TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/8 B245/79

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Veröffentlicht am 08.03.1984
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
KFG 1967 §66
KFG 1967 §73 Abs1 und Abs2

Leitsatz

Kraftfahrgesetz 1967; keine Willkür bei Entzug einer Lenkerberechtigung für die Zeit von zwei Jahren gemäß §73 Abs1 und 2 aufgrund der Sinnesart der Bf.

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 8. November 1978 wurde der Bf. gemäß §73 Abs1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B entzogen und gemäß §73 Abs2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihr für die Zeit von zwei Jahren, das ist bis zum 27. Juli 1980, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Sollte sie wegen der von ihr begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden und diese verbüßen, werde die Zeit des Freiheitsentzuges nicht in die Entziehungszeit eingerechnet. Nach Ablauf der Entziehungszeit könne ihr die Lenkerberechtigung nur dann wieder erteilt werden, wenn sie bis dahin keinen Anlaß zur neuerlichen Einleitung eines Führerscheinentzugsverfahrens biete. Vor einer eventuellen Wiedererteilung habe die Bf. die zum Lenken von KFZ erforderliche geistige und körperliche Eignung durch ein ärztliches Gutachten, ihre fachliche Befähigung durch die Ablegung einer neuerlichen Lenkerprüfung und ihre psychische Eignung durch die Ablegung eines Psychotestes nachzuweisen. Eine neu erteilte Lenkerberechtigung sei auf die Dauer eines Jahres zu befristen.

1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vom Landeshauptmann von OÖ mit Bescheid vom 3. Mai 1979 insoferne Folge gegeben, als derjenige Teil des angefochtenen Spruches behoben wurde, der die Ablegung eines Psychotestes vorschrieb und eine neu erteilte Lenkerberechtigung auf die Dauer eines Jahres befristete. Im übrigen blieb der angefochtene Bescheid aufrecht.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit wird von der Bf. behauptet, weil mit dem angefochtenen Bescheid die nach §66 Abs1 KFG 1967 geforderte "Verläßlichkeit insbesondere unter Bezugnahme auf (ihren) Stand in Zweifel gezogen" werde. Die Bf. vermeint damit, daß die bel. Beh. ihr die Zuverlässigkeit iS der zitierten Gesetzesstelle abspreche, weil sie eine Prostituierte sei.

3.2. Die bel. Beh. führt zur Begründung des angefochtenen Bescheides aus, daß die Bf. mit Urteil des Kreisgerichtes Ried als Geschworenengericht des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§15, 142 Abs1, 143 StGB für schuldig erkannt worden sei. Die Bf. habe am 28. Juli 1978 versucht, eine Angestellte der Raiffeisenkasse St. R mit einer Gasalarmpistole zur Herausgabe von Bargeld zu zwingen. Nach §73 Abs1 KFG 1967 sei Besitzern einer Lenkerberechtigung, wenn aufgrund der Wertung erwiesener "bestimmter Tatsachen" nicht mehr anzunehmen sei, daß sie iS des §66 KFG 1967 verkehrszuverlässig sind, die Lenkerberechtigung zu entziehen. Gemäß Abs2 litd leg. cit. gelte als "bestimmte Tatsache", wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß §§142 und 143 StGB begangen habe. Eine "bestimmte Tatsache" iS dieser Gesetzesstelle liege im gegebenen Fall vor. Die Bf. habe bei Begehung der strafbaren Handlung ihren PKW benützt, um die Tatausführung zu erleichtern. Es sei unwesentlich, ob Prostituierte generell zu strafbaren Handlungen neigen. Im speziellen Fall sei davon auszugehen, daß die Bf. mehrfach mit den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen in Konflikt geraten sei; aufgrund des vorliegenden schwerwiegenden Sachverhaltes sei auch die Dauer der Entziehung gerechtfertigt. Diese sei gemäß §73 Abs1 KFG 1967 eine endgültige, sodaß die Bf., wenn sie nach Ablauf der festgesetzten Zeit eine neue Lenkerberechtigung beantrage, sich dem gesamten Verfahren zur Erteilung der Lenkerberechtigung zu unterziehen habe. Hiebei handle es sich jedoch um ein gesondertes Verfahren, sodaß die von der ersten Instanz vorgesehene Befristung und der vorgeschriebene Psychotest als Vorgriff auf ein solches Verfahren unzulässig seien.

3.3. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §73 Abs1 und 2 KFG 1967. Bedenken gegen diese Bestimmungen oder sonstige Rechtsgrundlagen wurden von der Bf. nicht geltend gemacht, derartige Bedenken sind auch im VfGH nicht entstanden (vgl. insbesondere auf VfSlg. 6898/1972).

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt - derartiges wurde gar nicht behauptet - oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie die Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat, oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (vgl. zB VfSlg. 8783/1980, 9024/1981).

Auch für einen solchen Vorwurf finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere ist es nicht willkürlich, wenn die Behörde, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, davon ausgeht, daß es bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person darauf ankommt, ob sie eine Gefahr für andere Straßenbenützer darstellt und wie sie sich aufgrund des Bildes ihrer Gesamtpersönlichkeit voraussichtlich im Verkehr verhalten wird (vgl. hiezu VfSlg. 6976/1973). Es kann hiebei dahingestellt bleiben, ob nach dem vorliegenden Sachverhalt die Bf. mit Recht als verkehrsunzuverlässig erachtet wurde, weil aufgrund ihrer Sinnesart zu schließen sei, daß sie sich beim Lenken von KFZ wegen der erleichternden Umstände, die hiedurch für sie gegeben seien, schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Wenn die bel. Beh. die Entziehung der Lenkerberechtigung für die festgesetzte Dauer für gerechtfertigt hielt, hat sie jedenfalls weder der Norm einen unsachlichen Inhalt unterstellt noch einen Willkürakt gesetzt. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor. Für die Beurteilung der Frage, ob das Gesetz richtig angewendet wurde, ist ausschließlich der VwGH zuständig, dem die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten staatlichen Verwaltung obliegt.

3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B245.1979

Dokumentnummer

JFT_10159692_79B00245_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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