TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/1 B368/83

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Veröffentlicht am 01.03.1984
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art9a
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs3 idF BGBl 350/1981
ZivildienstG §2 Abs1
ZivildienstG §5 Abs3
ZivildienstG §45
ZivildienstG §46
ZivildienstG §53 Abs2

Leitsatz

Zivildienstgesetz; keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung bei mangelnder Bereitschaft, den Zivildienst zu leisten

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. begehrte mit Antrag vom 6. Juni 1982 seine Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, wobei er zur Antragstellung einen Vordruck verwendete, der unter Bezugnahme auf §5 Abs3 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 187/1974 idF der Nov. BGBl. 496/1980 (zuletzt geändert durch die Nov. BGBl. 344/1981 - im folgenden kurz: ZDG) eine Erklärung über die Bereitschaft zur Zivildienstleistung und die gewissenhafte Erfüllung der Zivildienstpflichten enthält. Zur Begründung führte der Bf. im wesentlichen aus, daß er seit zwei Jahren mit den Zeugen Jehovas die Bibel studiere und im Hinblick auf zitierte und noch weitere Stellen der Bibel zur Erkenntnis gelangt sei, das Gesetz Gottes zu übertreten, sobald er das Handwerk des Tötens erlerne; dies könne er vor Gott und seinem Gewissen nicht verantworten.

2. Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres wies den Antrag des Bf. mit Bescheid vom 28. September 1982 unter Berufung auf §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG ab, weil der Bf. zur mündlichen Verhandlung ohne Entschuldigung nicht erschienen, zur Glaubhaftmachung der Gewissensgründe jdedoch unbedingt ein persönliches Gespräch mit ihm erforderlich sei.

Der Bf. ergriff gegen den Bescheid der Zivildienstkommission Berufung, in welcher er sein Nichterscheinen zur Verhandlung mit einem näher erklärten Versehen entschuldigte und ersuchte, seinem Antrag auf Wehrpflichtbefreiung vom 6. Juni 1982 aus den darin angeführten Gründen stattzugeben.

3. Mit Bescheid vom 10. Jänner 1983 wies die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDOK) die Berufung des Bf. ab und begründete ihre Entscheidung mit näheren Ausführungen über die verfahrensrechtliche Lage im wesentlichen damit, daß das Nichterscheinen des Bf. in der Verhandlung vor der Zivildienstkommission von ihm selbst zu vertreten sei.

4. Gegen den Bescheid der ZDOK richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher der Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die Aufhebung dieses Bescheides sowie - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den VwGH begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der Bf. behauptet eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, die nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8787/1980) dann stattgefunden hätte, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hätte und weiters - da die für den Nachweis der Voraussetzung maßgebliche Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Grundrechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen wären oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hätte, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Entgegen der Meinung des Bf. kommt eine Verletzung des von ihm geltend gemachten Rechtes hier jedoch schon von vornherein nicht in Betracht, weil die Befreiung vom Wehrdienst als einen an dessen Stelle vorgesehenen Ersatzdienst (s. dazu Art9a B-VG) zu leisten. Dies bringt im übrigen auch die vom Bf. bezogene Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG in der Weise zum Ausdruck, daß von der Wehrpflicht nach Maßgabe (ua.) des §5 Abs3 leg. cit. zu befreien ist, dh. unter der in der zuletzt angeführten Gesetzesstelle festgelegten Voraussetzung, daß sich der Wehrpflichtige "ausdrücklich bereit zu erklären (hat), Zivildienst zu leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen".

Daß die eben erörterte Bereitschaft beim Bf. offenkundig nicht gegeben ist, er den Zivildienst vielmehr ebenso ablehnt wie den Wehrdienst, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen im Verwaltungsverfahren, in dem er seine (bloß formell noch nicht hergestellte) Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas besonders hervorhob. Es ist nämlich gerichtsbekannt, daß die Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft (auch) den Wehrersatzdienst vorbehaltlos ablehnen; dies wurde im übrigen auch vom Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH für seine Person betont, der ausdrücklich erklärte, daß er die Leistung des Zivildienstes ablehne und diese Haltung bereits im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingenommen habe. Dem Antrag des Bf. auf Wehrpflichtbefreiung konnte daher jedenfalls im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein, sodaß es unerheblich ist, ob der ZDOK eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aus einem anderen Blickwinkel anzulasten wäre.

Das Beschwerdeverfahren erbrachte auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen als dem geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge der Rechtswidrigkeit einer dem Bescheid zugrunde liegenden generellen Rechtsvorschrift stattgefunden habe.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

3. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war abzuweisen, weil Art144 Abs3 B-VG dieses Vorgehen dann verwehrt, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen ist. Dies trifft hier im Hinblick auf die Z4 im zuletzt bezogenen Art. deshalb zu, weil der Vorsitzende der ZDOK dem Richterstand angehört (§45 Abs1 ZDG), die Mitglieder der ZDOK in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind (§46 ZDG), die Bescheide der in oberster Instanz entscheidenden ZDOK nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen (§53 Abs2 zweiter Satz ZDG) und keine Gesetzesbestimmung besteht, welche die Anrufung des VwGH dennoch ausdrücklich für zulässig erklärte.

Schlagworte

Zivildienst, VfGH / Prüfungsmaßstab, Zivildienstkommission, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B368.1983

Dokumentnummer

JFT_10159699_83B00368_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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