TE Vfgh Erkenntnis 1984/2/29 B103/79

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Veröffentlicht am 29.02.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
EStG §4 Abs5

Leitsatz

EStG 1972; keine Bedenken gegen §4 Abs5; keine denkunmögliche Anwendung dieser Bestimmung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bf. ist praktischer Arzt in Lang bei Lebring in der Stmk. In seiner Steuererklärung für das Jahr 1976 machte er für Krankenbesuche und sonstige Dienstfahrten "Reisekosten" in der Höhe von 34470 S als Betriebsausgaben geltend. Diesen Betrag errechnete er unter Heranziehung der in §26 Z7 EStG 1972 vorgesehenen Tagesgelder für Inlandsdienstreisen.

Das Finanzamt Leibnitz versagte mit Bescheid vom 21. März 1978 diesen Aufwendungen insoweit die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben, als jene Kosten Fahrten im örtlichen Nahbereich betrafen.

1.2. In der dagegen erhobenen Berufung wurde vom Bf. im wesentlichen ausgeführt, daß er täglich im Schnitt zirka 80 km anläßlich von Krankenbesuchen zurücklegen und außerdem allwöchentlich Fahrten nach Graz zwecks Einkaufes von Medikamenten für seine Hausapotheke habe durchführen müssen.

Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Stmk., Berufungskommission für Stmk., Berufungssent 3, vom 10. Jänner 1979 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als vom Bf. Reisekosten für Fahrten in mehr als 20 km von der ärztlichen Praxis entfernte Orte als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.

2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Der Bf. vermeint, die ungleichmäßige abgabenrechtliche Behandlung seiner betrieblich veranlaßten Abwesenheiten von seinem Berufssitz gegenüber Dienstreisen unselbständig Erwerbstätiger finde weder eine sachliche noch eine gesetzliche Deckung. Eine generelle Bewertung, daß Abwesenheiten eines Selbständigen von seinem Betrieb im Umkreis von weniger als 20 km nicht als Reisen iS des §4 Abs5 EStG 1972 gelten könnten, während dies bei Unselbständigen anzunehmen sei, müsse abgelehnt werden; dies widerspreche dem Gleichheitsgebot und stelle einen gesetzlosen Eingriff in die Eigentumssphäre dar.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1.1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

3.1.2. Der VfGH hat in VfSlg. 6590/1971 zum Ausdruck gebracht, daß gegen §4 Abs6 EStG 1967 - der Vorläuferbestimmung zur inhaltlich gleichlautenden Regelung des §4 Abs5 EStG 1972 - verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen und zwar auch dann nicht, falls nach dieser Regelung eine Reise dann nicht vorläge, wenn zwar die Betriebsstätte, nicht aber der Ortsbereich, in dem sie liegt, verlassen werden muß, um eine betriebliche Tätigkeit zu entfalten. Die Bestimmung schließe nämlich nicht aus, daß die in Rede stehenden Aufwendungen einzeln nachgewiesen und als Betriebsausgaben in Rechnung gestellt werden, wenn sie durch eine betriebliche Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte (jedoch innerhalb des Ortsbereiches) bedingt sind. In VfSlg. 6638/1972 führte der VfGH zusätzlich aus, daß eine unsachliche Benachteiligung durch die Regelung jedenfalls dadurch ausgeschlossen werde, daß die Aufwendungen für die durch den Betrieb veranlaßten Reisen jederzeit einzeln nachgewiesen und als Betriebsausgaben in voller Höhe in Rechnung gestellt werden könnten, daß also kein Zwang bestehe, das Pauschale gemäß §4 Abs6 EStG 1967 (gleiches gilt nunmehr für §4 Abs5 EStG 1972) in Anspruch zu nehmen.

Der VfGH hält auch weiterhin an dieser Rechtsauffassung fest.

Wenn der Bf. vermerkt, daß die Kontrollfunktion des Dienstgebers nur in begrenztem Umfange bestehe, sodaß sich daraus für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit nichts ableiten lasse, so ist ihm entgegenzuhalten, daß Erwägungen dieser Art vom VfGH gar nicht ins Treffen geführt wurden. Es erübrigt sich daher schon deshalb eine Auseinandersetzung mit diesem Beschwerdeargument.

Sonstige Bedenken gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen wurden vom Bf. nicht geltend gemacht, auch im VfGH sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstanden.

3.1.3. Bei der somit gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur bei Willkür stattgefunden haben.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung macht der Bf. geltend, indem er aus der Wendung 'wenn sie die im §26 Z7 angeführten Sätze nicht übersteigen" in §4 Abs5 EStG 1972 ableitet, daß auch Abwesenheiten von der Betriebsstätte innerhalb eines Umkreises von 5 km als "Reisen" iS der zitierten Gesetzesstelle zu verstehen seien, da der Tarif II des §26 Z7 für betriebliche Betätigungen in diesem Umfeld der Dienststelle gilt. Damit unterstellt der Bf. jedoch, daß der Verwendung des Begriffes "Sätze" in §4 Abs5 die Bedeutung zukommen könne, daß alle in §26 Z7 festgelegten Pauschalsummen zwingend unter die Regelung des §4 Abs5 EStG 1972 fallen. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Verwendung des Plurals ("Sätze") jedoch schon dadurch rechtfertigt, daß in §26 Z7 sowohl für Tagesgelder nach Tarif I als auch für Nächtigungsgelder eine Mehrzahl von Ansätzen festgelegt werden. Ob auch der Tarif II nach §4 Abs5 EStG 1972 anwendbar ist, hängt davon ab, wie der Begriff "Reisen" in §4 Abs5 EStG 1972 auszulegen ist. Wenn der VwGH diesen Begriff in ständiger Rechtsprechung (vgl. VwSlg. 4446 F/1972, VwGH 29. 5. 1973 1644/72, 28. 10. 1975 696/74, 12. 10. 1977 1464/75, 2234/77, und 9. 3. 1979 3319, 3404, 3405/78) dahin ausgelegt hat, daß Tätigkeit im örtlichen Nahbereich eines Betriebes nicht als "Reisen" verstanden werden könnten - ein wesentliches Merkmal dieses Begriffes sei eine größere Entfernung vom Betriebsort -, so kann der bel. Beh. vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Tätigkeiten des Bf., die in einer Entfernung von weniger als 20 km von seinem Berufssitz ausgeübt wurden, das Vorliegen einer "Reise" verneint. Ob die bel. Beh. allerdings das Gesetz richtig angewandt hat, ist eine Frage, die nicht vom VfGH zu beantworten ist, da die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung dem VwGH übertragen ist.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wegen denkunmöglicher Gesetzesanwendung liegt somit nicht vor.

Behauptungen in Richtung eines willkürlichen Gesetzesvollzuges wurden vom Bf. gar nicht aufgestellt. Das Verwaltungsverfahren bietet auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich die bel. Beh. eine solche Verfassungsverletzung zuschulden kommen lassen hätte. Auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ist somit zu verneinen.

3.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Einkommensteuer, Gewinnermittlung (Einkommensteuer), Betriebsausgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B103.1979

Dokumentnummer

JFT_10159771_79B00103_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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