TE Vfgh Beschluss 2006/6/21 B686/05

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Veröffentlicht am 21.06.2006
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §45 Abs2, §148 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags einer Gemeinde zur Beschwerdeführung gegen die Bestellung des damaligen Bürgermeisters zum Vertreter der Gemeinde in einem im Jahr 1960 eingeleiteten Regulierungsverfahren als verspätet; Wegfall des Hindernisses eines Irrtums spätestens anlässlich einer Besprechung nach bücherlicher Übertragung des Eigentums am Gemeindegrund an die Agrargemeinschaft; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der vorliegende Antrag begehrt die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. August 1969, der einer Berufung des P T und anderer Nutzungsberechtigter gegen den Bescheid der Agrarbehörde vom 17. April 1969 keine Folge gibt, womit festgestellt wird, dass bestimmte Liegenschaften im Eigentum der Agrargemeinschaft Trins stünden, dieser die Verwaltung des Regulierungsgebietes übertragen werde und Verwaltungssatzungen erlassen werden. Der Bescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gemäß §7 Abs2 AgrBehG die Berufung nur hinsichtlich der Frage zulässig ist, ob eine Agrargemeinschaft vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt und wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist.

In der Begründung des Bescheides wird unter anderem ausgeführt:

"Obwohl aus den Berufungsausführungen nicht zu erkennen ist, ob die Berufungswerber sich auch durch die Übertragung des Eigentums am Regulierungsgebiet an die Agrargemeinschaft beschwert erachten, hatte sich der Landesagrarsenat aus Anlaß der Berufung auch der Frage zugewendet, ob für die Feststellung des Eigentumsrechtes zugunsten der Agrargemeinschaft im Zuge des Regulierungsverfahrens eine gesetzliche Grundlage besteht. Diesbezüglich nimmt der Landesagrarsenat folgenden Rechtsstandpunkt ein:

Das zweite Hauptstück des FLG. enthält unter der Überschrift 'Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken 'einleitende Bestimmungen, die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind. Im §75 FLG, der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bei der Regulierung beschreibt, ist zwar die Feststellung des Eigentumsrechtes zugunsten der Agrargemeinschaft nicht angeführt; es ergibt sich aber aus den erwähnten einleitenden Normen des zweiten Hauptstückes (§36 Abs2 litd und §38 Abs1 und 7 FLG.) die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, welche Grundparzellen Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind, und wem sie gehören, insbesondere ob das Eigentum den Nutzungsberechtigten als Miteigentümer oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht. Da die Nutzung des Gemeindegutes rechtshistorisch gesehen aus der gemeinschaftlichen Allmendnutzung hervorgegangen ist, ist die Form des Miteigentums ausgeschlossen und das Eigentum der Rechtsnachfolgerin der auf Gewohnheitsrecht beruhenden Realgemeinde, nämlich der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, einzuräumen.

Die Frage, ob im Lichte der Gemeindeverfassungsnovelle, BGBl. Nr. 205/1962, die Zustimmung des Gemeindevertreters zur Eigentumsübertragung ausreicht, ist problematisch. Der Landesagrarsenat hält jedoch dafür, daß eine allfällige Willensbildung des zur Privatwirtschaftsverwaltung berufenen Gemeindeorganes keine Voraussetzung für die von der Agrarbehörde nach dem Prinzip der Amtswegigkeit des Agrarverfahrens zu treffenden Entscheidung darstellt."

Der Bescheid wurde den Berufungswerbern, dem (laut Wiedereinsetzungsantrag für das am 4. Jänner 1960 neu eingeleitete Regulierungsverfahren mit Beschluss vom 25. Feber 1961 für das Verfahren bestellten) Vertreter der Gemeinde Trins, dem Bürgermeister der Gemeinde Trins und (offenbar für die Nutzungsberechtigten) an E.H. zugestellt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird - ähnlich den bereits entschiedenen Fällen der Gemeinde Neustift (B334/05 vom 4. März 2006) und der Gemeinde Mieders (B619/05 vom 8. Juni 2006) - mit einem Irrtum der antragstellenden Gemeinde über die Rechtslage und Bedeutung der Eigentumsübertragung von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft begründet, den die Behörden bei den ahnungslosen Bürgermeistern und Gemeindevertretern geradezu arglistig herbeigeführt hätten.

Die gleichzeitig erhobene Beschwerde, nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen bestätigender Entscheidung der II. Instanz für zulässig erachtet, rügt die Verletzung im Eigentumsrecht und in der Gleichheit vor dem Gesetz und macht Verfahrensmängel und verfassungswidrige Veränderung der Eigentumsverhältnisse geltend.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die antragstellende Gemeinde durch einen Bescheid, der die Berufung am Gemeindegut Nutzungsberechtigter gegen die Feststellung des Eigentums der Agrargemeinschaft, die Übertragung der Verwaltung auf die Agrargemeinschaft und die Erlassung von Verwaltungssatzungen abweist, beschwert sein könnte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre jedenfalls nur zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde (§33 VfGG iVm §146 Abs1 ZPO und §35 Abs1 VfGG). Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt auch dann keine Wiedereinsetzung, wenn zu diesem Zeitpunkt eine irrige Rechtsansicht verbreitet war oder wurde. Die These, die Gemeinde sei gleichsam nur Treuhänderin einer Realgemeinde und ihr bisheriges bücherliches Eigentum nuda proprietas gewesen, hätte nämlich ungeachtet ihrer Verbreitung in Zweifel gezogen werden können (und wäre nach den eigenen Ausführungen der antragstellenden Gemeinde von beigezogenen Fachleuten auch unschwer als zumindest zweifelhaft erkannt worden). Über die Möglichkeit, Rechtsbehelfe zu ergreifen, war die Gemeinde nicht in Irrtum geführt worden. Selbst wenn die Behörde bei Bescheiderlassung wider besseres Wissen gehandelt hätte, wäre dies kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. B619/05 vom 8. Juni 2006).

Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen (§7 Abs2 litd VfGG).

III. Infolgedessen ist auch die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen (§82 Abs1 VfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, Flurverfassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B686.2005

Dokumentnummer

JFT_09939379_05B00686_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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