TE Vfgh Erkenntnis 1984/12/3 B119/83

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Veröffentlicht am 03.12.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art119a Abs5
StGG Art5
Sbg RaumOG 1977 §19 Abs3
Sbg GdO 1976 §72b Abs2

Leitsatz

Sbg. Raumordnungsgesetz 1977; Versagung einer Ausnahmegenehmigung gemäß §19 Abs3; keine Bedenken gegen §19 Abs3; keine Verletzung des Eigentumsrechtes Sbg. Gemeindeordnung 1976; keine Bedenken gegen die ausschließliche Parteistellung der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren gemäß §72b Abs2

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Bf. haben mit Schreiben vom 7. Dezember 1979 an die Gemeinde Kleinarl ein Ansuchen um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Flächenwidmungsplan nach §19 Abs3 des Sbg. Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26/1977 (das ROG idF der Kundmachung LGBl. 52/1977 und der Nov. LGBl. 112/1977), zur Errichtung eines Ferienhauses auf dem Grundstück ..., KG Mitterkleinarl, eingebracht.

Die Gemeindevertretung beschloß am 21. Dezember 1979, dem Ansuchen der Bf. zuzustimmen, und legte diesen Beschluß der Sbg. Landesregierung gemäß §19 Abs3 ROG 1977 zur Genehmigung vor.

b) Mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 7. November 1980 wurde dem Beschluß der Gemeindevertretung der Gemeinde Kleinarl vom 21. Dezember 1979 die aufsichtsbehördliche Genehmigung gemäß §19 Abs3 iVm. §17 Abs3 lita ROG 1977 versagt.

In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf ein eingeholtes Gutachten eines Amtssachverständigen zu Raumordnungsfragen ausgeführt, daß die Verwirklichung des geplanten Bauvorhabens einen wesentlichen Einbruch in die Grünlandzone bedeuten würde.

2. a) Die Gemeindevertretung erließ sodann den Bescheid vom 2. März 1981, in dessen Spruch ausgeführt wird, daß die Gemeindevertretung das Ansuchen der Bf. wohlwollend behandelt und an die Sbg. Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorgelegt hat. Sodann wird im Spruch des Bescheides ausgeführt, daß die aufsichtsbehördliche Genehmigung von der Sbg. Landesregierung versagt wurde.

Nach der Begründung des Bescheides schließt sich die Gemeindevertretung dem Ergebnis des im Bescheid der Sbg. Landesregierung begründeten Sachverhaltes vollinhaltlich an, womit die beantragte Ausnahmebewilligung zu versagen ist.

b) Aufgrund der gegen den Bescheid der Gemeindevertretung vom 2. März 1981 von der Bf. erhobenen Vorstellung hat die Sbg. Landesregierung mit Bescheid vom 15. Juli 1981 den Bescheid der Gemeindevertretung aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung Kleinarl zurückverwiesen. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß die Gemeindevertretung als einzig dazu berufenes Organ verpflichtet gewesen wäre, über das Ausnahmeansuchen zu entscheiden. Statt einer Entscheidung über das Ausnahmeansuchen habe die Gemeindevertretung "eine Verfahrenserzählung über die Entscheidung der Aufsichtsbehörde geboten". Mit diesem Vorgehen aber habe sie gegen die Vorschrift des §59 Abs1 AVG 1950 verstoßen, wonach der Spruch eines Bescheides "die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen" habe. Darüber hinaus trage der bekämpfte Bescheid aber auch nicht der Bestimmung des §60 AVG 1950 Rechnung, wonach in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen seien.

3. a) Nach Durchführung einer örtlichen mündlichen Verhandlung faßte die Gemeindevertretung Kleinarl in der Sitzung vom 30. Juni 1982 neuerlich den Beschluß, der von den Bf. begehrten Ausnahmegenehmigung zuzustimmen. Diesem Beschluß wurde mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 10. August 1982 gemäß §19 Abs3 iVm. §17 Abs3 lita ROG 1977 die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt.

In der Begründung des Bescheides wird auf ein von der Gemeinde eingeholtes Gutachten eines Amtssachverständigen für Raumordnungsfragen verwiesen, nach dem die Verwirklichung des geplanten Bauvorhabens einen wesentlichen Einbruch in die Grünlandzone bedeuten würde.

b) Mit dem Bescheid vom 22. Oktober 1982 hat die Gemeindevertretung Kleinarl die von den Bf. beantragte Ausnahme von der Wirkung des Flächenwidmungsplanes zur Errichtung eines Zweitwohnhauses auf dem Grundstück ..., KG Mitterkleinarl, abgelehnt.

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß die Landesregierung die Genehmigung des Beschlusses des Gemeinderates auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Raumordnungsfragen gestützt habe, welches die Gemeinde Kleinarl im Zuge ihres eigenen Ermittlungsverfahrens eingeholt habe. Diese Gründe seien von der Gemeinde für die Ablehnung des Ansuchens zu übernehmen gewesen.

c) Die von den Bf. gegen den Bescheid der Gemeindevertretung vom 22. Oktober 1982 erhobene Vorstellung hat die Sbg. Landesregierung mit dem Bescheid vom 19. Jänner 1983 gemäß §63 Abs4 der Sbg. Gemeindeordnung 1976, LGBl. 56/1976, in der geltenden Fassung als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die vorausgegangenen Bescheide der Gemeindevertretung sowie auf den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 15. Juli 1981 und nach Wiedergabe des Inhaltes der einschlägigen Bestimmungen des ROG 1977 und des §72b Abs2 der Sbg. Gemeindeordnung 1976, LGBl. 56/1976, wonach im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren ausschließlich der Gemeinde, nicht aber anderen Personen Parteistellung zukommt, ausgeführt, daß aufgrund der erhobenen Vorstellung zu prüfen gewesen sei, ob die von der Gemeindevertretung der Gemeinde Kleinarl herangezogene Begründung für die Ablehnung des gegenständlichen Ansuchens zutreffe.

Den Vertretern der Vorstellungswerber sei am 16. Dezember 1982 vorgehalten worden, daß die Vorstellungsbehörde nicht beabsichtige, ein weiteres Gutachten eines Sachverständigen für Raumordnungsfragen einzuholen, sondern sich bei ihrer Entscheidung auf die bereits eingeholten Gutachten stützen werde.

Zusammenfassend wird sodann ausgeführt, daß eine widmungsfremde Nutzung des Grünlandes durch eine Verbauung mit einem Wochenendhaus schon den grundsätzlichen, im Flächenwidmungsplan zum Ausdruck gebrachten Raumordnungsgedanken widersprechen würde. Aufgabe der von der Gemeinde wahrzunehmenden örtlichen Raumplanung sei es nämlich, im Rahmen eines Flächenwidmungsplanes für eine geordnete Flächennutzung unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Struktur des Gemeindegebietes Sorge zu tragen. Daher erscheine der Sbg. Landesregierung als erwiesen, daß die Gemeindevertretung der Gemeinde Kleinarl bei der Beurteilung der Frage, ob der beabsichtigten Ausnahme vom Flächenwidmungsplan Interessen der Flächennutzung entgegenstünden, mit stichhaltiger Begründung von ihrem Ermessen iS des Raumordnungsgesetzes 1977 Gebrauch gemacht habe, sodaß die Vorstellungswerber in keinem Recht verletzt seien und die Vorstellung daher als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

4. Gegen den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 19. Jänner 1983 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) verletzt worden zu sein. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §19 Abs1 ROG 1977 können Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich bedürfen, vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden.

Die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung der Bewilligung einer Ausnahme von den Bestimmungen des §19 Abs1 ROG 1977 stützt sich im wesentlichen auf §19 Abs3 ROG 1977. Diese Bestimmung lautet:

"(3) Ausnahmen von den Bestimmungen des Abs1 können, wenn es sich nicht um Appartementhäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) über Ansuchen des Grundstückseigentümers und nach Anhörung der Anrainer durch Bescheid bewilligt werden, wenn das Vorhaben der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Landesregierung; die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Einlangen des Beschlusses der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg des Gemeinderates) bei der Landesregierung von dieser versagt wird. Die Genehmigung darf von der Landesregierung nur versagt werden, wenn die Ausnahme gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des §17 Abs3 bewirken würde. Wird ein die Genehmigung der Landesregierung versagender Bescheid auf Grund eines hiegegen eingebrachten Rechtsmittels aufgehoben, so beginnt mit der Zustellung des betreffenden Erkenntnisses die dreimonatige Frist neu zu laufen. Abs1 letzter Satz gilt für Ausnahmeansuchen sinngemäß. Eine erteilte Ausnahme kann bekanntgemacht werden; sie wird unwirksam, wenn nicht binnen drei Jahren ab Rechtskraft die Bewilligung Genehmigung oder dgl. erwirkt wird, auf die sie abgestellt ist, oder wenn deren Wirksamkeit entsprechend den hiefür geltenden Bestimmungen erlischt."

Nach der Bestimmung des §17 Abs3 ROG 1977, auf die §19 Abs3 ROG 1977 hinsichtlich der Versagung der dort vorgesehenen Genehmigung der Landesregierung verweist, hat die Landesregierung die Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes zu versagen:

"a) bei Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen dieses Gesetzes;

b) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Entwicklungsprogrammen;

c) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Planungen der angrenzenden Gemeinden.

Der Ausweisung eines Zweitwohnungsgebietes oder eines Gebietes für Einkaufszentren ist insbesondere dann die Genehmigung zu versagen, wenn sie den überörtlichen strukturellen Entwicklungszielen zuwiderläuft. Bei Einkaufszentren hat als solches Ziel insbesondere die Aufrechterhaltung und Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern zu gelten."

Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §19 Abs3 ROG 1977 sind beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles Bedenken nicht entstanden (vgl. die Rechtsprechung zu der im wesentlichen mit §19 Abs3 ROG 1977 übereinstimmenden Vorschrift des §19 Abs3 ROG 1968 VfSlg. 6494, 6510, 6550/1971, 8150/1977).

2. §72b Abs2 der Sbg. Gemeindeordnung 1976, LGBl. 56/1976, lautet:

"(2) Im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren kommt ausschließlich der Gemeinde Parteistellung zu."

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bestehen deswegen nicht, weil das aufsichtsbehördliche Genehmigungsverfahren für das Verfahren über die Erteilung einer Bewilligung von Ausnahmen von den Bestimmungen des §19 Abs1 ROG 1977 im Verhältnis zwischen Bewilligungsbehörde und der Partei keine Bindungswirkung entfaltet und die Entscheidung der Landesregierung im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren die Partei nicht hindert, die Entscheidung der Gemeinde (über das Ansuchen des Grundstückseigentümers) in jeder Richtung zu bekämpfen (vgl. VwGH 26. Juni 1980 Z 651/78; VfSlg. 10092/1984).

3. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.

Die Bf. besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sodaß eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 9381/1982). Der VfGH hat geprüft, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sind. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte diese Rechtsverletzung nur vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann gegeben wäre, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981). Die bel. Beh. hat vor der Abweisung der Vorstellung den Bf. Gelegenheit gegeben, zu den beabsichtigten Gründen, die zur Abweisung der Vorstellung führen, Stellung zu nehmen. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, daß die Vorstellung nicht in Bindung an die Entscheidung des vorausgegangenen aufsichtsbehördlichen Verfahrens bei der Versagung der Genehmigung des Beschlusses des Gemeinderates vom 30. Juni 1982 abgewiesen wird. Sie ist damit - im Gegensatz zu dem Beschwerdefall B650/81 vom 29. Juni 1984 - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zur Auffassung gelangt, daß die Bf. durch den Bescheid der Gemeindevertretung vom 22. Oktober 1982 in subjektiven Rechten nicht verletzt worden sind. Es kann keine Rede davon sein, daß die bel. Beh. so fehlerhaft vorgegangen wäre, daß die Fehlerhaftigkeit einer Gesetzlosigkeit gleichgehalten werden müßte. Ob die Entscheidung in richtiger Anwendung des Gesetzes ergangen ist, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sind die Bf. nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist es auch ausgeschlossen, daß sie wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gemeinderecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Vorstellung, Raumordnung, Parteistellung, Bindung (Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B119.1983

Dokumentnummer

JFT_10158797_83B00119_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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