TE Vfgh Erkenntnis 1984/12/3 B658/80

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Veröffentlicht am 03.12.1984
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
ASVG §49 Abs3 Z2

Leitsatz

ASVG; Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm infolge Anlaßfallwirkung der Aufhebung einiger Worte in §49 Abs3 Z2; keine Trennbarkeit des vorgeschriebenen Betrages in einen rechtskräftig vorgeschriebenen Teil und einen aufgrund des angefochtenen Bescheides zu entrichtenden Teil

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit dem Bescheid der Tir. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 11. August 1980 wurde der Bf. als Inhaber eines Gerbereibetriebes (Arbeitgeber) "gemäß §§49, 51 und 54 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, §62 Abs2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG), BGBl. Nr. 199/1958, §5 Abs4 des Bundesgesetzes über die Einhebung des Wohnbauförderungsbeitrages, BGBl. Nr. 13/1952, §12 Abs2 des Bundesgesetzes über die Wohnungsbeihilfe, BGBl. Nr. 229/1951, §13 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974, §12 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG), BGBl. Nr. 324/77, sowie §19 des Arbeiterkammergesetzes, BGBl. Nr. 105/1954, alle in den jeweils geltenden Fassungen, verpflichtet, den Betrag von 137457,62 S an die Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu bezahlen."

Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Tir. Gebietskrankenkasse beim Bf. vom 5. März 1980 bis 7. März 1980 eine (den Zeitraum vom 1. März 1975 bis 28. Feber 1980 umfassende) Beitragsprüfung durchgeführt. Dabei habe festgestellt werden können, daß in 228 Fällen beitragspflichtige Löhne und in 12 Fällen beitragspflichtige Sonderzahlungen nicht bzw. unrichtig zur Beitragsverrechnung gemeldet worden seien. In 3 Fällen habe außerdem das gemeldete Eintrittsdatum und in einem Fall das gemeldete Austrittsdatum mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereingestimmt. Aus der Aufstellung über Entgeltdifferenzen sowie aus der Beitragsnachrechnung vom 7. Mai 1980 ergebe sich eine Beitragsnachrechnung in der Höhe von 137457,62 S.

b) In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch bekämpfte der Bf. lediglich die Einbeziehung der Schmutzzulagen in die Bemessungsgrundlage. Dieser Einspruch wurde damit begründet, daß die Höhe der Schmutzzulage in dem für das Bundesland Tirol geltenden Kollektivvertrag erst ab 1. Oktober 1979 mit 20 vH des Kollektivvertragslohnes festgesetzt worden sei.

c) Der Einspruch des Bf. wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. November 1980 gemäß §§412 bis 414 ASVG als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. November 1980 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. In dieser wird der Antrag gestellt, "auszusprechen, daß der angefochtene Bescheid und die Anwendung des §49 Abs3 Ziffer 2 ASVG ... den Beschwerdeführer in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Gerbereiunternehmern in Österreich gemäß Art7 Abs1 BVG" verletze. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der VfGH von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "oder kollektivvertraglicher Regelungen" in §49 Abs3 Z2 ASVG, BGBl. 189/1955, idF der 29. Nov., BGBl. 31/1973, eingeleitet.

Mit dem Erk. vom 28. Juni 1984, G36, 37/82 ua., wurde die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Im Bescheid der Tir. Gebietskrankenkasse vom 11. August 1980 ist die vom Bf. als Arbeitgeber bis zum 31. Jänner 1979 gezahlte Schmutzzulage in der Höhe von 20 vH des Kollektivvertragslohnes in die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Sozialversicherungsbeiträge einbezogen worden. Ab 1. Feber 1979 entfiel nach dem für den Bereich des Landes Tirol geltenden Kollektivvertrag die Einbeziehung einer Schmutzzulage in der Höhe von 10 vH und ab 1. Oktober 1979 in der Höhe von 20 vH des Kollektivvertragslohnes.

Da sich der vom Bf. gegen den Bescheid der Tir. Gebietskrankenkasse erhobene Einspruch nur gegen die Einbeziehung der Schmutzzulage in die Bemessungsgrundlage gerichtet hat, ist die darin enthaltene Vorschreibung einer Geldleistung an den Bf., soweit sie nicht die durch die Einbeziehung der Schmutzzulage in die Bemessungsgrundlage vorgeschriebene Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen zum Gegenstand hat, in Rechtskraft erwachsen.

Bei der Entscheidung über den Einspruch hatte die bel. Beh. die Bestimmung, die nach dem in Punkt II angeführten Erk. als verfassungswidrig aufgehoben wurde, anzuwenden. Auch auf diese Bestimmung stützt sich die Vorschreibung des Betrages von 137457,62 S, dessen Trennung in einen aufgrund des rechtskräftigen Bescheides der Tir. Gebietskrankenkasse zu entrichtenden Teil und in einen aufgrund des angefochtenen Bescheides zu entrichtenden Teil zwar rechnerisch möglich sein sollte, dem VfGH aber wegen der in den Berechnungsformularen verwendeten Abkürzungen nicht möglich ist.

Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß nach der durch die Aufhebung der angeführten Worte in §49 Abs3 Z2 ASVG bestimmten Rechtslage für den Bf. eine Änderung in der Vorschreibung zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen eintritt.

Der Bf. ist somit durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, Bescheid Rechtskraft, Bescheid Trennbarkeit, Sozialversicherung, Beitragspflicht (Sozialversicherung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B658.1980

Dokumentnummer

JFT_10158797_80B00658_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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