber abspricht, daß dem Bf. ein Anspruch auf einen Erstattungsbetrag über den bereits an ihn überwiesenen Betrag von 58212 S hinaus nicht zusteht, gehört er weiterhin dem Rechtsbestand an. Gegen diesen Inhalt des Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der folgendes vorgebracht wird:

"§64 NVG 1972 regelt lediglich das Ausscheiden aus der Pensionsversicherungsanstalt nach dem ASVG, dem GSPVG und dem B-PVG.

Der Fall des Ausscheidens aus der Pensionsversicherung nach dem

Pensionsgesetz ist gesetzlich nicht erfaßt. §499 ASVG, welcher das

Ausscheiden aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis

bei nachfolgendem Übertritt in die Pensionsversicherung nach dem

Notarversicherungsgesetz regelte, ist ersatzlos aufgehoben. §64 NVG

kann somit auf das Ausscheiden aus der Pensionsversicherung nach dem

Pensionsgesetz somit aus einem versicherungsfreien Dienstverhältnis

nicht angewendet werden. Dies hat die bel. Beh. in dem von ihr

erlassenen Bescheid ... auch erkannt, wo es heißt: '... und in

Ermangelung einer gesetzlichen Regelung für den Fall ...'; nur zieht

sie aufeine mit den Denkgesetzen nicht vereinbare Weise den Schluß,

daß deshalb '... die Zuständigkeit der PVAng. zur Durchführung des

Überweisungsverfahrens eindeutig gegeben ist'. Das ASVG, insbesondere dessen §308 kann somit als Rechtsgrundlage für die Einbehaltung des vom Bundesrechenamt an die PVAng. überwiesenen Betrages von insgesamt 145644,36 S nicht herangezogen werden. Auch in der taxativen Aufzählung des §308 Abs1 ASVG ist das Pensionsgesetz nicht angeführt; schon deshalb ist es der PVAng. verwehrt unter Hinweis auf §308 Abs6 ASVG lediglich 55 vH der Höchtsbeitragsgrundlage zu erstatten.

Der die Entscheidung der PVAng. bestätigende Bescheid der bel. Beh. verstößt durch diese denkunmögliche Gesetzesanwendung sohin gegen den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums. Der Bf. war als Richter nach dem Pensionsgesetz pflichtversichert, anschließend als Notariatskandidat bei der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates. Die PVAng. hat somit für den Bf. keinerlei Versicherungsrisiko getragen. Die Einbehaltung des gesetzeswidrig an die PVAng. ausbezahlten Betrages von insgesamt 145644,36 S hat konfiskatorischen Charakter. Das Bundesrechenamt hätte direkt an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates den Überweisungsbetrag für 48 Beitragsmonate überweisen und die übrigen Beiträge direkt dem Bf. erstatten können. Das Bundesrechenamt hat sich aber ohne gesetzlichen Auftrag zur Vornahme dieser ihm obliegenden Aufgaben der PVAng. als eine Art 'Erfüllungsgehilfen' bedient. Einem solchen können aber nicht weitergehende Rechte als dem Bundesrechenamt (Republik Österreich) zukommen. Dieser richtigerweise vom Bundesrechenamt (Republik Österreich) dem Bf. zu erstattende Betrag ist jedoch von der PVAng. in ungesetzlicher Weise dem Bf. vorenthalten worden, und es liegt daher ein Verstoß gegen Art5 Staatsgrundgesetz RGBl. Nr. 142/1867 vor."

b) Mit diesen - zur Begründung der behaupteten Eigentumsverletzung vorgebrachten - Ausführungen wird der Sache nach geltend gemacht, daß die PVAng. nicht zur Leistung eines Überweisungsbetrages, sondern vielmehr zur Überweisung des gesamten, ihr vom Zentralbesoldungsamt (Bundesrechenamt) übermittelten Geldbetrages an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates verpflichtet gewesen wäre. Diese Anstalt hätte den Betrag, der nicht für eine Anrechnung von Beitragszeiten in der Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 einzubehalten vor, an den Bf. erstatten müssen. Damit wird aber die Zuständigkeit der PVAng. zur Durchführung des Überweisungsverfahrens, insbesondere auch zu der im Bescheid vom 15. Dezember 1978 (I./1.) getroffenen Entscheidung über Bestand und Umfang des Anspruches des Bf. auf einen Erstattungsbetrag in Zweifel gezogen. Wäre die PVAng. zur Erlassung des Bescheides nicht zuständig gewesen, wäre der Bf. durch den - die Nichtzuständigkeit der PVAng. nicht wahrnehmenden - angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der VfGH hat daher zunächst zu prüfen, ob die PVAng. zur Erlassung des Bescheides vom 15. Dezember 1978 zuständig war.

c) Auszugehen ist von §311 Abs1 ASVG, der lautet:

"Überweisungsbeträge.

§311. (1) Ist ein Dienstnehmer aus einem nach diesem Bundesgesetz pensionsversicherungsfreien oder nach früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne daß aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe-(Versorgungs-)Genuß erwachsen ist und ohne daß ein außerordentlicher Ruhe-(Versorgungs-)Genuß in der Höhe des normalmäßigen Ruhe-(Versorgungs-)Genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der Dienstgeber, soweit in den nachstehenden Abs3 und 4 nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten."

Nach ihrem Wortlaut gilt diese Bestimmung für jeden Fall des Ausscheidens eines Dienstnehmers aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht davon abhängig, daß der Dienstnehmer nach dem Ausscheiden aus dem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in ein nach dem ASVG pensionsversicherungspflichtiges Dienstverhältnis eintritt oder nach anderen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (etwa nach dem GSVG, dem BSVG oder dem NVG 1972) pensionsversicherungspflichtig wird.

In Anbetracht der Vorschriften des §311 ASVG ist der Gesetzgeber bei der Erlassung des NVG 1972 davon ausgegangen, daß es sich erübrigt, einen Überweisungsbetrag für die künftigen Fälle in Aussicht zu nehmen, in denen jemand vom öffentlichen Dienst in das Notariat übertritt (vgl. die EB zu den §§63, 64, 94 und 95 der RV zum NVG 1972, 114 der BlgNR XIII. GP).

Beim Ausscheiden eines Dienstnehmers aus dem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis entsteht damit - auf die besonderen Regelungen des §311 Abs3 und 4 braucht im gegebenen Zusammenhang nicht Bedacht genommen zu werden - für den Dienstgeber die Verpflichtung zur Leistung des Überweisungsbetrages an den Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, wenn der Dienstnehmer nicht in einem pensionsversicherungsfreien, sondern in einem nach dem ASVG pensionsversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden wäre.

Der Bf. ist - wie unbestritten feststeht - aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden, ohne daß ihm aus diesem Dienstverhältnis ein Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß erwachsen und ohne daß ihm ein außerordentlicher Ruhegenuß iS des §311 Abs1 ASVG gewährt worden wäre.

Daraus folgt, daß der Dienstgeber des Bf. (der Bund) zur Leistung des Überweisungsbetrages nach §311 Abs1 ASVG verpflichtet war.

Aus der Art der Beschäftigung des Bf. ergibt sich, daß dieser Überweisungsbetrag an die PVAng. zu leisten war, da diese der zuständige Pensionsversicherungsträger gewesen wäre, wenn der Bf. nicht in einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden wäre.

Die Behauptung des Bf., wonach der Bund (Zentralbesoldungsamt, später Bundesrechenamt) den Überweisungsbetrag unmittelbar an die Versicherungsanstalt des österrreichischen Notariats und nicht an die PVAng. zu leisten gehabt hätte, steht sohin mit der Gesetzeslage nicht im Einklang.

Aufgrund der Leistung des Überweisungsbetrages durch den Dienstgeber des Bf. an die PVAng. steht der Bf. iS des NVG 1972 jenen Personen gleich, die aus einem pensionsversicherungspflichtigen Dienstverhältnis ausgeschieden sind. Für seine Aufnahme in die Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 sind somit gemäß §64 dieses Gesetzes die Bestimmungen des ASVG über die Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis, somit die Bestimmungen der §§308 bis 310 ASVG anzuwenden. Demnach ist davon auszugehen, daß vom Bf. ausschließlich in der PVAng. Versicherungsmonate erworben wurden, sodaß nach §308 Abs5 ASVG die PVAng. sowohl für die Feststellung und Leistung des Überweisungsbetrages nach §308 Abs1 ASVG als auch für die Erstattung der Beiträge gemäß §308 Abs3 ASVG an den Bf. zuständig war (vgl. die bereits angeführten EB zur RV des NVG 1972).

Es trifft somit auch die Behauptung des Bf., daß das ASVG, insbesondere dessen §308 als Rechtsgrundlage für die Einbehaltung des vom Bundesrechenamt an die PVAng. überwiesenen Betrages nicht herangezogen werden könne, nicht zu. Daraus folgt aber auch, daß die PVAng., gestützt auf die Bestimmung des §64 NVG 1972 iVm §308 Abs3 und Abs5 ASVG, zur Erlassung des Bescheides vom 15. Dezember 1978 über den dem Bf. dem Grunde und der Höhe (§308 Abs6 ASVG) nach zustehenden Erstattungsbetrag zuständig war.

Der Bf. ist mithin dadurch, daß die bel. Beh. den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch als unbegründet abgewiesen hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

3. a) Der Bf. macht für den Fall, daß entgegen seiner Meinung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §308 Abs6 ASVG zur Anwendung gekommen sein sollte, geltend, daß diese Bestimmung verfassungswidrig sei.

Sie lautet:

"Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages nach Abs1 und für die Erstattung der Beiträge nach Abs3 sind die nachstehend angeführten Hundertsätze der am Stichtag (Abs7) geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (Berechnungsgrundlage):

--------------------------------------------------------------------

                         !     Angestellte     !      Arbeiter

Träger der               ! --------------------!--------------------

                         ! männlich ! weiblich ! männlich ! weiblich

-------------------------!------------------------------------------

Pensionsversicherung

der Angestellten ........     55         40          -          -

Pensionsversicherung

der Arbeiter ............      -          -         45         30

knappschaftlichen

Pensionsversicherung ....     55         40         45         30"

Auf das wesentliche zusammengefaßt bringt der Bf. zur Begründung seiner Behauptung vor, das Versicherungsrisiko, das einer Pensionsversicherungsanstalt in dem Falle verbleibe, daß ein bei ihr pensionsversicherter Dienstnehmer durch Eintritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis den Beruf wechselt, sei als "klein anzusehen", weil "als einziger überhaupt möglicher Versicherungsfall ... lediglich ein solcher wegen vorübergehender Invalidität (§254 Abs1 Z2 ASVG) und wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit (§271 Abs1 Z2 ASVG) einzutreten" vermöge. Es sei sachlich nicht vertretbar, daß die Staffelung der Erstattungssätze einerseits zwischen 30 vH und 55 vH, das jeweilige Versicherungsrisiko andererseits zwischen 70 vH und 45 vH liege, weshalb §308 Abs6 ASVG gleichheitswidrig sei.

b) In den EB der RV zur 29. ASVG-Nov., BGBl. Nr. 31/1973, wird die mit dieser Nov. geschaffene Differenzierung der Prozentsätze des §308 Abs6 ASVG wie folgt begründet:

"Für die Berechnung des Überweisungsbetrages wird nicht mehr die auch sonst im Leistungsrecht übliche Bemessungsgrundlagenach §238 herangezogen, sondern es werden in Hinkunft, unterteilt nach männlichen und weiblichen Angestellten und Arbeitern, festgelegte Hundertsätze der jeweiligen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage herangezogen.

Für die vier Beschäftigungstypen 'männliche Arbeiter', 'weibliche Arbeiter', 'männliche Angestellte' und 'weibliche Angestellte' wurden aus den durchschnittlichen Beitragsgrundlagen der Grundzählungen für die Jahre 1969, 1970 und 1971 durchschnittliche Bemessungsgrundlagen errechnet. Die so gewonnenen Bemessungsgrundlagen stehen für jeden untersuchten Typ in einem konstanten Verhältnis zur jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage. Es beträgt die Bemessungsgrundlage

für männliche Arbeiter rund 50 vH der Höchstbeitragsgrundlage,

für weibliche Arbeiter rund 30 vH der Höchstbeitragsgrundlage,

für männliche Angestellte rund 62,5 vH der Höchstbeitragsgrundlage,

für weibliche Angestellte rund 42,5 vH der Höchstbeitragsgrundlage.

Im Hinblick darauf, daß das Durchschnittsalter der bei den Grundzählungen erfaßten Versicherten zwischen 33 und 38 liegt, erscheint eine etwa 10prozentige Reduktion der obigen Hundertsätzenotwendig, weil man annehmen kann, daß die Durchschnittsalter bei der Pragmatisierung kleiner sind."

Abschließend wird in den Erläuterungen nach Anführung der sich für das Jahr 1972 bei der vorgesehenen Regelung ergebenden Beträge ausgeführt, daß "gemessen am durchschnittlichen Monatsbeitrag des Versicherten im Jahr 1972 ... der Überweisungsbetrag für einen angerechneten Beitragsmonat zwischen 52 vH und 60 vH" liegt (404 der BlgNR XIII. GP).

Wie sich aus diesen Ausführungen ergibt, ist der Gesetzgeber aufgrund einer Durchschnittsbetrachtung unter Zugrundelegung versicherungsmathematischer Berechnungen bei der Festsetzung der Prozentsätze zu der in §308 Abs6 ASVG enthaltenen Differenzierung gekommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH kann der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen; daß dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (vgl. VfSlg. 7891/1976, 8457/1978).

Der VfGH kann daher nicht finden, daß die vom Gesetzgeber in §308 Abs6 ASVG vorgenommene Differenzierung der Prozentsätze unsachlich wäre.

Da sonstige Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften nicht hervorgekommen sind, ist der Bf. durch diesen nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Im Eigentumsrecht könnte der Bf., sofern durch den angefochtenen Bescheid überhaupt in sein Eigentum eingegriffen wird, nur verletzt worden sein, wenn bei der Erlassung des Bescheides das Gesetz denkunmöglich angewendet worden wäre, was nur dann zuträfe, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 8776/1980, 9014/1981).

Davon, daß der dem Bf. zustehende Erstattungsbetrag im angefochtenen Bescheid so fehlerhaft ermittelt worden wäre, daß die Fehlerhaftigkeit einer Gesetzlosigkeit gleichgehalten werden müßte, kann jedoch nach Lage der Dinge keine Rede sein.

Der Bf. ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

Da auch sonstige Anhaltspunkte, aus denen auf ein willkürliches Vorgehen der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte, nicht vorliegen, ist der Bf. auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

5. Eine Verletzung der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht gelten gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs2 B-VG idF vor der Nov. BGBl. Nr. 350/1981 (vgl. ArtIV dieser Nov.) antragsgemäß dem VwGH abzutreten, obgleich der VwGH über die bei ihm gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erk. vom 29. Oktober 1982, Z 08/2557/79 (II.1.), bereits entschieden hat.

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Abtretung, Sozialversicherung, Überweisung (Sozialversicherung), Notare

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B392.1979

Dokumentnummer

JFT_10168784_79B00392_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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