TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/5 B101/80

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Veröffentlicht am 05.03.1984
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

MRK Art7
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GewO 1973 §1 Abs4
GewO 1973 §5 Z1
GewO 1973 §103 Abs1 litb Z1
GewO 1973 §366 Abs1 Z1

Leitsatz

GewO 1973; Verhängung einer Geldstrafe wegen Ausübung eines Anmeldungsgewerbes (Antiquitätenhandel) ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung gemäß §366 Abs1 Z1; keine Eigentumsverletzung; kein Eingriff in die Freiheit der Erwerbsbetätigung; keine Verletzung von Art7 MRK

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Sbg. vom 28. Jänner 1980 wurde der Bf. schuldig erkannt, dadurch eine Übertretung nach §366 Abs1 Z1 GewO 1973 begangen zu haben, daß er in Annoncen in den "Salzburger Nachrichten" an fünf näher bezeichneten Tagen verschiedene Stilmöbel (Antiquitäten) zum Verkauf angeboten habe, ohne im Besitze einer Gewerbeberechtigung für den Handel mit Antiquitäten zu sein; über den Bf. wurde eine Geldstrafe, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher behauptet wird, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Art6 StGG sowie Art7 MRK. Es wird die Aufhebung des Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. In der Beschwerde wird zunächst eingeräumt, daß der Bf. zwar die gewerberechtliche Berechtigung für den Handel mit Alt- und Gebrauchtwaren, nicht aber jene für den Handel mit Antiquitäten besitze. Die Behörde übersehe bei ihrer Annahme, der Bf. habe durch das Anbieten von Stilmöbeln in Inseraten gegen die Gewerbeordnung verstoßen, daß ein "Stilmöbel" noch lange keine Antiquität sein müsse. Schließlich lebten heute ganze Industrien davon, Stilmöbel vergangener Zeiten nachzubauen. Diese Möbel seien echte Stilmöbel wie etwa Biedermeiermöbel oder Barockmöbel. Von echten Stilmöbeln seien echte Antiquitäten und Antiquitäten zu unterscheiden. Der Bf. habe in keinem der inkriminierten Inserate ein Angebot erstellt, daß er Antiquitäten verkaufe. Zum Verkauf von Möbeln verschiedener Stilrichtungen sei der Bf. jedoch aufgrund seiner Gewerbeberechtigung befugt.

Der Bf. sei Restaurator antiker Möbel, wobei er eine künstlerische Tätigkeit ausübe. Der Bf. kaufe Möbelstücke ein, verändere die eingekauften Stücke und verkaufe künstlerisch ergänzte Möbel. Für die künstlerische Ausübung des Berufes als Restaurator brauche der Bf. keine Gewerbeberechtigung. Der Bescheid beschneide den Bf. in seinem Recht, seinen Beruf als künstlerischer Restaurator antiker Möbel auszuüben. Da die Tätigkeit des Bf. der Gewerbeordnung nicht unterliege, sei der Bf. auch wegen einer Tätigkeit bestraft worden, die nach inländischem Recht nicht strafbar sei.

2. Die bel. Beh. weist im angefochtenen Bescheid darauf hin, daß in den fünf Inseraten in den "Salzburger Nachrichten" überwiegend Biedermeier- und Barockmöbel zum Verkauf angeboten worden seien. Tatsache sei, daß man unter der sogenannten Biedermeierzeit die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts verstehe und daß "Barock" ein Baustil des 17. und 18. Jahrhunderts gewesen sei. Unter dem Begriff "Antiquitäten" seien nach den Erfahrungen des täglichen Lebens Gegenstände zu zählen, die mindestens hundert Jahre alt seien. Durch den Text der Inserate, welche in der Rubrik "Antiquitäten" eingeschaltet worden seien, sei somit zweifelsohne auf den Antiquitätenhandel hingewiesen worden. Das stelle keinesfalls einen Handel mit Alt- und Gebrauchtwaren dar.

Unbestritten sei, daß der Bf. die Inserate in den "Salzburger Nachrichten" mit der Absicht der Erzielung eines Ertrages aus dem Verkauf der Möbel habe einschalten lassen. Die Merkmale der Selbständigkeit und der Gewinnabsicht lägen daher vor. Gemäß §1 Abs4 zweiter Satz GewO 1973 werde das Anbieten einer den Gegenstand des Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten; es sei somit auch das Merkmal der Regelmäßigkeit gegeben und daher eine gewerbsmäßige Tätigkeit anzunehmen.

3. a) Nach §366 Abs1 Z1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Anmeldungsgewerbe (§5 Z1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

§5 Z1 dieses Gesetzes bezeichnet Anmeldungsgewerbe als solche Gewerbe, die bei Erfüllung der allgemeinen oder der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden dürfen. Als Anmeldungsgewerbe werden auch die gebundenen Gewerben (§6 Z2) bezeichnet. Zu den gebundenen Gewerben gehört nach §103 Abs1 litb Z1 GewO 1973 ua. der Antiquitäten- und Kunstgegenständehandel.

Gemäß §1 Abs4 GewO 1973 wird das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.

Der VfGH hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmungen, auf denen der angefochtene Bescheid beruht (vgl. VfSlg. 8441/1978, S 370); solche Bedenken sind auch vom Bf. nicht vorgebracht worden.

b) Eine Verletzung des Grundrechtes auf Erwerbsausübung setzt voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördliche Bescheide der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, VfGH 29. 6. 1982 B65/81).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Bf. eine Geldstrafe wegen der bewilligungslosen Ausübung des Handels mit Stilmöbeln (Antiquitäten) verhängt. Damit wurde nicht der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt. Der angefochtene Bescheid hat daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Bf. auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht eingegriffen (s. VfSlg. 7993/1977, S 90).

c) Hingegen greift der angefochtene Bescheid, mit welchem eine Geldstrafe verhängt wurde, in das - nicht geltend gemachte - verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Bf. auf Unversehrtheit des Eigentums ein.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte,. daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981).

In der Beschwerde wird vorgebracht (s. oben unter Punkt 1.), die Behörde habe "übersehen", daß ein Stilmöbel noch lange keine Antiquität sein müsse, und sei unzutreffenderweise davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Bf. der Gewerbeordnung unterliegt. Wenn die Behörde aus dem Umstand, daß die Inserate - auch wenn in ihnen von Antiquitäten nicht die Rede war - unter der Rubrik "Antiquitäten" veröffentlicht wurden, geschlossen hat, der Bf. habe Antiquitäten zum Verkauf angeboten, dann ist diese Schlußfolgerung nicht geradezu denkunmöglich.

Der VfGH kann daher nicht finden, daß die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (s. oben unter Punkt 2.) das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

d) Wie der VfGH im Erk. VfSlg. 6762/1972 dargelegt hat, enthält Art7 MRK (im ersten Satz seines Abs1) das Verbot, eine Strafbefugnis wegen einer Handlung auszuüben, welche nicht der strafrechtlichen Beurteilung unterliegt, weil sie gegen keine rechtsgültige Strafdrohung verstößt. Der Schutzumfang dieses Grundrechtes umfaßt jedoch weder eine Verletzung von Verfahrensvorschriften noch die hier behauptete unrichtige - aber denkmögliche (s. oben unter Punkt c) - Anwendung einer vorhandenen Strafnorm (vgl. hiezu auch VfSlg. 7814/1976, S 295 f).

Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte, die auf einen Verstoß der bel. Beh. gegen die in Rede stehende Bestimmung der MRK hinwiesen (s. auch die Ausführungen oben unter Punkt c).

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B101.1980

Dokumentnummer

JFT_10159695_80B00101_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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