TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/26 B284/82

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1984
beobachten
merken

Index

35 Zollrecht
35/02 Zollgesetz 1955

Norm

B-VG Art18 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
ZollG 1955 §25 Abs2

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 10037/1984

Leitsatz

Zollgesetz; Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch eine gemäß §25 Abs2 durchgeführte Beschlagnahme nach Aufhebung einiger Satzteile dieser Bestimmung

Spruch

Die Bf. sind durch die am 10. April 1982 in Salzburg erfolgte Beschlagnahme von Pretiosen und Urkunden durch Organe des Zollamtes Salzburg wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) In der vorliegenden Beschwerde wird folgender Sachverhalt geschildert:

Der Zweitbf. J K sei Eigentümer bestimmter Juwelen und Schmuckgegenstände und der sich auf diese Gegenstände beziehenden Urkunden und Zertifikate.

Diese Pretiosen seien vom Zweitbf. am 13. und 19. September 1979 der Raiffeisenkasse L (der Erstbf.) zur Sicherstellung einer Darlehensforderung von zirka 7500000 S verpfändet worden. Die Pretiosen hätten sich seither im Gewahrsam der Erstbf. befunden.

Am 2. April 1982 seien diese Gegenstände von der Erstbf. einem Sbg. Juwelier übergeben worden. Diese Übergabe sei deshalb erfolgt, weil der Juwelier in der Zeit vom 3. bis 12. April 1982 im Hotel Österreichischer Hof in Sbg. eine Verkaufsausstellung durchzuführen plante, bei der die Pretiosen verkauft werden sollten.

Die dinglichen Rechte an diesen Gegenständen, also das Eigentumsrecht und das Pfandrecht, seien den Bf. verblieben.

Am 10. April 1982 seien die Pretiosen und Urkunden von Organen des Zollamtes Sbg. unter Berufung auf §25 Abs2 Zollgesetz 1955, BGBl. 129, (ZollG) beschlagnahmt worden. Während die Pretiosen vorläufig im Gewahrsam des Juweliers belassen worden seien, seien die beschlagnahmten Urkunden sofort dem Zollamt Sbg. abgeliefert worden. Am 14. April 1982 seien auch die Pretiosen dem Juwelier abgenommen und sodann gleichfalls beim Zollamt Sbg. verwahrt worden.

Ein die Beschlagnahme anordnender oder deckender Bescheid sei nicht erlassen worden.

b) Gegen die am 10. April 1982 erfolgte Beschlagnahme der Pretiosen und Urkunden durch Organe des Zollamtes Sbg. wendet sich die an den VfGH gerichtete, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde. Die bekämpfte Amtshandlung wird von den Bf. als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert.

Sie behaupten, durch die Beschlagnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein, und beantragen, dies kostenpflichtig festzustellen.

Sie begründen ihre Behauptung zusammengefaßt damit, daß eine auf §25 Abs2 ZollG gestützte Beschlagnahme nur aufgrund eines der Rechtskraft fähigen anfechtbaren Bescheides hätte erfolgen dürfen. Da ein solcher Bescheid nicht erlassen wurde, sei der Behörde ein der Gesetzlosigkeit gleichkommendes Verhalten anzulasten.

2. a) Das Zollamt Sbg. als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird der Sachverhalt gleich wie in der Beschwerde geschildert und ergänzend ausgeführt:

Bei der - routinemäßigen - am 10. April 1982 von Organen des Zollamtes Sbg. durchgeführten Überprüfung der Juwelen-Ausstellung im Hotel Österreichischer Hof seien unpunzierte Pretiosen vorgefunden worden. Weil sich dadurch der Verdacht ergeben habe, daß es sich um Waren handle, die unverzollt nach Österreich gelangten, seien die Zollorgane zu einem sofortigen Einschreiten gezwungen gewesen. Nachdem der Juwelier den Sachverhalt offengelegt hatte, seien die Juwelen, Schmuckgegenstände und die darauf bezughabenden Urkunden gemäß §25 Abs2 ZollG beschlagnahmt worden, da Gefahr im Verzug bestanden hätte.

b) Die bel. Beh. vertritt in der Gegenschrift die Meinung, daß nach §25 Abs2 ZollG - im Gegensatz zu §89 Abs1 Finanzstrafgesetz, BGBl. 129/1958, (FinStrG) - eine Beschlagnahmeordnung der Behörde nicht vorliegen müsse. "Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach §25 Abs2 ZollG seien derart abgestimmt, daß sie im Ergebnis einem 'Gefahr-im-Verzug-Fall' gleichzuhalten seien".

Die bel. Beh. begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der VfGH hat aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde die Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 ZollG 1955, BGBl. 129 idF der Nov. BGBl. 527/1974 von Amts wegen in Prüfung gezogen.

Diese Vorschrift lautete:

"Die Zollorgane haben in Ausübung ihres Dienstes das Recht, Waren zu beschlagnahmen, um sie unter Zollaufsicht zu bringen, um die Einziehung einer im Strafverfahren verfallenen Ware vorzunehmen oder um die Deckung der Zölle, der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben sowie allfälliger Geldstrafen und Kosten zu sichern. Sie sind ferner befugt, Gegenstände, die für eine Zollstrafuntersuchung von Bedeutung sein können oder voraussichtlich der Einziehung (dem Verfall) unterliegen, zu beschlagnahmen; sie können zur Sicherung des Zolles, der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben, der Geldstrafen sowie der Kosten, die bei der Betretung des Täters einer Zollzuwiderhandlung in dessen Besitz befindlichen Beförderungsmittel in Gewahrsam nehmen; solche der Beförderung zu Lande oder zu Wasser dienende Beförderungsmittel können unentgeltlich dazu benützt werden, um die in Zollgewahrsam genommenen Waren zur nächsten Amtsstelle zu bringen, wo ihre Aufbewahrung tunlich ist. Wenn die Besitzergreifung nicht möglich ist oder wenn die amtliche Verwahrung unverhältnismäßige Schwierigkeiten oder Kosten bereiten würde, so ist ein Verbot zu erlassen, über die Gegenstände zu verfügen."

Mit dem das Gesetzesprüfungsverfahren abschließenden Erk. vom 12. Juni 1984, G93/82, hat der VfGH im §25 Abs2 ZollG folgende Satzteile wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben:

"um sie unter Zollaufsicht zu bringen,";

"oder um die Deckung der Zölle, der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben sowie allfälliger Geldstrafen und Kosten zu sichern" und

"für eine Zollstrafuntersuchung von Bedeutung sein können oder".

Im übrigen wurde das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt, weil die anderen in Prüfung gezogenen Teile des §25 Abs2 ZollG für das Anlaßverfahren (das ist dieses Beschwerdeverfahren) nicht präjudiziell waren.

III. 1. Die bel. Beh. hat die bekämpfte Amtshandlung ausschließlich und ausdrücklich auf §25 Abs2 ZollG gestützt. Eine nachträgliche Auswechslung der Rechtsgrundlage eines in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gesetzten Verwaltungsaktes ist ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 9393/1982).

Da die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen sohin die alleinigen Rechtsgrundlagen waren, auf die die angefochtene Amtshandlung gegründet war, ist der Beschwerde, die zur erwähnten Gesetzesaufhebung Anlaß gegeben hat, stattzugeben und festzustellen, daß die Bf. durch die bekämpfte Beschlagnahme wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sind.

Schlagworte

Beschlagnahme, Zollrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B284.1982

Dokumentnummer

JFT_10159074_82B00284_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten