TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/6 KI-1/84

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Veröffentlicht am 06.10.1984
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs1 litb
ABGB §1338
StV Wien 1955 Art26
WohnungsanforderungsG

Leitsatz

B-VG Art138 Abs1; Schadenersatzklage infolge der Entziehung einer Liegenschaft aus rassischen Gründen; Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte

Spruch

1. Zur Entscheidung über das Begehren der antragstellenden Verlassenschaft auf Zahlung von Entschädigung für Gewinnentgang als Folge der Entziehung einer Liegenschaft in Innsbruck aus rassischen Gründen sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

2. Die entgegenstehenden Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 15. September 1983, 2 R 214/83, und des LG Innsbruck vom 6. Mai 1983, 12 Cg 675/82, werden aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die antragstellende Verlassenschaft nach der Witwe und Erbin des H

S beansprucht vom Bund Ersatz für entgangenen Gewinn aus einem Unternehmen, dessen Geschäftslokal den Eigentümern am 4. Juni 1938 aus rassischen Gründen entzogen worden und auch nach Rückstellung der Liegenschaft im Jahre 1949 infolge Anforderung nach dem WohnungsanforderungsG bis 1958 nicht benutzbar gewesen sei. Nach Art26 des Staatsvertrages von Wien sei Österreich zur Entschädigung für solche Verluste verpflichtet.

Der VfGH hat eine nach Art137 B-VG bei ihm eingebrachte Klage auf Zahlung von 600000 S mit Beschluß vom 14. Juni 1984, A9/84, wegen Unzuständigkeit mit der Begründung zurückgewiesen, zur Entscheidung über Schadenersatzansprüche seien die ordentlichen Gerichte zuständig. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Wie die antragstellende Verlassenschaft darlegt, haben auch das LG Innsbruck und das Oberlandesgericht Innsbruck die Klage der Verlassenschaft zurückgewiesen. Sie begehrt daher aufgrund Art138 B-VG, in Entscheidung des Kompetenzkonfliktes die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte festzustellen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die Akten des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt. Von der Erstattung einer Gegenschrift hat es im Hinblick auf die Rechtsansicht des VfGH in seinem Beschluß vom 14. Juni 1984 abgesehen.

II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Zur Entscheidung über das geltend gemachte Begehren sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

Aus den Akten der Gerichte ergibt sich, daß die am 2. November 1982 eingebrachte, auf denselben Rechtsgrund gestützte Klage auf Zahlung von 600000 S vom LG Innsbruck wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen und dem Rekurs der Antragstellerin vom Oberlandesgericht Innsbruck keine Folge gegeben wurde. Es liegt daher ein - verneinender - Kompetenzkonflikt zwischen dem VfGH und den ordentlichen Gerichten vor (Art138 Abs1 litb B-VG).

Das Verfahren hat nichts ergeben, was den VfGH veranlassen könnte, von der im Beschluß vom 14. Juni 1984 vertretenen Ansicht über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte abzugehen. Zu Unrecht haben die Gerichte die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges von der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art26 des Staatsvertrages von Wien abhängig gemacht. Es bedürfte einer besonderen Vorschrift, um Schadenersatzansprüche der Kognition der ordentlichen Gerichte zu entziehen.

Die einer Sachentscheidung entgegenstehenden Beschlüsse der ordentlichen Gerichte sind daher gemäß §51 VerfGG aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Entschädigung, Schadenersatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:KI1.1984

Dokumentnummer

JFT_10158994_84KI0001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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