TE Vfgh Erkenntnis 1985/2/27 B538/84

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Veröffentlicht am 27.02.1985
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art11 Abs2
B-VG Art83 Abs2
AVG §8
Vlbg LandschaftsschutzG §28

Leitsatz

Vbg. LandschaftsschutzG; keine Bedenken gegen §28 Abs3, der dem Landschaftsschutzanwalt bestimmte Parteirechte einräumt, unter dem Gesichtspunkt des Art11 Abs2 B-VG; hier kein Berufungsrecht des Landschaftsschutzanwaltes; keine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid vom 4. April 1984 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz dem Land Vbg. gemäß §10 Abs2 iVm. §§5 und 3 Abs1 litc des Vbg. LandschaftsschutzG, Anlage zu LGBl. 1/1982 (LSchG), die Bewilligung zur Neutrassierung eines Stückes der Bildsteinerstraße. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf., der nach §28 LSchG von bestimmten Vereinigungen als Vertreter zur Wahrnehmung von Interessen des Landschaftsschutzes (Landschaftsschutzanwalt) benannt worden war, Berufung. Sein Antrag auf Prüfung vorgeschlagener Varianten sei von der Bewilligungsbehörde abgewiesen worden, es sei von Variantenvorschlägen gesprochen worden, die ihm nicht bekanntgeworden seien und außerdem seien auch bestimmte Gutachten übersehen worden.

Die Vbg. Landesregierung wies die Berufung mit Bescheid vom 4. Mai 1984 als unzulässig zurück. In den von der Berufung aufgeworfenen Fragen räume das Gesetz dem Landschaftsschutzanwalt Parteistellung nicht ein. Hiebei bezog sich die Landesregierung insbesondere auf den Abs3 im §28 LSchG, der folgendermaßen lautet:

"(3) Dem Landschaftsschutzanwalt ist in den im §26 Abs2 genannten Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken sowie zur Sache und zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen. Der Landschaftsschutzanwalt hat das Recht auf Akteneinsicht im Umfang des §17 AVG 1950. Schriftlich erlassene Bescheide sind ihm zuzustellen. Hinsichtlich der Zustellung schriftlicher Ausfertigungen mündlich verkündeter Bescheide an den Landschaftsschutzanwalt gilt §62 Abs3 AVG 1950 sinngemäß."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und Gleichheit vor dem Gesetz gerügt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zunächst verweist der Gerichtshof auf das einen in den wesentlichen Belangen gleichgelagerten Fall betreffende Erk. des VwGH

Z 84/10/0052, 0053 vom 9. April 1984, mit dem eine Beschwerde des Landschaftsschutzanwaltes gegen einen Bescheid der Vbg. Landesregierung als unbegründet abgewiesen wurde. Der beim VwGH angefochtene Bescheid betraf die Zurückweisung einer vom Anwalt deswegen erhobenen Berufung, weil von ihm gestellte Beweisanträge unberücksichtigt geblieben waren. Der VwGH erachtete die Beschwerde als zulässig, weil der Bf. behauptete, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten als Landschaftsschutzanwalt verletzt worden zu sein und eine solche Rechtsverletzung nicht von vornherein als unmöglich anzusehen sei.

Der VfGH vertritt für den Bereich des vom Art144 B-VG beherrschten Beschwerdeverfahrens die gleiche Auffassung. Da es im Hinblick auf §28 Abs3 LSchG nicht zweifelhaft ist, daß dem Landschaftsschutzanwalt bestimmte Verfahrensrechte eingeräumt sind, ist ein Streit über Inhalt und Umfang der ihm zustehenden Rechte und über ihre Durchsetzbarkeit im Rechtsmittelverfahren nicht von der Hand zu weisen.

2. Der Bf. des vorliegenden Beschwerdefalles zieht der Sache nach die Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs3 LSchG mit demselben Argument in Zweifel, das an den VwGH herangetragen und von diesem Gerichtshof folgendermaßen beantwortet worden war:

"Der VwGH teilt die Meinung des Beschwerdeführers nicht, §28 Abs3 LSchG sei aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art11 Abs2 B-VG) deshalb verfassungsrechtlich bedenklich, weil diese Bestimmung eine beschränkte Parteistellung schaffe und solcherart ohne Notwendigkeit in einen vom Bedarfsgesetzgeber bereits ausgefüllten Bereich eingreife:

§28 Abs3 LSchG begründet erst die durch den Materiengesetzgeber zu gewährenden Rechte oder rechtlichen Interessen des Landschaftsschutzanwaltes, deren Folge die Parteistellung gemäß §8 AVG 1950 und die aus ihr nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz zustehenden Parteirechte sind. Die aus der Parteistellung erfließenden Rechte im Verfahren stehen daher im Dienste der Rechte oder rechtlichen Interessen, welche der Materiengesetzgeber gewährt. Die zur Durchsetzung der aus §28 Abs3 LSchG dem Landschaftsschutzanwalt zustehenden Ansprüche vom Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz verbürgten Parteirechte wurden aber durch §28 Abs3 LSchG in keiner Richtung beschränkt."

Dieser Auffassung des VwGH schließt sich der VfGH an. Dem angefochtenen Bescheid haftet sohin kein im Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG wahrzunehmender Fehler an, der aus einer verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit des §28 Abs3 LSchG abzuleiten wäre.

3. Der VfGH teilt den Standpunkt des VwGH aber auch insoweit, als dieser das vom Landschaftsschutzanwalt in Anspruch genommene Berufungsrecht mit nachstehender Begründung verneinte:

"In Ansehung dieser" (scilicet aus §28 Abs3 LSchG folgender) "Ansprüche ist der Landschaftsschutzanwalt Partei eines sie berührenden Verwaltungsverfahrens.

Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, daß entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht die Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhaltes auch die Stellung von Beweisanträgen umfaßt.

Damit ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen.

Daß er an der Stellung von Beweisanträgen im Verfahren gehindert worden sei, wird von ihm nicht behauptet. Woran der Beschwerdeführer Anstoß nimmt und sich hiedurch in seinem Recht auf Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes sowie in seinem Recht auf Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme verletzt erachtet, ist, daß die Behörde auf seine Beweisanträge nicht eingegangen ist, obwohl dies zur Feststellung des Sachverhaltes nach Ansicht des Beschwerdeführers notwendig oder zweckmäßig gewesen wäre.

Dem Beschwerdeführer ist durchaus einzuräumen, daß es das objektive Recht der Behörde zur Pflicht macht, für die Entscheidung der vor ihr anhängigen Landschaftsschutzsache wesentliches Vorbringen und wesentliche Anträge zu beachten und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Daraus folgt jedoch noch keineswegs, daß dem Landschaftsschutzanwalt hierauf ein Anspruch zusteht. Ein solcher müßte ihm durch die Rechtsordnung eingeräumt sein. Dies ist nicht der Fall. Ein subjektives Recht darauf, daß die Behörde auf die im Zuge der Mitwirkung des Landschaftsschutzanwaltes von diesem gesetzten Handlungen auch eingeht, ist ihm weder durch §28 Abs3 LSchG noch an anderer Stelle durch die Rechtsordnung gewährt. Zur Durchsetzung eines derartigen Anspruches kommt ihm daher auch Parteistellung und folglich das durch diese vermittelte Berufungsrecht nicht zu. Im Ergebnis wurde die Berufung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde somit zu Recht zurückgewiesen ...".

Für die vorliegende Beschwerdesache folgt aus diesen - vom VfGH geteilten und hier völlig entsprechend zutreffenden - Erwägungen, daß die belangte Landesregierung durch die Zurückweisung der Berufung dem Landschaftsschutzanwalt zu Recht eine Sachentscheidung verwehrte, weshalb die von ihm geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht vorliegt (vgl. zB VfSlg. 9105/1981).

4. Da sich der angefochtene Bescheid sohin als gesetzmäßig erweist, kommt auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, insbesondere die vom Bf. behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes, nicht in Betracht.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Landschaftsschutz, Parteistellung Landschaftsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B538.1984

Dokumentnummer

JFT_10149773_84B00538_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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