TE Vfgh Erkenntnis 1984/11/23 B290/78

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Veröffentlicht am 23.11.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG §67 Abs1

Leitsatz

EStG 1972; Abweisung eines Erstattungsantrages wegen Nichterschöpfung des nach §67 Abs1 gebührenden Freibetrages bei der Versteuerung der Sonderzahlungen; gleichheitswidrige Auslegung dieser Bestimmung bei Bezügen von mehreren Sozialversicherungsträgern - berichtigende Auslegung geboten

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bf., eine Pensionistin, bezog in den Jahren 1973 bis 1975 von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (der sie die Erste Lohnsteuerkarte vorgelegt hatte) sowie von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (der sie die Zweite Lohnsteuerkarte vorgelegt hatte) je eine Pension samt Sonderzahlungen. Die von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten geleisteten Sonderzahlungen (1973: 4262,20 S; 1974:

4776 S; 1975: 5421,10 S) erreichten den Freibetrag nach §67 Abs1 EStG 1972 von 5000 S (ab 1974: 8500 S), nicht, weshalb sie steuerfrei belassen wurden. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hingegen versteuerte die von ihr geleisteten Sonderzahlungen (1973: 1522 S; 1974: 1195,50 S; 1975: 2368,60 S) mit dem festen Steuersatz; die einbehaltene Lohnsteuer betrug für 1973:

93,20 S, für 1974: 114,90 S und für 1975: 142,10 S.

2. Mit einem auf §240 BAO gestützten Antrag begehrte die Bf. die Erstattung von Lohnsteuer in der Höhe von insgesamt 301,35 S (und zwar hinsichtlich des Jahres 1973 von 44,35 S, des Jahres 1974 von 114,90 S und des Jahres 1975 von 142,10 S); sie ging dabei von der Auffassung aus, daß der nach §67 Abs1 EStG gebührende Freibetrag bei der Versteuerung der Sonderzahlungen durch die Penionsversicherungsanstalt der Angestellten nicht ausgeschöpft worden sei.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 27. Feber 1978 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. den Erstattungsantrag ab. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß nach dem klaren Wortlaut des §67 Abs1 EStG 1972 nur der Arbeitgeber, bei dem die Erste Lohnsteuerkarte oder die Dauerlohnsteuerkarte vorliegt, den Freibetrag zu berücksichtigen habe; die Bf. habe die Erste Lohnsteuerkarte der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vorgelegt, weshalb ihre sonstigen Bezüge beim zweiten Arbeitgeber richtig versteuert worden seien.

3. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Bf. eine Verletzung des Gleichheitsrechtes behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zur Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles sind die im folgenden angeführten drei - jeweils das Jahr 1973, 1974 und 1975 betreffenden - Fassungen des §67 Abs1 EStG 1972 heranzuziehen, deren hier umstrittener letzter Satz (abgesehen von der Höhe des Jahresfreibetrages) jedoch wörtlich übereinstimmt.

§67 Abs1 EStG 1972 hatte in der Stammfassung (BGBl. 440/1972) folgenden Wortlaut:

"§67. (1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 5000 S übersteigen,

in der Steuergruppe A ............................ 8 vH,

in der Steuergruppe B ............................ 6 vH,

in der Steuergruppe B mit Kinderabsetzbeträgen

für eine Person .................................. 2 vH,

für zwei Personen ................................ 1 vH,

für mehr als zwei Personen ....................... 0 vH.

Den Freibetrag von 5000 S darf nur der Arbeitgeber beim Steuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigen, bei dem die Erste Lohnsteuerkarte oder die Dauerlohnsteuerkarte vorliegt."

Zufolge ArtI Z4 des Abgabenänderungsgesetzes 1973, BGBl. 27/1974, trat in §67 Abs1 jeweils an die Stelle des Betrages von 5000 S der Betrag von 8500 S.

Art1 Z52 der Einkommensteuergesetznovelle 1974, BGBl 469, gab §67 Abs1 folgende neue Fassung:

"§67. (1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 8500 S übersteigen, 6 vH. Dieser Steuersatz ermäßigt sich bei Gewährung von Kinderabsetzbeträgen

für eine Person auf .............................. 2 vH,

für zwei Personen auf ............................ 1 vH,

für mehr als zwei Personen auf ................... 0 vH.

Den Freibetrag von 8500 S darf nur der Arbeitgeber beim Steuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigen, bei dem die Erste Lohnsteuerkarte oder die Dauerlohnsteuerkarte vorliegt."

2. Die Bf. kritisiert die Handhabung des jeweils letzten Satzes im §67 Abs1 EStG 1972 vom Blickpunkt des Gleichheitsgebotes her als verfassungswidrig und führt dazu insbesondere aus:

"Es wird mithin nach dieser Regelung bedeutsam, ob dem Arbeitnehmer ein bestimmter Gesamtbetrag an 'Sonstigen Bezügen' von einem oder von mehreren Arbeitgebern bzw. bezugsauszahlenden Stellen zufließt. Sofern mehrere Arbeitsverhältnisse in Betracht kommen, bedingt auch das Ausmaß, in dem der einzelne Arbeitgeber mit seiner Auszahlung 'Sonstiger Bezüge' am Zustandekommen der dem Arbeitnehmer insgesamt zufließenden 'Sonstigen Bezüge' teil hat, das letztlich resultierende Ausmaß der Besteuerung. Hieraus folgt, daß keineswegs gesichert erscheint, daß zwei Arbeitnehmer analoger persönlicher Verhältnisse, denen beiden der gleiche Jahresgesamtbetrag an 'Sonstigen Bezügen' aus je zwei Arbeitsverhältnissen zufließt, auch gleich besteuert werden; vom Vergleich von Beziehern zweier Arbeitseinkünfte mit Empfängern nur eines Bezuges zu schweigen. Es wird erkennbar, daß durch die von der Bf. kritisierte Regelung ein Element auf die Festsetzung der Besteuerung der Höhe nach Einfluß gewinnt, das vom rein sachlichen, streng systematischen Standpunkt aus als Zufälligkeit gewertet werden muß."

Dieser Argumentation hält die bel. Beh. im wesentlichen folgendes entgegen:

"Bekanntlich ist die Steuerbelastung im Falle des Bezuges nur eines Arbeitslohnes höher als diejenige Steuerbelastung, die im Falle von zwei oder mehreren Bezügen in insgesamt derselben Höhe anfällt. Um hier einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken, wurde vom Gesetzgeber der Jahresausgleich von Amts wegen geschaffen, der neben dem Steuerabzug vom Arbeitslohn und neben der Veranlagung zur Einkommensteuer die dritte Art der Heranziehung zur Leistung der Steuern ist. Ein Jahresausgleich von Amts wegen wird allerdings erst ab einer im Gesetz festgesetzten Einkünftegrenze durchgeführt, dh. daß diejenigen Steuerpflichtigen, die mit ihren Einkünften unter dieser Grenze liegen, gegenüber denjenigen Steuerpflichtigen, die Einkünfte in etwa derselben Höhe nur von einem Arbeitgeber beziehen, verhältnismäßig geringer besteuert werden. Wenn man nunmehr in Betracht zieht, daß die von der Bf. bezogenen Einkünfte unter der vom Gesetzgeber festgelegten Grenze liegen und daher ein Jahresausgleich von Amts wegen nicht durchgeführt wird, es daher auch nicht zu einer Nachzahlung von Lohnsteuer kommt, so ist festzustellen, daß die Bf. gegenüber demjenigen Steuerpflichtigen, der Einkünfte in derselben Höhe nur von einem Arbeitgeber bezieht und bei dem der Freibetrag von 8500 S voll ausgeschöpft wurde, nicht schlechter gestellt ist."

Der VfGH pflichtet der von der Bf. vertretenen Rechtsansicht im Ergebnis bei.

3. Dem Erk. VfSlg. 8352/1978 (mit welchem über eine Beschwerde derselben Bf. abgesprochen wurde) lag der Fall zugrunde, daß die bf. Pensionistin von zwei verschiedenen Sozialversicherungsträgern, denen sie eine Erste und eine Zweite Lohnsteuerkarte vorgelegt hatte, Pensionen bezog, daneben aber auch andere Einkünfte erzielte und deshalb zur Einkommensteuer veranlagt wurde; im Lohnsteuerverfahren wurde im Hinblick auf die Höhe der zugeflossenen Pensionen Lohnsteuer nicht einbehalten und daher auch der Pensionistenabsetzbetrag nicht berücksichtigt. Der Gerichtshof legte (den in der Stammfassung des EStG 1972 maßgeblichen) Abs9 im §33 EStG 1972 (wonach der Pensionistenabsetzbetrag nur in der Höhe in Abzug gebracht werden kann, in der er beim Steuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigt worden ist) unter dem Gesichtswinkel des Gleichheitsgebotes berichtigend aus, wobei er eine aus der Sache nicht begründbare Differenzierung annahm, wenn der Pensionistenabsetzbetrag - je nachdem, ob eine Pension von einem oder mehreren Pensionsträger bezahlt werden bzw. in welcher Höhe mehrere in ihrer Summe gleiche Pensionsbezüge von verschiedenen auszahlenden Stellen geleistet werden - nicht oder in unterschiedlicher Höhe zum Abzug gelange. Dem in der bezogenen Gesetzesstelle liegenden Verbot komme im Fall der Veranlagung ausschließlich die Wirkung zu, daß der Pensionistenabsetzbetrag in Ansehung anderen Einkünfte nicht zugute komme; es sei daher so vorzugehen, als ob das Beziehen von zwei oder mehreren Pensionen lohnsteuerlich in bezug auf den Pensionistenabsetzbetrag eine Einheit bilde.

Nach Ansicht des VfGH treffen die eben dargelegten, im Erk. VfSlg. 8352/1978 (vgl. dazu auch VfSlg. 8513/1979 und 9515/1979) entwickelten Grundgedanken entsprechend auch auf den in der vorliegenden Beschwerdesache zu beurteilenden Fall des Jahresfreibetrages nach §67 Abs1 EStG 1972 zu. Der oben wiedergegebenen Argumentation der bel. Beh. kann der VfGH keine Berechtigung zuerkennen. Der beschriebenen Ungleichbehandlung kann nicht etwa die dadurch entstehende Begünstigung gegenübergestellt werden, daß beim Nichterreichen einer bestimmten Einkünftegrenze ein amtswegiger Jahresausgleich nicht stattfindet, weil bereits das Erzielen anderer Einkünfte in bestimmter Höhe zur (einen Jahresausgleich selbstredend ausschließenden) Veranlagung des Steuerpflichtigen führt. Im übrigen sprechen auch die (in der Beschwerde zitierten) Gesetzesmaterialien dafür, das nach dem Wortlaut des §67 Abs1 EStG 1972 bestehende Verbot berichtigend auszulegen, nämlich dahin, daß im Fall des Nichtausschöpfens des Jahresfreibetrages der restliche Betrag bei den sonstigen Bezügen aus dem anderen Dienstverhältnis zu berücksichtigen ist. Wie die folgende Wiedergabe aus den Erläuterungen zur RV zum EStG 1972 (474 dB XIII. GP) erweist, war die Absicht des Gesetzgebers offenkundig ausschließlich darauf gerichtet, in der Praxis beim Bezug von Arbeitslohn von mehreren Arbeitgebern auftretende Schwierigkeiten (s.

§3 Abs1 Z12 EStG 1967, wonach der Freibetrag auch dann nur einmal gebührt, wenn der Arbeitnehmer von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn erhält) zu beseitigen; es fehlt aber jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß eine Schlechterstellung von Lohnsteuerpflichtigen im Vergleich zur früheren Gesetzeslage beabsichtigt gewesen wäre:

"Die bisherige Regelung des §3 Abs1 Z12 EStG hat in Fällen, in denen der Arbeitnehmer von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn erhielt, eine Abstimmung der Arbeitgeber bezüglich der Gewährung des Freibetrages von 3500 S erfordert, die jedoch in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden war und bei Lohnsteuerprüfungen immer wieder zu Unstimmigkeiten führte. Die vorgeschlagene Neuregelung räumt diese Schwierigkeiten aus und legt klar fest, welcher Arbeitgeber den Freibetrag zu berücksichtigen hat ...".

4. Aus den vorstehenden Darlegungen folgt, daß die bel. Finanzlandesdirektion ihrer im Instanzenzug getroffenen Entscheidung über den von der Bf. gestellten Erstattungsantrag nach §240 BAO fälschlich eine gleichheitswidrige Rechtsauffassung zugrunde legte, was gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9186/1981) zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen der Veletzung des Gleichheitsrechtes führt.

Schlagworte

Einkommensteuer, Lohnsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B290.1978

Dokumentnummer

JFT_10158877_78B00290_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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