TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/7 B315/79

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Veröffentlicht am 07.06.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
VStG §5
VStG §19
VStG §31 Abs2
Wr BauO 1930 §129 Abs2
Wr BauO 1930 §135 Abs1

Leitsatz

Wr. Bauordnung; Verhängung einer Verwaltungsstrafe gemäß §129 Abs2 iVm. §135 Abs1; keine denkunmögliche Bestrafung bzw. Strafbemessung; kein Entzug des gesetzlichen Richters aus dem Grunde der Verjährung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Wr. Magistrats, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 11. Juli 1977 wurde Dr. F R M für schuldig erkannt, er habe als Eigentümer des Hauses Wien, N-Gasse, in der Zeit vom 20. März 1976 bis 23. August 1976 insofern nicht für die Erhaltung dieser Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien, LGBl. für Wien 11/1930 idF der BauordnungsNov. 1976, LGBl. 18/1976 (künftig: BO), entsprechenden Zustand gesorgt, als er es unterlassen habe, den Verputz der Hofschauflächen des rechten und linken dreigeschossigen Seitengebäudes instand setzen zu lassen, wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach §129 Abs2 BO begangen habe; hiefür wurde über ihn gemäß §135 Abs1 leg. cit. eine Geldstrafe von 10000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von 10 Tagen verhängt.

1.2. Mit Berufungsbescheid der Wr. Landesregierung vom 27. April 1979, Z Ma 64-76/79/Str., wurde dieses Straferk. bestätigt.

2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der von Dr. F R M die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und - der Sache nach - die Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Gemäß §129 Abs2 BO hat der Eigentümer dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Abs5 verpflichtet den Eigentümer eines Gebäudes, dessen Bauzustand zu überwachen. In Abs10 ist vorgesehen, daß Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben sind.

§135 Abs1 BO droht für Übertretungen der Vorschriften der BO eine Geldstrafe bis zu 100000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten an.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese, den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften sind weder vorgebracht worden noch im Verfahren beim VfGH entstanden (vgl. VgSlg. 7675/1975 und die dort angeführte Vorjudikatur, weiters VfSlg. 8910/1980).

3.2. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesezlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums durch den in sein Eigentum eingreifenden angefochtenen Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 8083/1977) nur dann vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall der dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3.3.1.1. Der Vorwurf einer Scheinanwendung des Gesetzes wird vom Bf. zunächst damit begründet, daß er im Hinblick auf den schlechten Bauzustand des aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Gebäudes Kündigungsverfahren gegen die Mieter eingeleitet hätte, um das Objekt zum Zwecke seines Abbruches von Bestandverhältnissen freizumachen. Es stehe einem Hauseigentümer im Falle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit frei, der Verpflichtung zur Instandsetzung des Hauses dadurch zu entgehen, daß von ihm eine Abtragungsbewilligung erwirkt wird. "Da nun weder ein Abbruchsauftrag, noch eine Abbruchsgenehmigung erteilt werden, wenn so lange Bestandverhältnisse bestehen, und die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit von Instandsetzungsaufträgen nicht gerichtlich geklärt ist," habe der Bf. zunächst das Gerichtsverfahren abwarten müssen. Des weiteren habe er "die Frage des Bestehens einer Schutzzone zu prüfen" gehabt. Nach Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichtes vom 9. April 1976 habe er, "da die Besprechungen mit der Baubehörde zu keinem Ziele führten", am 27. September 1977 einen Antrag auf Erteilung eines Abbruchauftrages eingebracht. Wenn ihm die bel. Beh. vorwerfe, für einen Tatzeitraum vom 20. März bis 23. August 1976 säumig gewesen zu sein, gehe dieser Vorwurf schon deshalb ins Leere, weil die wirtschaftliche Abbruchreife und Unzumutbarkeit von Instandsetzungsarbeiten erst durch die Entscheidung des Berufungsgerichtes vom 9. April 1976 festgestellt worden sei. Mit dem angefochtenen Bescheid würde ihm auch nicht angelastet, daß er die körperliche Sicherheit von Personen gefährdende Baugebrechen nicht behoben habe, sondern nur die Nichtinstandsetzung des Verputzes der Hofschaufläche, also lediglich die Unterlassung "einer kosmetischen Operation am äußeren Aussehen der Innenseite des Hauses". Der Bf. habe alles ihm Zumutbare getan, um die Voraussetzungen für die Erlassung eines Abbruchauftrages herbeizuführen.

3.3.1.2. Im angefochtenen Bescheid legt die bel. Beh. dar, daß sich die Instandhaltungsvepflichtung des Eigentümers eines Gebäudes gemäß §129 Abs2 BO direkt aus dem Gesetz ergebe. Die Verletzung der Instandhaltungspflicht stelle ein Ungehorsamsdelikt dar; der Eigentümer eines Gebäudes bleibe daher nur straffrei, wenn von ihm bewiesen wird, daß er alles in seinen Kräften Stehende unternommen hat, um das festgestellte Baugebrechen in kürzester Zeit zu beseitigen. Das tatsächliche Voliegen eines Baugebrechens werde vom Bf. nicht bestritten. Grundsätzlich sei nun nicht ausgeschlossen, daß ein Eigentümer seiner Instandhaltungspflicht auch in der Weise Genüge tue, daß er den Abbruch des schadhaften Gebäudes anstrebe; für diesen Fall müsse jedoch im öffentlich-rechtlichen Bereich zielführend vorgegangen werden, insbesondere also unverzüglich um eine Abbruchbewilligung angesucht werden. Der Bf. habe bereits 1972 Kündigungsverfahren gegen die Mieter eingeleitet, woraus hervorgehe, daß er bereits zu diesem Zeitpunkt den Abbruch des Hauses angestrebt habe. Einen Antrag auf Erteilung der Abbruchbewilligung habe er jedoch erst am 27. September 1977 eingereicht, sodaß ihm im öffentlich-rechtlichen Bereich "bei seinem Bemühen, Baugebrechen durch Abbruch zu beseitigen", eine erhebliche Säumnis zur Last falle.

3.3.1.3. Der VfGH kann nicht finden, daß unter den gegebenen Umständen der bel. Beh. der Vorwurf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gemacht werden kann. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, Daß dem Bf. im Hinblick auf aufgetretene Baugebrechen bereits im Jahre 1972 Bauaufträge erteilt wurden. Unwidersprochen ist auch, daß der Bf. bereits im Jahre 1972 Kündigungsverfahren gegen die Mieter des Hauses eingeleitet hat, jedoch einen Antrag auf Erteilung der Abbruchsbewilligung erst am 27. September 1977, somit also mehr als ein Jahr nach dem Ende des ihm im angefochtenen Bescheid angelasteten Tatzeitraumes, an die zuständige Behörde richtete. Die Behörde konnte daher hinsichtlich des gesamten Zeitraumes vom 20. März bis 23. August 1976 denkmöglich davon ausgehen, daß der Bf. nicht bewiesen hat, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um die festgestellten Baugebrechen zu beseitigen. Soweit der Bf. vermeint, daß ein Abbruchauftrag erst nach Feststellung der technischen und wirtschaftlichen Abbruchreife durch das Zivilgericht ergehen könne, ist ihm zu entgegnen, daß die Auffassung der bel. Beh., es sei ihm wegen Nichteinholung einer Abbruchsbewilligung ein Verschulden zur Last zu legen, im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH steht (vgl. VwGH. 25. Jänner 1965 Z 2150/63).

Das Vorbringen des Bf., eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liege auch deshalb vor, weil ihm mit der Instandsetzungspflicht für eine Hofschaufläche Unzumutbares zugemutet werde, da es sich hiebei "lediglich (um) eine kosmetische Operation" handle, die zur Erhaltung der Substanz gar nichts hätte beitragen können, reicht jedenfalls nicht in die Verfassungssphäre (s. hiezu VwSlg. 6215 A/1964).

In keiner Weise zielführend ist schließlich das Vorbringen des Bf., soweit zur Widerlegung einer Säumnis darauf verwiesen wird, daß "auch die Frage des Bestehens einer Schutzzone zu prüfen" gewesen sei, da sich die Beantwortung dieser Frage für den Bf. schon aus einer Einsichtnahme in den Flächenwidmungsplan, die ihm jederzeit freistand, ergab. Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die bel. Beh. ergibt sich auch hiedurch nicht.

3.3.2.1. Der Bf. vermeint weiters im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, weil eine allfällige Strafbarkeit seines Verhaltens durch Verjährung bereits erloschen gewesen sei. Im angefochtenen Bescheid werde ihm ein Tatzeitraum vom 20. März bis 23. August 1976 angelastet; nach §31 Abs2 VStG betrage die Verjährungsfrist 6 Monate. Da das Straferk. erster Instanz vom 11. Juli 1977 stamme, und eine Verfolgungshandlung vor dem 11. Jänner 1977 nicht stattgefunden habe, stehe seiner Bestrafung Verjährung entgegen.

3.3.2.2. Wenn die Behauptung des Bf. zuträfe, daß eine Verfolgung des ihm angelasteten Verhaltens wegen Verjährung nicht mehr zulässig war, wäre der Bf. nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (vgl. zB VfSlg. 8092/1977). Entgegen seinem Vorbringen ergibt sich jedoch aus den vorgelegten Verwaltungsakten, daß eine erste Verfolgungshandlung gegen ihn bereits am 27. Oktober 1976 durch Erlassung des Beschuldigten-Landungsbescheides, der ihm am 29. Oktober 1976 zugestellt wurde, gesetzt wurde. Diese Verfolgungshandlung erfolgte unzweifelhaft innerhalb - der damals noch mit 3 Monate bemessenen - Verjährungsfrist gemäß §31 Abs2 VStG. Das dem Bf. angelastete Verhalten für den Tatzeitraum von 20. März bis 23. August 1976 war somit nicht verjährt.

3.3.3.1. Der Bf. behauptet schließlich auch, die Höhe der über ihn verhängten Strafe beruhe auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung.

§135 BO habe in der für den Tatzeitraum geltenden Fassung die Androhung einer Geldstrafe bis zu 30000 S enthalten, da ArtII der Bauordnungs-Nov. 1976 angeordnet habe, daß für die Dauer von 3 Monaten die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden seien. Nach §19 VStG sei das Ausmaß des Verschuldens zu berücksichtigen; hier liege nur ein sehr geringes Verschulden des Bf. vor. Gemäß §25 Abs2 VStG sei die Behörde verpflichtet, die der Entlastung eines Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Unbeschadet des Umstandes, daß ein Beschuldigter berechtigt sei, jede Auskunft zu verweigern, zumal eine Offenlegungspflicht - anders als nach §119 BAO - nicht bestehe, hätte die Strafbehörde, "um sich nicht dem Vorwurf der Verletzung der Freiheit (des) Eigentums auszusetzen", durch Erhebung der Einkommensverhältnisse des Bf. zur richtigen Festsetzung einer zu verhängenden Strafe kommen müssen. Die Bemessung der Strafe in der Höhe eines Drittels der Höchststrafe mit dem Hinweis darauf, daß der Bf. keinerlei Angaben gemacht habe, sei rechtswidrig und diene lediglich als scheinbare Deckung eines an sich gesetzlosen Eingriffs in das Eigentum.

3.3.3.2. Zu diesen Ausführungen ist vorerst zu bemerken, daß §135 Abs1 BO in der hier bereits maßgeblichen Fassung der Bauordnungs-Nov. 1976 die Androhung einer Geldstrafe bis zu 100000 S enthält, wovon auch die bel. Beh. ausgegangen ist. Im angefochtenen Bescheid wird von der bel. Beh. zur Frage der Strafbemessung festgestellt, daß der Bf. über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse keinerlei Angaben machte und auch in der Berufung die Behauptung, daß die Strafe überhöht sei, ohne nähere Begründung vorgebracht habe. Die bel. Beh. sehe sich demnach nicht veranlaßt, vom verhängten Strafausmaß abzugehen, zumal die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend hätten berücksichtigt werden müssen.

Der VfGH kann nicht finden, daß der bel. Beh. hiebei ein in die Verfassungssphäre reichender Mangel vorzuwerfen wäre. In Wahrheit wird vom Bf. die Richtigkeit der Strafbemessung bestritten, somit also ein Vorwurf erhoben, der nicht vom VfGH zu beurteilen ist. Zur Prüfung der Frage, ob die Behörde richtig entschieden hat, ist allein der VwGH berufen.

3.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Instandhaltungspflicht, VfGH / Prüfungsmaßstab, Verwaltungsstrafrecht, Verjährung, Strafbemessung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B315.1979

Dokumentnummer

JFT_10159393_79B00315_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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