TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/17 B373/82

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Veröffentlicht am 17.06.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litd

Leitsatz

UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litd; fälschliche Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes durch die Annahme, daß die Leistung eines Notariatssubstituten keinesfalls die eines Notars sei; davon ausgehend mangelhafte Ermittlung der Frage, welcher Natur das Entgelt für die Leistungen des Substituten sei; Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit dieser über die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1980 abspricht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. nahm in der Umsatzsteuererklärung 1980 für Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Notariatssubstitut in der Höhe von 4485,50 S den ermäßigten Steuersatz von 8 vH nach Z7 litd des §10 Abs2 UStG (Stammfassung) in Anspruch. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion, der insoweit unangefochten blieb, als er die Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit betrifft, wurde demgegenüber ein Steuersatz von 18 vH in Anschlag gebracht. Der Berufungsbescheid verweist dazu auf das Erk. des VwGH vom 29. Jänner 1981, Z 15/1886/79, wonach die Begünstigung nicht von der Art der Tätigkeit, sondern ausschließlich davon abhänge, ob die Leistungen von einem Notar ausgeführt worden seien, unter der Berufsbezeichnung "Notar" aber nur der "ernannte Notar" iS der Notariatsordnung verstanden werden könne. Ernannter Notar sei der Bf. aber nicht gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums gerügt und ausgeführt, die Entscheidung des VwGH habe die Tätigkeit des Notars zutreffend von jener der Notariatskandidaten (als Kurator, Beistand oder Vormund) abgehoben; ein Notariatssubstitut, der die Kanzlei des Notars an dessen Stelle vorläufig fortführe, müsse aber infolge seiner Stellung in verfassungskonformer Auslegung als Notar behandelt werden.

II. Die Beschwerde ist begründet.

§10 Abs2 Z7 litd UStG 1972 ermäßigt den Steuersatz für die sogenannten sonstigen (nicht in Lieferungen bestehenden) Leistungen "aus der Tätigkeit als Notar". Wer Notar ist, sagt die Notariatsordnung, RGBl. 75/1871: die Notare werden vom Staate bestellt und öffentlich beglaubigt (§1 Abs1 NO), nämlich vom Bundesminister für Justiz ernannt (§10 Abs1 NO). Wird durch Urlaub, Krankheit, Abwesenheit, Suspension, Amtsentsetzung, Tod oder Austritt eines Notars oder aus anderen Gründen die Substituierung desselben notwendig, so ist vom Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz am Sitze der Kammer ein Substitut zu bestellen (§119 Abs1 NO), und zwar ein Notar desselben Kammersprengels oder auch ein geeigneter Notariatskandidat oder eine andere geeignete Person, wenn der Betreffende alle Erfordernisse zur Erlangung einer Notarstelle aufweist (§119 Abs3 NO; nur die geforderte Dauer der praktischen Verwendung ist gegenüber dem Ernennungserfordernis herabgesetzt). Der Substitut ist wie der Notar anzugeloben, wie dieser hat er das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen, und über seine Bestellung wird gleichfalls ein Dekret ausgefertigt (§122 NO). Er hat alle Geschäfte des Notars zu besorgen und die Geschäftsregister und Verzeichnisse des Notars weiterzuführen; die dem Notar erteilten Vollmachten gelten auch für den Substituten (§123 Abs1 NO). Sofern er nicht selbst Notar ist, hat er sich des Amtssiegels des Notars zu bedienen, dessen Stelle er vertritt (§123 Abs3 NO). Die für Notare gegebenen Vorschriften finden auch auf ihn Anwendung (§123 Abs4 NO).

Nach Meinung des VfGH kann es keinen Zweifel darüber geben, daß der Notariatssubstitut für die Dauer seiner Bestellung auch dann "Notar" iS der Notariatsordnung ist, wenn ihm diese Eigenschaft sonst nicht zukommt. Daß er nicht schlechthin "Notar" genannt wird, liegt offenbar allein an seiner Stellung als bloß vorübergehender Substitut eines anderen Notars.

Es ist nicht erkennbar, was diesem allein standesrechtlich erklärbaren Unterschied umsatzsteuerliche Bedeutung verleihen könnte.

Die Beschwerde führt dazu aus:

"Da der Honorar- und Gebührenanspruch aufgrund notarieller Tätigkeit nicht wie bei volkswirtschaftlicher Preisbildung die Folge von Angebot und Nachfrage ist, auch nicht frei vereinbart werden darf, sondern ohne Möglichkeit einer Erhöhung oder freiwilligen Minderung exakt im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz festgelegt ist, würde eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Belastung dazu führen, daß der Staatsbürger, der eine Notariatskanzlei aufsucht, infolge der Überwälzungsmöglichkeit für die USt dann einen höheren Gesamtkostenbetrag zahlen müßte, wenn die Amtsstelle zu diesem Zeitpunkt bis zur Neubesetzung verwaist und vorläufig durch einen zum Substituten bestellten Notariatskandidaten fortgeführt wird; wenn er aber etwa zum Nachbarnotariat geht oder zur selben Amtsstelle, auf die inzwischen ein Notar ernannt worden ist, nun weniger zu bezahlen hätte. Das wäre sowohl für den Staatsbürger unverständlich und unbillig, als auch für zeitweilig verwaiste und von Notariatskandidaten aufgrund ihrer Bestellung zum Substituten fortgeführte Amtsstellen von äußerst nachteiligen Folgen. Zweifellos würden in Kenntnis solcher Gesamtkostenunterschiede die Klienten eine solche Amtsstelle meiden; aber auch bei der notariellen Tätigkeit im Auftrag des Gerichts in Form des Gerichtskommissariates würden sich unbillige Ergebnisse einstellen. In jenen Verlassenschaftssachen, die nach der gerichtlichen Verteilungsordnung einer Amtsstelle zukommen, die zeitweilig von einem Notariatskandidaten als Substitut dieser Amtsstelle versehen werden, müßten, sollte hier ein höherer USt-Satz zur Anwendung kommen, die Richter dementsprechend höhere Gerichtskommissionsgebühren zuerkennen und die Parteien dementsprechend höhere Kosten bezahlen. Völlig verworren würde die Situation aber dann, wenn eine notarielle oder eine gerichtskommissionelle Tätigkeit zunächst von dem auf die betreffende Amtsstelle ernannten Notar begonnen, zufolge dessen späterer Verhinderung oder Ablebens von dem Substituten fortgesetzt, gegebenenfalls aber von einem inzwischen gesundeten oder auf die Amtsstelle neu ernannten Notar beendet wird. Welcher USt-Satz nun letztlich anzuwenden wäre, könnte überhaupt nicht gesagt werden."

Die bel. Beh. setzt dem nur entgegen:

"Wenn schließlich auch der Bf. bei der Substitution nach dem eigenen Vorbringen 'wie ein Notar' aufgetreten ist, so war doch bereits aus der geringen Höhe der für seine diesbezügliche Tätigkeit erzielten Einnahmen zu erkennen, daß es sich dabei keineswegs um die von einem Notar ... in Rechnung zu stellenden Entgelte, sondern bloß um eine Entlohnung für die Substitution handelt."

In diesem Satz liegt indessen der Schlüssel für die Lösung der verfassungsrechtlichen Frage und für die Bewertung des angefochtenen Bescheides. Als die Tätigkeit eines Notars müßte die Leistung des Substituten nämlich - unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes - nur im Verhältnis zum Klienten angesehen werden, dem gegenüber sie tatsächlich in jeder Hinsicht als solche eines Notars erscheint. Hingegen wäre es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Leistung im Verhältnis zum vertretenen Notar - sofern sie in diesem Verhältnis nicht überhaupt unselbständige Tätigkeit (des angestellten Notariatskandidaten) ist - nach der sonstigen Qualifikation des Substituten beurteilt würde, mithin je nach den Umständen auch bloß als (selbständige) Leistung eines Notariatskandidaten oder einer anderen Person, die nicht Notar ist.

Ausgehend von ihrer verfassungsrechtich bedenklichen Rechtsansicht, daß die Leistung des Substituten keinesfalls die eines Notars sei, hat es die Behörde aber unterlassen zu klären, ob der in Rede stehende Betrag bloß das Entgelt für die Vertretungstätigkeit oder das von Klienten direkt gezahlte Honorar ist. Wenn auch im Regelfall der Substitut im Namen des Vertretenen Rechnung legt und selbst - wenn überhaupt - von diesem nur eine geringfügige Vergütung erhält, ist es doch möglich, daß die Leistung auch im Außenverhältnis als seine Leistung honoriert wurde.

Der angefochtene Bescheid ist daher als gleichheitswidrig aufzuheben (vgl. einen ähnlichen Fall mangelhafter Ermittlung aufgrund gleichheitswidriger Auslegung in VfSlg. 9666/1983).

Schlagworte

Umsatzsteuer, Steuersätze (Umsatzsteuer), Notare

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B373.1982

Dokumentnummer

JFT_10149383_82B00373_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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