TE Vfgh Erkenntnis 1984/2/28 G33/83

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.1984
beobachten
merken

Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Bgld FremdenverkehrsG §21 Abs2
Bgld FremdenverkehrsG §21 Abs7
Bgld FremdenverkehrsG §21 Abs8
Bgld LAO §48
Bgld GemeindeO §33 Abs1
Bgld GemeindeO §76 Abs3

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. f. Bgld. 30/1984 am 30. Mai 1984

Leitsatz

Bgld. Fremdenverkehrsgesetz; mehrere Auslegungsmöglichkeiten des §21 Abs7; Verstoß gegen das Gebot der präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit gemäß Art18 iVm. Art83 Abs2 B-VG

Spruch

1. Im §21 Abs7 des Bgld. Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 5/1967, idF der Nov. LGBl. 20/1979, werden die Worte "vom Bürgermeister nach Anhören mit dem Fremdenverkehrsausschuß" als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

2. Im übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH sind zu den Z B120 bis 123/82 und B136 bis 139/82 Verfahren über Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Bürgermeister der Gemeinde Oberpullendorf/Bgld. schrieb drei Ärzten und einem Rechtsanwalt, die in dieser Gemeinde tätig sind, bescheidmäßig unter Bezugnahme auf §21 des Bgld.

Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 5/1967, idF der Nov. LGBl. 20/1979, (im folgenden kurz: FrVG) die Entrichtung von Fremdenverkehrsförderungsbeiträgen vor, und zwar jeweils mit gesonderten Bescheiden für das Kalenderjahr 1980 und das Kalenderjahr 1981.

Gegen diese insgesamt acht Bescheide erhoben die Bf. Berufungen, die von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf durchwegs abgewiesen wurden.

Diese Berufungsbescheide bilden den Gegenstand der oben zitierten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden.

2. a) Der VfGH hat am 17. März 1983 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §21 Abs7 FrVG einzuleiten. Die Bedenken des Gerichtshofes gingen - zusammengefaßt - dahin, daß die Gesamtheit der in Betracht zu ziehenden Normen die als Rechtsmittelinstanz(en) zuständigen Behörden nicht mit einer den Art18 und 83 Abs2 B-VG entsprechenden ausreichenden Klarheit erkennen ließen.

b) Die in Prüfung gezogene Norm steht mit folgenden landesgesetzlichen Vorschriften in Zusammenhang:

aa) Nach §21 Abs2 FrVG werden die Fremdenverkehrsförderungsbeiträge als zwischen Land und Gemeinden geteilte Abgabe erhoben.

Nach §21 Abs6 leg. cit. setzt der Bürgermeister aufgrund der von den Beitragspflichtigen bis längstens 30. April des laufenden Jahres abzugebenden Erklärung über den Umsatz des abgelaufenen Jahres die Beitragspflichtigen "von der Einstufung und der Höhe des Beitrages mit Bescheid in Kenntnis".

§21 Abs7 lautet:

"Kommt ein Beitragspflichtiger aus eigenem Verschulden den vorstehenden Verpflichtungen innerhalb von drei Wochen nicht nach oder verweigert er die Vorlage der Unterlagen, so ist ungeachtet der Strafbestimmungen dieses Gesetzes vom Bürgermeister nach Anhören mit dem Fremdenverkehrsausschuß die Höhe des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages durch Schätzung festzustellen."

Die Einhebung der Fremdenverkehrsförderungsbeiträge obliegt dem §21 Abs8 FrVG zufolge dem Bürgermeister.

Das FrVG enthält keine Bestimmungen über die gegen die nach §21 ergehenden Bescheide des Bürgermeisters zulässigen Rechtsmittel.

Eine Bezeichnung dieser Vollziehungstätigkeit als solche des eigenen Wirkungsbereiches enthält das FrVG nicht.

bb) Die Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. 37/1965, idF der Nov. LGBl. 47/1970 (GemO), besagt im §76 Abs3 folgendes:

"Der Instanzenzug gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches des Landes geht, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist, an die Bezirkshauptmannschaft und in weiterer Folge an die Landesregierung."

cc) Die §§47 und 48 der Bgld. Landesabgabenordnung, LGBl. 2/1963, (LAO) lauten:

"§47. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden richtet sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften.

§48. Enthalten die im §47 erwähnten Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen, so sind in den Angelegenheiten der Landesabgaben in erster Instanz das Amt der Landesregierung, in zweiter Instanz die Landesregierung und in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister und in zweiter Instanz der Gemeinderat sachlich zuständig."

§215 LAO bestimmt:

"Gegen Berufungsentscheidungen und gegen sonstige Bescheide der Abgabenbehörden zweiter Instanz ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

c) aa) Der VfGH begründete in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß seine obigen Bedenken (s. die vorstehende lita) wie folgt:

"Aus dem Wortlaut des §21 Abs6 und 7 FrVG scheint sich zwar klar zu ergeben, daß zur bescheidmäßigen "Feststellung" des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages in erster Instanz der Bürgermeister zuständig ist; gegenüber der LAO und der GemO wird damit offenbar eine Sonderregelung getroffen.

Darüber, wieviele Instanzen in diesen Angelegenheiten vorgesehen sind, und darüber, welche Behörden über die Rechtsmittel zu entscheiden haben, besagt aber das FrVG nichts.

Die Lösung dieser Frage überläßt das FrVG anscheinend der LAO und der GemO, die aber ihrerseits wieder auf andere Vorschriften verweisen. Dies führt dazu, daß mehrere Meinungen darüber, wie der Instanzenzug hier geregelt sei, denkbar sind.

So hat die bel. Beh. in ihrem Rundschreiben vom 31. März 1969, Z VI/3-2514/72-1969, die Rechtsmeinung vertreten, daß im Fall einer Berufung gegen einen gemäß §21 Abs6 FrVG ergehenden Bescheid des Bürgermeisters (gleiches sollte wohl für einen auf §21 Abs7 leg. cit. gestützten Bescheid gelten) aufgrund des §76 Abs2 (nun Abs3) GemO der Instanzenzug an die Bezirkshauptmannschaft und in weiterer Folge an die Landesregierung gehe.

Diese Rechtsansicht hat die bel. Beh. in ihren Rundschreiben vom 27. April 1976, Z VI/3-2732/107-1976, und vom 6. November 1978, Z VI/3-2896/113-1978, dahin revidiert, daß (insbesondere im Hinblick auf §215 LAO) über die Berufung gegen einen Bescheid betreffend die Vorschreibung von Fremdenverkehrsförderungsbeiträgen durch die Abgabenbehörde erster Instanz (Bürgermeister) die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Bezirkshauptmannschaft) endgültig entscheide; für Städte mit eigenem Statut sei Abgabenbehörde zweiter Instanz die Landesregierung.

Der VfGH hält beide Auslegungen für vertretbar.

Er findet, daß darüber hinaus noch mehrere weitere denkbare Interpretationen in Betracht kommen. So könnte etwa darauf abgestellt werden, daß es sich beim Fremdenverkehrsförderungsbeitrag zwar um eine zwischen dem Land und den Gemeinden geteilte Abgabe handelt (§21 Abs2 FrVG), daß dieser Beitrag aber dennoch als "Landesabgabe" iS des §48 LAO zu qualifizieren ist. In diesem Fall hätte nach der zuletzt zitierten Vorschrift iVm. §215 LAO als zweite (und letzte) Instanz die Landesregierung einzuschreiten. Diese Auslegung würde allerdings zu dem (zumindest ungewöhnlichen) Ergebnis führen, daß über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters die Landesregierung entscheidet.

Diese und noch andere denkbare Auslegungen scheinen gleichwertig nebeneinander zu stehen. Weder der Wortlaut, noch der Sinn, noch der systematische Zusammenhang legen es - wie der VfGH vorläufig annimmt - nahe, der einen oder der anderen Interpretation den Vorzug zu geben.

Wie der VfGH wiederholt dargetan hat, muß es möglich sein, den lückenlosen Inhalt eines Gesetzes durch Auslegung zu ermitteln (zB VfSlg. 8395/1978; VfGH 6. 10. 1981 G7/81). Dies gilt auch für die Behördenzuständigkeit; auch sie muß durch das Gesetz bestimmt sein (vgl. zB VfSlg. 5924/1969).

Art83 Abs2 B-VG wendet sich auch an den Gesetzgeber (vgl. zB VfSlg. 2909/1955, 6675/1972, 8349/1978). Diese Verfassungsbestimmung iVm. Art18 B-VG verhält offenbar den Gesetzgeber dazu, klare eindeutige Zuständigkeitsregelungen zu treffen (vgl. auch hiezu die soeben zitierte Judikatur). Es scheint, daß der Gesetzgeber diese Verpflichtung auch dann verletzt, wenn er sich - wie hier - derart undeutlich ausdrückt, daß damit eine Lage herbei geführt wird, die einer unbestimmten Kompetenzabgrenzung gleichkommt. Der VfGH nimmt nämlich vorläufig an, daß die erwähnten Verfassungsbestimmungen den Gesetzgeber beauftragen, gerade die Behördenzuständigkeit derart klar und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß es keiner subtilen Auslegungstätigkeit bedarf, um die vom Gesetzgeber gewollte Kompetenz der Behörden - auch der Rechtsmittelinstanz(en) - zu erkennen, wobei die Richtigkeit des gewonnenen Interpretationsergebnisses dann immer noch durchaus vertretbar bezweifelt werden kann.

Regelungstechniken, wie sie hier gewählt wurden, scheinen selbst einen rechtskundigen Adressaten der Norm, aber auch die sie vollziehenden Behörden, in - durchaus vermeidbare - Verwirrung zu bringen. Die daraus entstehende besondere Unsicherheit über die zuständige(n) Rechtsmittelinstanz(en) ist schon im Interesse des Rechtsschutzes anscheinend von der Verfassung verpönt; offenbar entstehen dadurch für die Parteien des Verfahrens unzumutbare und vermeidbare Prozeßrisken, da eine Verfahrenspartei dadurch verhalten sein kann, vorsichtshalber gleichzeitig Berufung und Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes einzubringen.

Der VfGH hat sohin das Bedenken, daß eine derartige Regelung den Art18 und 83 Abs2 B-VG widerspricht (vgl. auch VfSlg. 3130/1956 und 7586/1975)."

bb) Der VfGH ging im Einleitungsbeschluß vorläufig davon aus, daß §21 Abs7 FrVG in allen acht Anlaß-Beschwerdefällen präjudiziell sei.

3. Die Bgld. Landesregierung erstatte eine Äußerung, in der sie wörtlich ausführt:

"I.

Zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit der Abgabenbehörden bei der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages ist von §47 der Landesabgabenordnung, LGBl. 2/1963, (LAO) auszugehen.

Danach richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften. Lassen sich daraus im Gegenstand keine eindeutigen Schlüsse auf die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden ziehen, kommt subsidiär §48 LAO zum Tragen, wonach in den Angelegenheiten der Landesabgaben in erster Instanz das Amt der Landesregierung, in zweiter Instanz die Landesregierung und in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister und in zweiter Instanz der Gemeinderat sachlich zuständig ist.

II.

Obwohl primär maßgebliche Rechtsquellen für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit der Abgabenbehörden die eingangs erwähnten Rechtsvorschriften sind, ist jedoch zwingend aus der LAO abzuleiten, daß das Abgabenverfahren sich nur über zwei Instanzen erstreckt. Dies ergibt sich aus §215 LAO, wonach gegen Berufungsentscheidungen und gegen sonstige Bescheide der Abgabenbehörden zweiter Instanz ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist. §215 LAO hat also im Gegensatz zu §48 LAO keinen subsidiären Charakter.

III.

Die Abgabenvorschriften lassen einwandfrei die in erster Instanz sachlich zuständige Abgabenbehörde erkennen. Gemäß §21 Abs8 des Bgld. Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 5/1967 (FrVG), obliegt die Einhebung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages dem Bürgermeister. Über den weiteren Instanzenzug trifft das FrVG keine weitere Aussage. Eine diesbezügliche Antwort ist daher zunächst in den Vorschriften über den Wirkungsbereich der Abgabenbehörden zu suchen.

IV.

Als Vorschrift über den Wirkungsbereich der Abgabenbehörden kommt im Gegenstand die Bgld. Gemeindeordnung LGBl. 37/1965 zuletzt geändert mit LGBl. 33/1977 (GemO), in Betracht.

Der unter einem Gesetzesvorbehalt stehende §76 Abs1 und 3 GemO bestimmt sowohl für den eigenen als auch für den übertragenen Wirkungsbereich mit dem Bürgermeister die erste Instanz und geht daher konform mit §20 Abs8 FrVG.

Die weiteren Instanzen bestimmt §76 Abs1 und 3 GemO im eigenen Wirkungsbereich mit dem Gemeinderat und im übertragenen Bereich mit der Bezirkshauptmannschaft und in weiterer Folge der Landesregierung.

V.

Vor Eingehen in die Frage, ob es sich bei der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages um eine Verwaltungstätigkeit handelt, die dem eigenen oder übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuzuordnen ist, ist zu klären, inwieweit der Gesetzesvorbehalt des §76 Abs1 und 3 GemO zum Tragen kommt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß §76 Abs1 und 3 GemO im Range eines Verfassungsgesetzes steht und einfachgesetzliche Regelungen, mit denen vom verfassungsgesetzlich festgelegten Instanzenzug abgewichen ird, einerseits den Grundsatzgehalt dieser Bestimmung nicht verletzen und andererseits von ihrer Aussagekraft keinen Zweifel über das Ausmaß der Abweichung zulassen dürfen.

Unter diesem Blickwinkel sind die Bestimmungen der §§47, 48 und 215 LAO zu betrachten. Während §215 LAO mit seiner klaren Beschränkung des Instanzenzuges auf zwei Instanzen den oben dargestellten Anforderungen gerecht wird, ist dies bei den §§47 und 48 LAO nicht der Fall, weil die Anwendung des §47 LAO wieder zu §76 Abs1 und 3 GemO führt. Daraus folgt, daß - weil gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist - bei der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages §76 Abs1 und 3 GemO mit der Einschränkung auf zwei Instanzen gemäß §215 LAO zur Anwendung gelangt.

An dieser Stelle ist nun zu prüfen, ob es sich bei der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages um eine Verwaltungstätigkeit aus dem Bereich des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde handelt. Denn davon hängt es ab, ob §76 Abs1 GemO oder §76 Abs3 GemO zur Anwendung gelangt. Aus dem Fehlen der Bezeichnung dieser Verwaltungstätigkeit als solche des eigenen Wirkungsbereiches im FrVG ergibt sich, daß die Verwaltung im übertragenen Wirkungsbereich erfolgt und daher in zweiter und letzter Instanz die Bezirkshauptmannschaft zuständig ist.

Nach Ansicht der Bgld. Landesregierung hat der Landesgesetzgeber daher die Behördenzuständigkeit bei der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages eindeutig zum Ausdruck gebracht."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Alle in den - zulässigen - Anlaßfällen angefochtenen Bescheide werden verbal auf "§21" FrVG gestützt. Aus dem Verwaltungsgeschehen und der Begründung der Bescheide ergibt sich, daß sie in Handhabung des Abs7 dieser Gesetzesbestimmung ergingen.

b) Obgleich die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken (s. oben I.2.c.aa) dadurch bedingt sind, daß mehrere Rechtsvorschriften in unklarem Zusammenhang nebeneinander bestehen, haben diese Bedenken doch ihren Sitz allein im §21 Abs7 FrVG. Es wäre - falls sie sich als zutreffend erweisen sollten - nicht erforderlich, auch andere Vorschriften aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, um für die Anlaßfälle eine verfassungsrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage herzustellen (vgl. zB VfSlg. 9901/1983):

Die Fremdenverkehrsförderungsbeiträge sind Landesabgaben (und keine Gemeindeabgaben) iS des §48 LAO. Die Fremdenverkehrsförderungsbeiträge werden nämlich dem §18 Abs3 und dem §21 Abs2 FrVG zufolge vom Land erhoben. Dieser Umstand allein ist aber im gegebenen Zusammenhang für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob eine "Landesabgabe" oder eine "Gemeindeabgabe" vorliegt; es kommt hier also nicht darauf an, daß Ertragsanteile den Gemeinden zufließen. Entfiele die Kompetenzregel des §21 Abs7 FrVG, so ergäbe sich klar und eindeutig, daß mangels anderer Vorschriften (es wären dann den Gemeinden auf diesem Gebiet keine Vollziehungsaufgaben mehr übertragen, sodaß keine andere Bestimmung - und zwar weder die allgemeine des §33 Abs1 noch die besondere des §76 Abs3 GemO -, die von einer Zuständigkeit des Bürgermeisters als Behörde erster Instanz ausgeht, mehr zum Tragen kommen könnte) die subsidiäre Zuständigkeitsnorm für Abgaben anzuwenden wäre, das ist jener Teil des §48 LAO, der für die Landesabgaben gilt.

c) Der Abs8 des §21 FrVG bildet mit dem vorangehenden Abs7 keine untrennbare Einheit, sodaß eine Aufhebung auch des Abs8 nicht geboten wäre, um die angenommene Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Eine solche Aufhebung wäre auch nicht deshalb erforderlich, um den in der vorstehenden litb geschilderten Zustand zu bewirken. Abs7 regelt für den Schätzungsfall die bescheidmäßige "Feststellung der Höhe des Fremdenverkehrsförderungsbeitrages" (die Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung und die Festsetzung der Abgabe iS der §§149, 150 ff. LAO) abschließend, während sich der folgende Abs8 nur auf die Einhebung der Abgabe iS des 6. Abschn. der LAO bezieht, also bei Entscheidung über die Anlaß-Beschwerden außer Betracht zu lassen ist.

d) Zu untersuchen ist noch, ob es tatsächlich - wie im Einleitungsbeschluß vorläufig angenommen - erforderlich ist, den gesamten §21 Abs7 FrVG aufzuheben, um für die Anlaßfälle eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage herzustellen. Hiefür würde es - nach den obigen Ausführungen unter litb - hinreichen, die die Behördenzuständigkeit regelnde Wendung "vom Bürgermeister nach Anhören mit dem Fremdenverkehrsausschuß" aus der Rechtsordnung zu beseitigen. Würden weitere Bestimmungen aufgehoben, so würde mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden als erforderlich ist, um für die Anlaßfälle eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage zu schaffen (vgl. zB VfSlg. 7376/1974, S 108).

e) Das Gesetzesprüfungsverfahren war sohin, soweit es sich nicht auf die zitierte Wortfolge bezieht, mangels Präjudizialität einzustellen.

In Ansehung dieser Wendung ist es jedoch, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

2. a) Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was geeignet wäre, die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken zu entkräften. Insbesondere ist die Äußerung der Bgld. Landesregierung nicht dazu angetan, diese Bedenken zu zerstreuen.

Die Landesregierung versucht lediglich zu begründen, weshalb ihrer Meinung nach das FrVG in erster Instanz vom Bürgermeister, in zweiter und letzter Instanz von der Bezirkshauptmannschaft zu vollziehen sei. Die Ausführungen der Landesregierung vermögen die Behördenzuständigkeit(en) in der (den) höheren Instanz(en) nicht eindeutig und klar darzutun. Vielmehr beweisen diese Ausführungen geradezu, daß die vom VfGH geäußerten Bedenken zutreffen.

Die Landesregierung sieht sich nämlich zu umfangreichen und komplizierten Ableitungen genötigt, um das von ihr angenommene Ergebnis zu begründen. Auch sie vermag also die Behördenzuständigkeit in der (den) höheren Instanz(en) nicht deutlich zu erkennen. Ihre mühsame Argumentation ist keineswegs derart gestaltet, daß sie das Zutreffen anderer Interpretationen, wie sie im Einleitungsbeschluß in Betracht gezogen wurden, überzeugend ausschließt.

So ist zwar die oben unter I.3. wiedergegebene Ableitung in der Äußerung der Landesregierung (Instanzenzug: Bürgermeister-Bezirkshauptmannschaft) nicht geradezu unvertretbar. Sie unterstellt jedoch ohne weitere Begründung, daß §76 Abs3 GemO eine Vorschrift über den Wirkungsbereich der Abgabenbehörden ist. Wohl nur bei Zutreffen dieser Prämisse ginge §76 Abs3 GemO der Zuständigkeitsnorm des §48 LAO vor. Es ist aber ebenso die Meinung vertretbar, daß §76 Abs3 GemO nicht als "Vorschrift über den Wirkungsbereich der Abgabenbehörden" (als abgabenbehördliche oder abgabenorganisatorische Norm), sondern als typisch gemeindeorganistorische Bestimmung zu werten sei.

Sollte aber §76 Abs3 GemO doch anzuwenden sein, so ist keineswegs sicher, ob diese Bestimmung voll zum Tragen kommt (also der hier vorgesehene dreigliedrige Instanzenzug: Bürgermeister - Bezirkshauptmannschaft - Landesregierung gilt) oder ob der Instanzenzug - wie die Landesregierung meint - dem Regime des §215 LAO entspricht (also bloß zweigliedrig ist und daher bei der Bezirkshauptmannschaft endet).

Wäre jedoch §76 Abs3 GemO hier außer Betracht zu lassen, so ergäbe sich wohl aufgrund des §21 Abs7 FrVG iVm. §48 LAO der Instanzenzug:

Bürgermeister-Landesregierung.

Nicht von vornherein auszuschließen wäre aber auch die Meinung, §21 Abs7 FrVG regle die Behördenzuständigkeit derart abschließend, daß in diesen Angelegenheiten der Bürgermeister ("nach Anhören mit dem Fremdenverkehrsausschuß") als erste und einzige entscheidungsbefugte Behörde instituiert, als ein Instanzenzug überhaupt ausgeschlossen wird.

Die Wortinterpretation läßt mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu. Aber auch alle anderen Interpretaionsmethoden führen zu keinem eindeutigen Ergebnis; keine Variante kann für sich überzeugend in Anspruch nehmen, die einzig richtige zu sein, denn das Gesetz läßt zur Beantwortung dieser Frage keine Leitlinien erkennen; dem Gesetz sind keine Gesichtspunkte entnehmbar, welcher Auslegung der Vorzug zu geben ist.

b) Art18 iVm. Art83 Abs2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber, die Behördenzuständigkeit präzis zu regeln (vgl. zB die im Einleitungsbeschluß zitierte Vorjudikatur). Gerade hier ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen.

Der Gesetzgeber mißachtet dieses Gebot auch dann, wenn er sich unklar und undeutlich ausdrückt, weil damit eine Lage herbeigeführt wird, die einer unbestimmten Kompetenzabgrenzung gleichkommt. Die erwähnte Pflicht trifft den Gesetzgeber schon aus Gründen des Rechtsschutzes auch bei Festlegung der Gliederung des Instanzenzuges und der zuständigen Rechtsmittelbehörden.

Gegen dieses Gebot hat - wie die vorstehenden Ausführungen nachweisen - der bgld. Landesgesetzgeber verstoßen.

Die präjudizielle Wendung im §21 Abs7 FrVG war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, Finanzverfahren, Behördenzuständigkeit, Auslegung, Instanzenzug, Abgaben Gemeinde-, Abgaben Landes-, Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Wirkungsbereich übertragener

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:G33.1983

Dokumentnummer

JFT_10159772_83G00033_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten