TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/5 B315/80

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Veröffentlicht am 05.03.1984
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
AVG §69 Abs2
Tir FlVLG 1978
ZPO §534 Abs3

Leitsatz

AVG; keine Bedenken gegen die in §69 Abs2 normierte 3-Jahres-Frist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsrechtes; rechtmäßige Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrages als verspätet; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Im Zuge des Zusammenlegungsvefahrens Obsteig (Tirol) hat das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz mit Bescheid vom 4. Juli 1975 den Zusammenlegungsplan erlassen. Danach wurden dem Bf. ua. die Abfindung 5896 und dem Beteiligten H S die Abfindung 5897 zugewiesen.

Der Bf. hat in der Folge auf der im Eigentum des H S stehenden Abfindung 5897 einen Zaun errichtet. Mit Antrag vom 22. Oktober 1979 begehrte H S bei der Agrarbehörde I. Instanz die Entfernung dieses Zaunes. Anläßlich einer darüber am 20. November 1979 durchgeführten Verhandlung (bei der sich aufgrund eines Lokalaugenscheines ergab, daß der Zaun tatsächlich auf der H S gehörenden GP 5897 stand) stellte der Bf. den Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem Zusammenlegungsplan vom 4. Juli 1975 abgeschlossenen Zusammenlegungsverfahrens.

Mit Bescheid der Agrarbehörde I. Instanz vom 14. Feber 1980 wurde der Wiederaufnahmsantrag des Bf. zurückgewiesen und zugleich dem Antrag des H S stattgegeben und der Bf. gemäß §§354 und 366 ABGB iVm. §72 Abs4, 5 und 6 des Tir. Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978), LGBl. 54, zur Abtragung des von ihm auf der GP 5897 errichteten Zaunes verpflichtet.

Der Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung hat mit Bescheid vom 8. Mai 1980 die vom Bf. gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung gemäß §§66 Abs4 und 69 Abs2 AVG 1950 iVm.

§72 Abs5 TFLG 1978 sowie den §§354 und 366 ABGB als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den VfGH, in welcher der Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben. Der Bf. regt auch an, die Worte "jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides" in §69 Abs2 AVG 1950 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Behörde hat die Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrages damit begründet, der Antrag sei nicht innerhalb der Frist von drei Jahren nach Erlassen des Bescheides gestellt worden, innerhalb welchen Zeitraumes nach §69 Abs2 AVG 1950 die Wiederaufnahme zulässig sei.

Der Bf. bringt dagegen sachverhaltsmäßig nichts vor. Er äußert vielmehr Bedenken gegen die Bestimmung des §69 Abs2 AVG 1950 unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes, weil es sachlich nicht gerechtfertigt sei, daß nach dieser Gesetzesbestimmung ein Antrag auf Wiederaufnahme nur spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde eingebracht werden könne, gemäß §534 Abs3 ZPO jedoch eine Wiederaufnahmsklage binnen zehn Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils erhoben werden könne. Diese Diskrepanz sei im vorliegenden Fall noch weniger verständlich als allgemein, da normalerweise in Grenzstreitigkeiten das Zivilgericht zuständig sei, wo eine Wiederaufnahme innerhalb von zehn Jahren zulässig sei, obwohl es in Zivilstreitigkeiten durchwegs um geringere Werte gehe als in einem Zusammenlegungsverfahren, in welchem nicht nur einzelne Grenzen strittig seien, sondern großräumige Grenzverschiebungen stattfänden.

Der VfGH teilt die Bedenken des Bf. unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht. Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 8938/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur) die Auffassung, daß der Gesetzgeber nicht gehalten ist, bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute und verschiedner Verwaltungsmaterien gleichartig vorzugehen. Bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute ist aber jedes Rechtsinstitut für sich am Gleichheitsgrundsatz zu messen (s. VfSlg. 9319/1982). Daß §69 Abs2 AVG 1950 für sich betrachtet gleichheitswidrig sei, behauptet auch der Bf. nicht.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß durch die Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrages kein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in Form einer zu Unrecht erfolgten Verweigerung der Sachentscheidung (vgl. zB VfSlg. 9105/1981) vorliegt. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften ist es damit auch ausgeschlossen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid insoweit in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).

2. Gegen die von der Behörde ausgesprochene Verpflichtung zur Abtragung des Zaunes als solche wird in der Beschwerde nichts vorgebracht. Vielmehr wird unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsrechtes darauf hingewiesen, daß die Festlegung der Grenzen zwischen den Abfindungen 5896 und 5897 mit den Bestimmungen des TFLG 1978 nicht in Einklang stünde.

Auf die vom Bf. dafür herangezogenen Gründe ist jedoch schon deshalb nicht einzugehen, weil sich dieses Vorbringen nicht gegen den hier angefochtenen Bescheid, sondern gegen den rechtskräftigen Zusammenlegungsplan vom 4. Juli 1975 richtet.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, ist die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltunsgverfahren, Wiederaufnahme, Bodenreform, Flurverfassung, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B315.1980

Dokumentnummer

JFT_10159695_80B00315_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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