TE Vfgh Erkenntnis 1984/11/26 B535/80, B536/80

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Veröffentlicht am 26.11.1984
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
ABGB §1008
AVG §10 Abs2
AVG §71

Leitsatz

AVG 1950; Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages; rechtswirksame Bescheidzustellung an den - unbeschränkt bevollmächtigten - Vertreter der Bf.; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 10. Juni 1977 verkaufte die Bf. das ihr gehörende Grundstück Nr. ... der EZ ... KG Deutsch Griffen. Zur grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages beantragte sie mit Schriftsatz vom 22. Juni 1977 die Genehmigung eines dieses Grundstück betreffenden Teilungsplanes nach dem Wohnsiedlungsgesetz, LGBl. für Kärnten 59/1976. Dieser Antrag war von Notar Dr. H H als ihrem Vertreter eingebracht worden.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1977 genehmigte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan diesen Teilungsplan nach dem Wohnsiedlungsgesetz, wobei als Auflage die kosten- und lastenfreie Abtretung eines Trennstückes in das öffentliche Gut erteilt wurde. Dieser Bescheid wurde der Bf. zu Handen Dris. H am 18. Oktober 1977 zugestellt.

Da die Bf. dieser Auflage nicht nachkam, drohte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan mit Schreiben vom 18. März 1980 unter Hinweis auf den Bescheid vom 11. Oktober 1977 eine Zwangsstrafe an.

2. Daraufhin beantragte die Bf. mit Schriftsatz vom 21. April 1980 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verband diesen Antrag mit einer Berufung gegen den Genehmigungsbescheid vom 11. Oktober 1977. Sie brachte vor, erst durch die Androhung der Zwangsstrafe vom betreffenden Bescheid erfahren zu haben, der ihr erstmals am 11. April 1980 ausgefolgt worden sei.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1980 gab die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Ktn. Landesregierung mit Bescheid vom 9. Dezember 1980, Z Ro-334/5/1980, keine Folge und wies mit Bescheid vom selben Tag, Z Ro-334/6/1980, die gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag erfolgte Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 11. Oktober 1977 als verspätet zurück.

Diese beiden Bescheide sind Gegenstand der vorliegenden Beschwerde. Die Bf. behauptet, durch die angefochtenen Bescheide in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein und beantragt die Aufhebung der Bescheide.

3. Die Ktn. Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Bf. stützt ihre Argumentation auf die Behauptung, daß sie Dr. H im Grundstücksteilungsgenehmigungsverfahren keine Vollmacht für speziell dieses Verfahren erteilt habe; da dieser Bescheid den Liegenschaftsverkehr betreffe, hätte überdies gemäß §1008 ABGB eine Spezialvollmacht vorliegen müssen. Sie hätte Dr. H lediglich ermächtigt, die Vermessung des Grundstückes in Auftrag zu geben. Die Behörde hätte daher den Genehmigungsbescheid nur ihr persönlich zustellen können, daher sei die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden.

Die bel. Beh. habe ihre Berufung zu Unrecht als unzulässig wegen Verspätung zurückgewiesen. Mangels Vollmacht ihres Vertreters sei der Bescheid erst mit der Ausfolgung an sie ergangen, die Berufungsfrist sei daher gewahrt.

2. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann verletzt, wenn die Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, etwa dadurch, daß sie eine verfahrensrechtlich zulässige Berufung zurückweist (vgl. zB VfSlg. 9274/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur) oder zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als gegeben annimmt (vgl. den insofern gleichgelagerten Fall einer Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens VfSlg. 9959/1984).

Es ist daher zu prüfen, ob die Behörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 11. Oktober 1977 zu Recht an Dr. H zugestellt hat bzw. ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht verweigert worden ist.

Auch die Bf. selbst behauptet nicht, daß sie dem für sie einschreitenden Dr. H überhaupt keine Vollmacht erteilt hat. Sie behauptet vielmehr, daß sie Dr. H nicht ermächtigt habe, in diesem Verfahren einzuschreiten, und daß überdies eine Spezialvollmacht nach §1008 ABGB nötig gewesen wäre.

Die bel. Beh. hat hiezu folgendes ausgeführt:

"Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1977 hat Notar Dr. H H für Frau T Z bei der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan einen Antrag auf Genehmigung des Teilungsplanes des Dipl.-Ing. G K vom 17. Juli 1977, GZ ..., gestellt. Diesem Antrag ist eine Vollmachtskopie, die die Vertretungsbefugnis des Dr. H für T Z ausgewiesen hat, angeschlossen gewesen. Diese Vollmacht hat Dr. H berechtigt, Frau Z in allen Angelegenheiten vor Behörden aller Art wie auch gegenüber allen Dritten nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten. Eine der Wohnsiedlungsbehörde gegenüber wirksam werdende Aufkündigung dieser Vollmacht ist nicht vorgenommen worden. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 11. Oktober 1977, Z 3917/2/1977-6, ist Dr. H am 18. Oktober 1977 rechtswirksam zugestellt worden.

Die oben getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, die Stellungnahme des Herrn Notar Dr. H und schließlich zum Teil auch auf das Vorbringen der Berufungswerberin. Insoweit die getroffenen Feststellungen mit den Äußerungen der Berufungswerberin im Widerspruch stehen, ließ sich die Berufungsbehörde von folgenden Überlegungen leiten:

Die Vorlage einer allgemeinen und unbeschränkten Vollmacht berechtigte die erstinstanzliche Behörde zur Annahme, daß es der Wille der Vollmachtsgeberin T Z sei, sich auch in dem bei ihr anhängigen Verfahren durch den ausgewiesenen Gewalthabervertreten zu lassen. Wenn nun Frau Z im Wiedereinsetzungsantrag vom 21. April 1980 und der Berufung vom 12. Juni 1980 geltend macht, daß der ausgewiesene Gewalthaber Dr. H 'diesbezüglich' nicht ihr bevollmächtigter Vertreter gewesen sei, so muß dem entgegengehalten werden, daß das dem erstinstanzlichen Verfahren zugrunde liegende Vollmachtsverhältnis eine dergestalte Einschränkung nicht erkennen ließ. Auch ist diese Vollmacht - wie bereits oben angeführt wurde - der Behörde gegenüber nicht gekündigt worden."

Der VfGH findet keinen Anlaß, an dieser - den Angaben des Notars Dr. H mehr Glaubwürdigkeit beimessenden - Beweiswürdigung und Beurteilung der bel. Beh., gegen deren Schlüssigkeit in der Beschwerde im Grunde auch nichts vorgebracht wurde, zu zweifeln. Hiezu kommt noch folgendes:

Abgesehen davon, daß nach dem Inhalt des von Dr. H damals verwendeten Vollmachtsformulars die Bf. auch eine Vollmacht nach §1008 ABGB erteilt hatte, würde sich keine andere Beurteilung ergeben. Zwar ist es richtig, daß nach §10 Abs2 AVG der Inhalt und Umfang einer Vollmacht sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts richtet. Der Genehmigungsbescheid betraf aber keine Angelegenheit iS des §1008 ABGB, welcher den Fall regelt, daß ein Recht unentgeltlich aufgegeben wird. Dies war nicht Gegenstand des Bescheides, es wurde lediglich eine Genehmigung unter der Auflage erteilt, daß in Hinkunft ein Recht aufgegeben werde.

Da der Vertreter der Bf. eine unbeschränkte Vollmacht hatte, hatte die Behörde diesem den Bescheid zuzustellen (vgl. VwGH 16. Feber 1971 Z 1760/70). Die Rechtsmittelfrist begann daher mit der Zustellung an den Vertreter, die von der Bf. erhobene Berufung wurde verspätet erhoben. Trotzdem wäre die Berufung nicht zurückzuweisen gewesen, wenn - wie behauptet - ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen wäre.

b) Es ist aber auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht verweigert worden. Die Wiedereinsetzung nach §71 Abs1 lita AVG ist nämlich nur dann zulässig, wenn weder der Partei noch ihrem Vertreter ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt (vgl. VwGH 15. September 1981 Z 81/07/0141, 19. Jänner 1977 Z 1212/76). Da der den Lauf der Rechtsmittelfrist auslösende Bescheid dem Vertreter der Bf. rechtswirksam zugestellt worden war und dieser durch keinerlei unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Erhebung der Berufung gehindert war, wurde der Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen.

3. Die Bf. wurde sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt. Da die angefochtenen Bescheide verfahrensrechtliche sind, ist es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ausgeschlossen, daß die Bf. in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so auch im geltend gemachten Eigentumsrecht, verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 9105/1981, 8741/1980).

Auf das Vorbringen, daß die Behörde den Liegenschaftsteilungsgenehmigungsbescheid mangels Vollmacht ohne entsprechenden Antrag erlassen habe, ist nicht einzugehen, weil es sich gegen den - nicht beschwerdegegenständlichen - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 11. Oktober 1977 richtet.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Wiedereinsetzung, Vertreter (Verwaltungsverfahren), VfGH / Prüfungsmaßstab, Bescheid verfahrensrechtlicher, Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B535.1980

Dokumentnummer

JFT_10158874_80B00535_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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