TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/26 B441/80, B442/80, B443/80, B444/80, B445/80

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Veröffentlicht am 26.06.1984
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Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art102
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
AVG §78
TierseuchenG §11 Abs1 Z2
Verordnung des Landeshauptmannes vom 23.10.72 über die Vornahme der tierärztlichen Untersuchung von Tieren bei der Beförderung mit Eisenbahnen. Schiffen. Kraftfahrzeugen (Anhängern) und Luftfahrzeugen in Niederösterreich, LGBl 6400/1-0 idF LGBl 6400/1-2 §6 Abs1, §16

Leitsatz

Tierseuchengesetz; Kostenvorschreibung für amtsärztliche Untersuchung anläßlich einer Umladung von Tieren gemäß §11 Abs1 Z2 iVm. §6 Abs1 der V des Landeshauptmannes von NÖ, LGBl. 6400/1-0; keine Willkür; keine Bedenken, daß §11 Abs1 Z2 zufolge finanzausgleichsrechtlicher Regelungen unanwendbar wäre

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. exportiert Geflügel. Mit den im Instanzenzug ergangenen fünf Bescheiden des Landeshauptmannes von NÖ wurden ihm aufgrund des TierseuchenG und der V des Landeshauptmannes vom 23. Oktober 1972 über die Vornahme der tierärztlichen Untersuchung von Tieren bei der Beförderung mit Eisenbahnen, Schiffen, Kraftfahrzeugen (Anhängern) und Luftfahrzeugen in NÖ (idF vom 1. Juli 1976, LGBl. 6400/1-2) für die tierärztliche Untersuchung von Kücken durch den Amtstierarzt im Flughafen Schwechat folgende Gebühren vorgeschrieben:

für Feber  1979   10192 S

für März   1979   11506 S

für April  1979   17876 S

für Mai    1979   18750 S

für Juni   1979   20966 S.

Die Behörde erachtet die Untersuchung durch den Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung für erforderlich, weil der Ort der Einladung für den - allein untersuchungspflichtigen - Auslandstransport der Flughafen Schwechat gewesen und der Untersuchungspflicht mit der Kontrolle durch den Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Baden am Sitz des Betriebes (bei der Einladung in die zuliefernden KFZ) sowie der Ausstellung von "Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen" (für den ausländischen Empfänger) nicht Genüge getan worden sei.

Die gegen die Berufungsbescheide erhobenen Berufungen wies der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz unter Hinweis auf Art103 Abs4 B-VG idF der Nov. 1974, BGBl. 444, zurück. Mit Beschluß vom 17. Juni 1981, ON 12, hat aber der VfGH wegen der unrichtigen (auf die Rechtslage für die bis zum 1. Jänner 1977 anhängig gewordenen Rechtsmittelverfahren - ArtVI Abs2 B-VG-Nov. 1974; vgl. VfSlg. 8665/1979 - abstellenden) Rechtsmittelbelehrung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerden gegen die Bescheide des Landeshauptmannes bewilligt.

In diesen Beschwerden wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums gerügt und die Gesetzwidrigkeit des die Gebührenpflicht regelnden §16 der V des Landeshauptmannes behauptet. Es sei derart offenkundig, daß der Bf. der Untersuchungspflicht am Ort der Einladung (im Betrieb) bereits Genüge getan habe, daß der Behörde Willkür und ein gesetzloses Handeln zur Last falle. §11 TierseuchenG gestatte ferner die Vorschreibung von Ersatzbeträgen nur für Kosten des Bundes, nach dem FinanzausgleichsG 1973 trügen aber sowohl den Aufwand für die Dienstbezüge der bei den Behörden der allgemeinen Verwaltung in den Ländern in Verwendung stehenden Bediensteten als auch den Sachaufwand dieser Behörden die Länder, sodaß dem Bund Kosten nicht erwüchsen (weshalb auch die V idF der 4. Nov. 85 vH des Einganges an Stückgebühren dem Untersuchungstierarzt, 5 vH den einhebenden Organen und den Restbetrag dem Lande zuweise).

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. §6 Abs1 der V des Landeshauptmannes von NÖ vom 23. Oktober 1972, LGBl. 6400/1-0, lautete zur Zeit der dem Verfahren zugrunde liegenden tierärztlichen Untersuchungen:

"Alle in das Ausland bestimmten Tiertransporte (eingeschlossen Geflügel) sind bei der Einladung, alle aus dem Ausland eintreffenden Tiertransporte (eingeschlossen Geflügel) sind bei der Ausladung amtstierärztlich zu untersuchen".

Der VfGH hat aus Anlaß eines vom Bf. angestrengten Verfahrens betreffend eine Gebührenvorschreibung aus dem Jahre 1975 (VfSlg. 8665/1979) die Gesetzmäßigkeit dieser V geprüft und mit Erk. vom 17. Oktober 1979, VfSlg. 8653/1979, die Worte

"Alle in das Ausland bestimmten Tiertransporte (eingeschlossen Geflügel) sind bei der Einladung"

als gesetzwidrig aufgehoben und bestimmt, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. September 1980 in Kraft tritt.

Nach Art139 Abs6 B-VG ist die aufgehobene V jedoch auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände (mit Ausnahme des Anlaßfalles) weiterhin anzuwenden. Tatbestände dieser Art liegen hier vor. §6 Abs1 der V ist der Entscheidung der vorliegenden Beschwerdefälle daher bei Zutreffen seiner Voraussetzungen als unangreifbar zugrundezulegen.

Daß die Anwendung dieser Verordnungsstelle willkürlich sei und einem gesetzlosen Handeln gleichkomme, kann der VfGH nicht finden. Die Behörde hat dem Einwand des Bf., in Schwechat habe nur eine Umladung der bereits untersuchten Kücken stattgefunden, weshalb sich eine neuerliche Untersuchung erübrigt habe, im angefochtenen Bescheid folgendes entgegengehalten:

"Gemäß §11 Abs2 der vorzit. Verordnung darf das Ausladen der Tiere nur im Bestimmungsort des Transportes erfolgen. Ausnahmen davon dürfen nur in Notfällen oder auf begründeten Antrag des Versenders oder Empfängers mit Bewilligung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gemacht werden. Da der Transport der Kücken mittels Lastkraftwagen in Schwechat endete, war Ort der Ausladung im gegenständlichen Fall der Flughafen Schwechat und nicht der im Ausland gelegene Bestimmungsort. Demnach ist auch der Flughafen Schwechat als Ort der Einladung für den Transport der gegenständlichen Kücken ins Ausland anzusehen. Eine Umladung im Sinn des §11 Abs3 der zit. Verordnung liegt im gegenständlichen Fall nach Auffassung der Berufungsbehörde nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Umladungen möglichst zu vermeiden und nur dann zulässig, wenn verkehrstechnische Gründe dies rechtfertigen. Demnach sind Umladungen grundsätzlich unzulässig und nur in jenen Fällen statthaft, wo verkehrsbedingte technische Gründe, wie Ausfall des Fahrzeuges infolge eines technischen Defektes, vorliegen. Selbst in diesen Fällen wird beispielsweise bei einem Lkw-Zug, bei Ausfall des Zugfahrzeuges nur eine Umladung des Zugfahrzeuges und nicht auch des Anhängers im Hinblick auf den Wortlaut 'Umladungen sind ... möglichst zu vermeiden' gerechtfertigt sein.

Im gegenständlichen Fall wäre aber eine 'Umladung' von vornherein nicht zu vermeiden, ja sogar einprogrammiert. Es stellt daher die Weiterleitung des Kückentransportes von Schwechat per Flugzeug in das Ausland einen selbständigen Transport dar, weshalb die Untersuchung der Kücken durch den zuständigen Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung auf Grund der im Spruch zit. Rechtsvorschriften zu Recht erfolgt ist."

Es muß dahingestellt bleiben, ob diese Überlegungen richtig sind. Schlechthin unvertretbar ist die gewählte Vorgangsweise schon deshalb nicht, weil §11 TierseuchenG - indem es das Ein- und Ausladen der Tiere grundsätzlich nur in hiefür bestimmten Stationen erlaubt und bei deren Bestimmung zumindest für gewisse Verkehrsmittel das Einvernehmen mit der Verkehrsbehörde verlangt (Abs1 Z1 iVm. Abs2 und Abs6) - den Schluß ermöglicht, daß die Identität des Transportes die Identität des Verkehrsmittels voraussetzt. Von diesem Verständnis geht auch der - hier allerdings nicht zur Anwendung gekommene - §8 Abs1 iVm. §10 der V aus, wenn er bestimmt, daß das Ein- und Ausladen der Tiere im Eisenbahn-, Schiffs- und Luftfahrzeugverkehr nur in den im Einvernehmen mit der zuständigen Verkehrsbehörde bestimmten Stationen erfolgen darf (während es im Kraftfahrzeugverkehr grundsätzlich in allen Orten stattfinden kann, die vom Untersuchungstierarzt verkehrstechnisch leicht erreicht werden können), und diesem Verständnis schließt sich jedenfalls auch die Argumentation der bekämpften Bescheide nahtlos an. Der Gerichtshof muß folglich davon ausgehen, daß die Untersuchung der Kücken durch den Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eine Untersuchung beim Einladen für den Auslandstransport war und die Frage ihrer Gebührenpflicht ausgelöst hat.

2. §11 Abs1 Z2 TierseuchenG bestimmt:

"Die Tiere sind beim Ein- und Ausladen von staatlich ermächtigten Tierärzten zu untersuchen.

Für die Untersuchung der Tiere haben die Versender bzw. Empfänger zur Deckung der dem Bunde aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten Gebühren zu entrichten, deren Höhe vom zuständigen Landeshauptmann (Bürgermeister von Wien) zu bestimmen ist."

Die V des Landeshauptmannes von NÖ idF der 2. Nov. vom 1. Juli 1976, LGBl. 6400/1-2, enthält in §16 eine solche Regelung über die Gebühren für die Vornahme der tierärztlichen Untersuchung. Demnach sind Stückgebühren, Weggebühren, sowie Mindest- und Zeitgebühren zu entrichten (Abs1) und ua. im Luftfahrzeugverkehr vom Untersuchungstierarzt gegen Ausfolgung einer Zahlungsbestätigung einzuheben (Abs2).

Diese Vorschrift stützt sich dem Grunde nach auf den zweiten Satz der Z2 des §11 Abs1 TierseuchenG. Als besondere Bestimmung geht diese Gesetzesstelle der allgemeinen Vorschrift des §78 AVG vor (Mannlicher - Quell, Das Verwaltungsverfahren 8 I Anm. 7 zu §78 AVG, S 445). Der Auffassung des belangten Landeshauptmannes, die V stütze sich ausschließlich auf §78 AVG, kann der VfGH nicht beipflichten.

Der Bf. hält den zweiten Satz der Z2 des §11 Abs1 TierseuchenG zufolge der geltenden finanzausgleichsrechtlichen Regelung für unanwendbar. Der Gerichtshof kann jedoch auch dieser Ansicht nicht folgen.

Das aus der Zeit der Monarchie stammende TierseuchenG, RGBl. 177/1909, hatte im zweiten Satz der Z2 des §11 Abs1 die Gebührenpflicht ursprünglich bloß zur Deckung "der hieraus dem Staate erwachsenden Kosten" vorgesehen. Erst durch die Nov. vom 26. Oktober 1934, BGBl. 348, erhielt dieser Satz die heute geltende Fassung. Dabei ging die Nov. offenbar davon aus, daß die Kosten zur Untersuchung der Tiere aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung den Bund träfen und der bisherige Ausdruck "Staat" daher durch "Bund" zu ersetzen sei. Ob die damalige Rechtslage damit richtig erfaßt war, braucht hier nicht untersucht werden. Jedenfalls sind die im TierseuchenG vorgesehenen Maßnahmen zur Abwehr und Tilgung von Tierseuchen als Angelegenheiten des Veterinärwesens sowohl in der Verfassung 1934 (Art34 Abs1 Z12) als auch im wieder in Kraft getretenen B-VG (Art10 Abs1 Z12) in Gesetzgebung und Vollziehung stets Bundessache geblieben. Und im Erk. VfSlg. 935/1928 hatte der VfGH festgestellt, es entspreche dem bundesstaatlichen Prinzip, daß die Teilgemeinschaften des Bundes und der Länder, die jede über eigene Einnahmen verfügten, die Kosten der in ihre Kompetenz gestellten Funktionen trügen. Offenbar ist in der novellierten Bestimmung also von den Kosten des "Bundes" deshalb die Rede, weil die Vollziehung des Gesetzes dem Bund zukommt.

"Bund" bezeichnet also nur jenen Teilstaat, dem der Verwaltungsakt zugerechnet wird. Nur auf die kompetenzrechtliche Lage wird bezug genommen. Daß die Vollziehung des Bundes im Bereich der Länder - als mittelbare Bundesverwaltung - durch Landesbehörden ausgeübt wird (Art116 Verfassung 1934, Art102 B-VG), dürfte außer Betracht geblieben sein. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Gebühr nur insoweit geschuldet sein soll, als finanzverfassungs- und finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen den Bund jeweils endgültig mit diesem Aufwand belasten. Was die Frage der internen Kostenaufteilung mit dem Verhältnis der Verwaltung zum Bürger zu tun haben soll, wäre unerfindlich. Daher bleibt es eine Angelegenheit des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, wie der Finanzausgleich auf der Ebene der Verfassung und des einfachen Gesetzes gestaltet ist. Für die Gebührenpflicht ist nicht entscheidend, wie der aus der Untersuchung nach §11 Abs1 Z2 TierseuchenG entstehende Aufwand finanzausgleichsrechtlich einzuordnen wäre. §11 Abs1 Z2 TierseuchenG spricht insoweit auch ganz undifferenziert von "den Kosten", die (der an sich zuständigen, hier nicht finanzverfassungsrechtlich differenzierend bezeichneten Gebietskörperschaft) aus der Amtshandlung erwachsen, so wie §61 nur von den Kosten spricht, die dem Staatsschatz durch Vorkehrungen gegen Tierseuchen zur Last fallen, ohne auf deren Verteilung auf Bund und Länder einzugehen. Auf diese Frage braucht daher auch der Verordnungsgeber nicht eingehen.

Der VfGH teilt somit die Bedenken der Beschwerde nicht. Andere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angewendeten generellen Norm haben die Verfahren nicht ergeben. Damit erweisen sich die Beschwerdevorwürfe als unbegründet. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist gleichfalls nicht hervorgekommen. Die Beschwerden sind folglich abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Aufhebung Wirkung, Veterinärwesen, Tierseuchen, Kostentragung (Verwaltungsverfahren), lex specialis, Rechtsüberleitung, Kompetenz Bund - Länder Veterinärwesen, Bundesstaat, Finanzausgleich, Bundesverwaltung mittelbare

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B441.1980

Dokumentnummer

JFT_10159374_80B00441_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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