TE Vfgh Erkenntnis 1985/9/27 B516/80

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Veröffentlicht am 27.09.1985
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art83 Abs2
GewO 1973 §340 Abs2

Leitsatz

GewO 1973 §340 Abs2; Zurückweisung einer Berufung der Innung der Optiker in der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gegen einen positiven gewerberechtlichen Bescheid; kein Berufungsrecht der Innung; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. J F meldete am 13. Dezmeber 1978 beim Magistratischen Bezirksamt für den 1./8. Bezirk in Wien das Gewerbe "Optiker gemäß §94 Z60 GewO 1973" in einem Standort im 1. Bezirk an und berief sich hinsichtlich des Befähigungsnachweises (ua.) auf den an ihn ergangenen Nachsichtsbescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 21. Juni 1977. Nachdem die Innung der Optiker in der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien ein negatives Gutachten über den Befähigungsnachweis abgegeben hatte, stellte das Magistratische Bezirksamt mit Bescheid vom 23. April 1979 gemäß §340 Abs1 GewO 1973 (alle Zitierungen dieses Gesetzes beziehen sich - soweit nichts anderes angegeben ist - stets auf seine Stammfassung BGBl. 50/1974) fest, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder im betreffenden Standort vorliegen. Gegen diesen Bescheid erhob die Innung Berufung, über welche im Devolutionsweg der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie mit Bescheid vom 27. Mai 1980 entschied. Der Bundesminister wies das Rechtsmittel als unzulässig zurück und begründete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

"In einem Verfahren betreffend Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines angemeldeten Gewerbes (§340 GewO 1973) käme der fachlich zuständigen Landesinnung nur dann (volle) Parteistellung und damit ein Berufungsrecht zu, wenn eine derartige Nachsicht eine unmittelbare Berührung der subjektiven Rechtssphäre dieser Landesinnung mit sich brächte - mit dem in Rede stehenden Bescheid müßte somit über subjektive Rechte dieser Landesinnung abgesprochen werden; die bloße Berührung der wirtschaftlichen Interessenssphäre genügt hingegen nicht. Ein Berufungsrecht steht der Einschreiterin im Gewerbeanmeldungsverfahren demnach nur insoweit zu, als ihr dieses bzw. die Parteistellung in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich eingeräumt wird. Die für die Gewerbeanmeldung maßgebende Verfahrensbestimmung des §340 Abs2 GewO 1973 sieht nur ein Mitwirkungsrecht der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft hinsichtlich der Frage des Befähigungsnachweises, somit zur Beurteilung von Umständen rein tatsächlicher Natur, vor. Die Grenzen dieses Rechtes der zuständigen Gliederung auf Teilnahme am Verwaltungsverfahren werden durch den Wortlaut der zitierten Bestimmung, der die Gliederung ausdrücklich auf das Recht zur Abgabe eines 'Gutachtens' beschränkt (zum Unterschied von der Regelung etwa hinsichtlich des Nachsichtsverfahrens durch §346 Abs3 und 4 GewO 1973, die neben dem Begutachtungsrecht auch ein Berufungsrecht umfaßt), abgesteckt. Dieses auf die Abgabe eines Gutachtens beschränkte Mitwirkungsrecht ist im Sinne des VwGH-Erkenntnisses vom 2. Juli 1969, Zl. 192/66, nicht im Sinne einer vollen Parteistellung auszulegen."

2. Gegen den Bescheid des Bundesministers richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher die bf. Partei eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die von der bf. Partei geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wäre nach der Lage dieses Beschwerdefalles gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (zB VfSlg. 9737/1983) nur gegeben, wenn die bel. Beh. die erhobene Berufung zu Unrecht zurückgewiesen und dadurch die verlangte Sachentscheidung verweigert hätte. Dies trifft jedoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen, nicht zu.

§340 Abs2 GewO 1973 bestimmt in seinem ersten Satz, daß die Bezirksverwaltungsbehörde vor Erlassung des Bescheides (im Anmeldungsverfahren), falls ein Befähigungsnachweis auf andere Weise als durch Vorlage eines Prüfungszeugnisses zu erbringen ist, die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft unter Anschluß der Nachweisbelege aufzufordern hat, innerhalb einer Frist von sechs Wochen ein Gutachten über den Befähigungsnachweis abzugeben. Ein Berufungsrecht der zuständigen Handelskammergliederung, insbesondere im Fall, daß die behördliche Entscheidung dem Gutachten widerspricht, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die bezogene Gesetzesvorschrift unterscheidet sich insofern von einer Reihe vergleichbarer (unterschiedliche materielle Bereiche betreffender) Bestimmungen in der GewO 1973, welche - an ein der zuständigen Handelskammergliederung eingeräumtes Begutachtungsrecht anknüpfend - das betreffende Organ zur Erhebung einer Berufung gegen die behördliche Entscheidung legitimieren, wenn diese dem (fristgerecht abgegebenen) Gutachten widerspricht (oder wenn die Gliederung nicht gehört worden ist). Der Gerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf die ausdrücklich festgelegte Berufungsbefugnis im §344 Abs1 hinsichtlich des Bewilligungsverfahrens (bei konzessionierten Gewerben), in §346 Abs4 (idF BGBl. 253/1976) bezüglich des Nachsichtsverfahrens, in §347 Abs3 hinsichtlich des Verfahrens betreffend die Ausübung eines Gewerbes in der Form eines Industriebetriebes sowie in §348 Abs2 bezüglich des Feststellungsverfahrens der Oberbehörde über die Anwendbarkeit der gewerberechtlichen Vorschriften und über den aufrechten Bestand von Gewerbeberechtigungen. Dieser Vergleich mit den bezüglich des Begutachtungsrechtes ähnlichen, in Ansehung der Berufungsberechtigung jedoch abweichenden Vorschriften der Gewerbeordnung 1973 erweist nach Ansicht des VfGH mit kaum überbietbarer Deutlichkeit, daß eine gezielt differenzierte Regelung des Gesetzgebers vorliegt. Sie zwingt zum Schluß aus dem Nichtbestehen einer Regelung über eine Rechtsmittellegitimation in §340 Abs2, daß der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft ein Berufungsrecht (auch) im Bereich ihrer Begutachtungsbefugnis nicht zukommt. An diesem maßgeblichen Gesichtspunkt gehen die Überlegungen der Bf. vorbei, wenn sie sich auf die hier strittige Frage nicht betreffende allgemeine Vorschriften des HandelskammerG über Zweck, Mitgliedschaft und Aufgaben der Handelskammern im selbständigen Wirkungsbereich (§1, §3 Abs2 und §4 Abs2) iVm. §8 AVG beruft.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der belangte Bundesminister die von der bf. Partei erhobene Berufung zu Recht zurückwies.

2. Das Beschwerdeverfahren ergab keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen als dem geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden habe.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht, Verwaltungsverfahren Berufung, Parteistellung Gewerberecht, Amtspartei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B516.1980

Dokumentnummer

JFT_10149073_80B00516_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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