TE Vfgh Beschluss 1984/12/6 V27/84

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Veröffentlicht am 06.12.1984
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StVO 1960 §43
StVO 1960 §45
FahrverbotsV des Magistrats Graz vom 20.08.84

Leitsatz

B-VG Art139 Abs1; Individualantrag auf Aufhebung der V des Magistrats Graz vom 20. August 1984, mit der gemäß §43 StVO 1960 ein Fahrverbot mit bestimmten Ausnahmen erlassen wurde; kein aktueller Eingriff in rechtlich geschützte Interessenssphäre; Verwaltungsrechtsweg in Form des Antrages auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß §45 StVO 1960 zumutbar; Mangel der Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Magistrat Graz erließ am 20. August 1984 unter

Z A 10/1-702/23-1984 die folgende V:

"Gemäß §43 der StVO 1960, in der derzeit gültigen Fassung, wird für die Waagner-Biro-Straße im Bereich des Werkes der Fa. Waagner-Biro 'Fahrverbot' mit dem Zusatz 'Ausgenommen Zufahrt zum Werk und Durchfahrt für Fahrzeuge über 16 to höchstzulässigem Gesamtgewicht und Kraftwagenzüge' verordnet.

Diese Verordnung tritt ab 3. September 1984 in Kraft.

Die Kosten für die Beschaffung, Aufstellung und Erhaltung sämtlicher Verkehrszeichen und Hinweisschilder sind von der Fa. Waagner-Biro zu tragen."

2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter, die zitierte V zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben. Sie legen dar, weshalb sie die V für rechtswidrig erachten und begründen ihre Antragslegitimation - nach einer Wiedergabe der Rechtslage - wie folgt:

"Sämtliche antragstellenden Firmen haben ihren Firmenbesitz bzw. ihre Betriebsstätten in der Waagner-Biro-Straße in Graz, wobei ein Teil der Firmen ihren Firmensitz südlich des Betriebsgeländes der Fa. Waagner-Biro hat, während die Fa. Eisner ihren Firmensitz nördlich des Betriebsgeländes der Fa. Waagner-Biro hat. Durch die angefochtene Norm wird aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Firmen eingegriffen, und zwar wird durch die Norm die Zufahrt zu den Firmen, die ihren Firmensitz bzw. ihre Betriebsstätte südlich des Betriebsgeländes der Fa. Waagner-Biro besitzen, aus Richtung Norden für Fahrzeuge unter 16 to unmöglich gemacht und für jene Firma, die ihren Sitz nördlich des Bertriebsgeländes der Fa. Waagner-Biro hat, wird die Zufahrt zur Firma aus Richtung Süden für Fahrzeuge unter 16 to unmöglich gemacht.

Es ist sohin offenkundig, daß die Antragsteller von der bekämpften Verordnung nicht bloß potentiell, sondern aktuell betroffen sind. Die Zulässigkeit der Individualbeschwerde nach Art139 B-VG scheint daher auf Grund der direkten Einwirkung der Verordnung auf die antragstellenden Firmen gerechtfertigt."

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von V auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß in der V eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht. Dabei ist von jener Wirkung der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. zB VfSlg. 9741/1983, S 3 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

2. Die bekämpfte V verbietet im Bereich des Werkes der Waagner-Biro AG für Fahrzeuge mit weniger als 16 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht (sofern es sich nicht um Kraftwagenzüge handelt) die Durchfahrt durch die Waagner-Biro-Straße.

Die Antragsteller erachten sich der Sache nach durch diese V dadurch in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt, daß die Zufahrt (mit kleineren Fahrzeugen) zu ihren Betriebsstätten dadurch wesentlich erschwert werde, daß dorthin nicht mehr auf der kürzestmöglichen Strecke zugefahren werden dürfe. Mit diesem Vorbringen wird aber eine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragsteller nicht dargetan. Auch wenn sie durch die bekämpfte V stärker berührt werden sollten als andere Verkehrsteilnehmer, genießt ihr Interesse an der Teilnahme am Gemeingebrauch der Straße rechtlichen Schutz doch nur in jenem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein gezogen ist. Besondere Umstände, die es erlauben würden, einen aktuellen Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessenssphäre anzunehmen - wie etwa das Verbot des Anfahrens eines Warenumschlagplatzes (VfSlg. 8984/1980 und VfGH 17. Juni 1983 V32/80) oder die Sperre der Zufahrt zu einem Grundstück (VfSlg. 9089/1981) - sind nicht zu erkennen (vgl. zB VfSlg. 9741/1983, S 4 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Dazu kommt, daß den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die behauptete Rechtswidrigkeit der V geltend zu machen. Es wäre ihnen nämlich möglich, eine Ausnahmebewilligung iS des §45 StVO 1960 zu beantragen. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung vom allgemeinen Fahrverbot gegeben sind, muß in einem (auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten) Verwaltungsverfahren geklärt werden. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für den Antragsteller aufzuheben. Damit steht diesem ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der V von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den VfGH heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. VfSlg. 9740/1983, S 4 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung).

Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:V27.1984

Dokumentnummer

JFT_10158794_84V00027_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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