TE Vfgh Erkenntnis 1985/10/9 V12/83, V13/83

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Veröffentlicht am 09.10.1985
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Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
TierseuchenG §11 Abs1 Z1 idF BGBl 1934 II/348
Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23.04.76 über die tierärztliche Untersuchung von Wiederkäuern. Einhufern und Schweinen bei Transporten und die hiefür zu entrichtenden Gebühren. LGBl 35/1976 §3

Leitsatz

Stmk. TransportbeschaugebührenV; Bedenken des Antragstellers gegen §3 und gegen Teile des ArtI Z1 der Anlage dieser V unter Hinweis auf VfSlg. 10075/1984 unbegründet

Spruch

Den Anträgen wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Beim VwGH sind drei Verfahren über Beschwerden gegen Gebührenvorschreibungen gemäß §3 der V des Landeshauptmannes der Stmk. vom 23. April 1976 über die tierärztliche Untersuchung von Wiederkäuern, Einhufern und Schweinen bei Transporten und die hiefür zu entrichtenden Gebühren (TransportbeschaugebührenV), LGBl. 35/1976, anhängig. Aus Anlaß der ersten beiden Beschwerden stellte der VwGH zu A14, A15/83 (hg. unter V12/83 eingetragen) den Antrag, §3 der TransportbeschaugebührenV und in ArtI Z1 der Anlage dieser V die Worte "Rinder über drei Monate 9,-" und "Kälber bis 3 Monate, Schweine, Schafe und Ziegen 5,50", sowie aus Anlaß des dritten Beschwerdefalles zu A16/83 (hg. unter V13/73 eingetragen) den Antrag, §3 der TransportbeschaugebührenV und in ArtI Z1 der Anlage dieser V die Worte "Einhufer 12,50", "Rinder über 3 Monate 9,00" und "Kälber bis 3 Monate, Schweine, Schafe und Ziegen 5,50" als gesetzwidrig aufzuheben.

Nach den Ausführungen des VwGH sind die bei ihm bekämpften Bescheide damit begründet, daß gemäß §1 Abs2 der TransportbeschaugebührenV Transporte von Wiederkäuern, Einhufern und Schweinen für ein Schlachthaus, einen Schlachtviehmarkt oder Stechviehmarkt bei der Ausladung tierärztlich zu untersuchen seien, daß gemäß §3 der V die Parteien für die tierärztliche Untersuchung zur Deckung der aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten Gebühren nach dem in der Anlage zu dieser V angeführten Gebührentarif zu entrichten hätten und daß diese Gebühren tarifgemäß vom jeweiligen Tierarzt vorgeschrieben worden wären. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich, daß bei der Bestimmung der Gebühren die in ArtI Z1 der Anlage zum Gebührentarif im jeweiligen Verordnungsprüfungsantrag bekämpften Gebührenansätze angewendet worden seien. Rechtsgrundlage der beim VwGH angefochtenen Bescheide seien somit §3 und die in den Anträgen an den VfGH näher genannten Tarifansätze des ArtI Z1 der Anlage zur genannten V; diese Bestimmungen seien deshalb bei der Entscheidung über die gemäß Art131 B-VG erhobenen Beschwerden anzuwenden und also in diesen Beschwerdesachen präjudiziell.

1.2. Zur Begründung führt der VwGH ua. wörtlich aus:

"4.1. Die im Tierseuchengesetz geregelten Maßnahmen zur Abwehr und Tilgung von Tierseuchen fallen unter den Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z12 B-VG 'Veterinärwesen' und sind daher in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Im Bereich der Länder wird die Vollziehung dieser Angelegenheiten im Sinne des Art102 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung ausgeübt.

Der Aufwand, der sich aus der Besorgung der aus dem Tierseuchengesetz erwachsenden Ausgaben ergibt, ist daher gemäß §2 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 - F-VG 1948, BGBl. Nr. 45/1948, vom Bund zu tragen, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt.

Das Finanzausgleichsgesetz 1973 - FAG 1973, BGBl. Nr. 445/1972, bestimmte nun (für den hier maßgebenden Gebührenbemessungszeitraum) im §1 Abs1, daß die Länder nach Maßgabe dort getroffener näherer Regelungen den Personalaufwand der Behörden der allgemeinen Verwaltung in den Ländern einschließlich der Agrarbehörden erster und zweiter Instanz tragen (lita), sowie daß sie auch den Sachaufwand der unter lita angeführten Behörden in dem sich aus den jeweils geltenden Vorschriften ergebenden Ausmaß tragen, wobei als Sachaufwand der gesamte Amtssachaufwand einschließlich aller Reisekosten zu verstehen ist (litb).

Unter Amtssachaufwand ist nach der Rechtsprechung des VfGH der Aufwand zu verstehen, der die Voraussetzungen für das Tätigwerden der amtlichen Organe schafft, dagegen gehört jener Aufwand, der mit der konkreten Tätigkeit der Behörden erst entsteht, nicht mehr dazu, ebensowenig der sogenannte Zweckaufwand, das sind jene Aufwendungen, die von vornherein für einen bestimmten Zweck gemacht werden (Erk. des VfGH vom 19. Juli 1974 Slg. Nr. 7314, mit weiteren Judikaturhinweisen).

4.2. Nach §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes haben die Versender bzw. Empfänger der in §11 näher genannten Tiere für die Untersuchung der Tiere beim Ein- und Ausladen von staatlich ermächtigten Tierärzten den 'zur Deckung der dem Bund aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten' Gebühren zu entrichten, deren Höhe vom zuständigen Landeshauptmann (Bürgermeister von Wien) zu bestimmen ist. Nach den zu Punkt 4.1. genannten Grundsätzen können dem Bund aus der Untersuchung der Tiere durch staatlich ermächtigte Tierärzte nur dann Kosten erwachsen, wenn es sich bei diesen Untersuchungskosten weder um einen von den Ländern zu tragenden Personalaufwand noch um einen Amtssachaufwand handelt.

4.3. §3 der Transportbeschaugebührenverordnung des Landeshauptmannes von Steiermark verpflichtet aber die Parteien zur Entrichtung von Gebühren 'nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung angeführten Gebührentarif' nicht nur 'zur Deckung der dem Bund aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten', sondern schlechthin 'zur Deckung der aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten', somit auch des dem Land Steiermark allenfalls erwachsenden Personalaufwandes (eines mit der Untersuchung betrauten Amtstierarztes) sowie eines allfälligen Amtssachaufwandes. Daß aus den Gebühren auch Amtssachaufwand gedeckt werden soll, ergibt sich aus den §§4 und 5 der Transportbeschaugebührenverordnung. Der VwGH hat gegen die Gesetzmäßigkeit des §3 der genannten Verordnung deshalb Bedenken, weil darnach die Parteien nicht nur zum Ersatz der dem Bund aus der Untersuchung erwachsenden Kosten, sondern auch zum Ersatz der dem Land Steiermark erwachsenden Kosten herangezogen werden können.

4.4. Gegen die Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnungsbestimmung und der im Antrag genannten - präjudiziellen - Teile des ArtI der Anlage zur genannten Verordnung bestehen auch dahingehend Bedenken, daß mit diesen Gebühren nicht nur die effektiv aus der Untersuchung durch einen staatlich ermächtigten Tierarzt erwachsenden Kosten, sondern auch ein anderer mit der Untersuchung nicht im Zusammenhang stehender Aufwand (vgl. §4 Abs3 sowie §5 Abs1 der Verordnung) gedeckt werden soll. Daß die Tarifansätze nicht nur zur Deckung der effektiven Kosten dienen sollen, erweist auch der letzte Satz des ArtI Z1 der Anlage zur Verordnung, wonach für jeden Beschaugang eine Mindestgebühr von S 60,- zu entrichten ist."

2.1. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz äußerte sich dahin, daß den Ausführungen des VwGH in seinen Verordnungsprüfungsanträgen nichts entgegenzuhalten sei. Er regte jedoch an, von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "dem Bund" im §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, idF der Nov. BGBl. 348/1934 II, zu prüfen. Eine solche Prüfung erscheine deshalb angezeigt, weil die Bestimmungen der §§8, 11 und 20 des Tierseuchengesetzes unter der Wirksamkeit der Verfassung 1934 (Bundesverfassungsgesetz vom 20. 7. 1934, BGBl. II Nr. 50, über die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund, der bundesunmittelbaren Stadt Wien, den Ländern, Ortsgemeindeverbänden und Ortsgemeinden) durch die Tierseuchengesetznov. vom 26. 10. 1934, BGBl. II Nr. 348, neu gefaßt worden seien. Durch das Wiederinkrafttreten der Bundesverfassung 1920 idF von 1929 sowie durch das Inkrafttreten des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 erscheine es zweifelhaft, ob im §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes die darin enthaltenen Worte "dem Bund" noch heute dem Rechtsbestand angehörten.

2.2. Der Landeshauptmann von Stmk. verteidigte in der von ihm abgegebenen Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsstellen im wesentlichen wie folgt:

"Dem (Vorbringen des VwGH) ist entgegenzuhalten, daß nach der Stammfassung des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, die Versender bzw. Empfänger für die Untersuchung der Tiere 'zur Deckung der hieraus dem Staate erwachsenden Kosten' Gebühren zu entrichten haben, deren Höhe von den politischen Landesbehörden zu betimmen ist. Nach der Ministerialverordnung vom 15. 10. 1909, RGBl. Nr. 178, mit welcher Durchführungsbestimmungen zu dem Gesetze vom 6. 8. 1909, RGBl. Nr. 177, ... erlassen wurden, sollten damit dem Staatsschatze keine besondere Einnahmequelle eröffnet werden, sondern 'vielmehr die Bestimmung haben, die Kosten der Beschau ohne Belastung des Staatsschatzes zu decken.'

Mit den Transportbeschaugebühren sollten damit die tatsächlich entstandenen Kosten abgedeckt werden; dem Staate (als Ganzes) sollten daraus keine Kosten erwachsen.

An dieser Konzeption ist auch durch die Neufassung des §11 des Tierseuchengesetzes mit der Novelle BGBl. Nr. 348/1934 II keine Änderung eingetreten. Diese Novelle erging nämlich unter der Verfassungsrechtsordnung der 'Verfassung 1934'. Wenn nach der zitierten Novelle nunmehr 'zur Deckung der dem Bunde' aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten Gebühren zu entrichten sind, so sind unter den 'dem Bunde' erwachsenden Kosten wiederum nur jene des Staates im Sinne des 'Bundesstaat Österreich' nach Art1 der Verfassung 1934 zu verstehen. Unter 'dem Bunde' kann nicht die Gebietskörperschaft 'Bund' nach dem B-VG bzw. F-VG 1948 sowie FAG 1973 verstanden werden.

In die selbe Richtung weisen auch die derzeit geltenden Bestimmungen der Ministerialverordnung vom 15. 10. 1909, RGBl. Nr. 178, in der Fassung der Ministerialverordnungen BGBl. II Nr. 407/1934 und BGBl. Nr. 140/1935 (im folgenden kurz Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz genannt) zum §11 des Tierseuchengesetzes. Danach ist rücksichtlich der Höhe der Transportbeschaugebühren 'an dem Grundsatze festzuhalten, daß sie nur dazu dienen sollen, die aus der Durchführung der Untersuchung erwachsenden Kosten ohne Belastung des Bundesschatzes zu decken.'

Auch aus den zitierten Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz (die ebenfalls in der Verfassungsordnung der Verfassung 1934 ihre derzeit geltende Fassung erlangt haben) ist damit zu entnehmen, daß alle tatsächlich aus der Durchführung der Untersuchung erwachsenden Kosten durch die Transportbeschaugebühren abgedeckt werden sollen und nicht bloß die des Bundes als Gebietskörperschaft.

Im übrigen bestehen auch grundsätzliche Bedenken hinsichtlich formalgesetzlicher Delegation gegen die Regelung des §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes. Der zitierten Bestimmung scheint nämlich das verfassungsrechtlich erforderliche Ausmaß der Bestimmtheit zu ermangeln.

Geht man davon aus, daß der §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes eine formalgesetzliche Delegation darstellt, so gehört diese Bestimmung auf Grund des Wiederinkrafttretens des B-VG mit 21. 12. 1945 nicht mehr dem Rechtsbestand an.

Durch den Wegfall der rechtlichen Grundlage wurden jedoch die zu §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes ergangenen Regelungen in der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz in ihrem Bestand aus folgenden Gründen nicht berührt:

Die Regelungen der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz u.a. auch jene zum §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes gehen über den Charakter einer Durchführungsverordnung im Sinne der zu Art18 Abs2 B-VG ergangenen Rechtsprechung des VfGH hinaus. Diese Regelungen stellen nämlich dann keine Durchführungsverordnung dar, wenn sie zwar als Verordnung erlassen wurden, sich jedoch auf eine formalgesetzliche Delegation stützen (vgl. VfGH Slg 3168). Entbehren die in der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz zu §11 Abs1 Z2 enthaltenen Regelungen einer tauglichen gesetzlichen Grundlage, so haben sie den Charakter einer 'gesetzesvertretenden' Verordnung.

Da diese Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz noch vor Wirksamkeit des B-VG erlassen wurde, kommt jedoch eine Aufhebung durch den VfGH unter dem Gesichtspunkt einer verfassungswidrigen selbständigen Verordnung nicht in Betracht (vgl. VfGH Slg. 4092). Gleiches gilt für die durch die Ministerialverordnungen BGBl. II Nr. 407 und BGBl. Nr. 140/1935 erfolgte Änderung der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz. Auch diese wurden nämlich nicht im zeitlichen Geltungsbereich des Bundes-Verfassungsgesetzes, sondern in jenem der Verfassung 1934 erlassen.

Die Regelungen der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz u.a. auch jene zu §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes sind im Geltungsbereich des B-VG in ihren Rechtswirkungen Bundesgesetzen gleichzuhalten. Dies ergibt sich aus der vom VfGH entwickelten Judikatur zur Überleitung von Rechtsvorschriften in die vom B-VG delegierte Rechtsordnung.

Auch sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz seit dem 21. 10. 1945 auf dem durch §2 Z2 des Veterinärrechtsgesetzes, StGBl. Nr. 197, gedeckten Inkraftsetzungsakt der provisorischen Staatsregierung (Akt einer Regierungsgesetzgebung) beruht. Gemäß §2 Z2 des Veterinärrechtsgesetzes wurde nämlich u.a. die Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz wieder in Kraft gesetzt.

Geht man weiters nun davon aus, daß die in Frage stehenden Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz in ihrer Rechtswirkung einem formellen Gesetz gleichzuhalten ist, so dürfte es wohl außer Zweifel stehen, daß alle aus der Durchführung der Untersuchung erwachsenden Kosten bei der Höhe der Gebühren zu berücksichtigen sind und nicht bloß jene, die der Bund als Zweckaufwand nach dem F-VG 1948 bzw. dem FAG 1973 zu tragen hätte. Dafür spricht auch, daß die Gebühren der Untersuchungen nach der Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse und der Mühewaltung der Untersuchungsorgane entsprechend festzusetzen sind.

In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, daß die Transportbeschaugebührenverordnung, LGBl. Nr. 35/1976, in ihrer Promulgationsklausel nicht nur den §11 des Tierseuchengesetzes, sondern auch die Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz als gesetzliche Bestimmung, die die Grundlage für diese Rechtsvorschrift bildet, zitiert. Dies konnte nur aus der Überlegung geschehen, daß die Durchführungsverordnung zum Tierseuchengesetz hinsichtlich ihrer Bestimmungen zum §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes in ihren Rechtswirkungen einem formellen Gesetz gleichzuhalten ist, da diese Bestimmungen als Durchführungsverordnung im Sinne des Art18 Abs2 B-VG die Transportbeschaugebührenverordnung, LGBl. Nr. 35/1976, nicht zu tragen vermögen."

Aus den dargelegten Gründen beantragt der Landeshauptmann für Steiermark den Anträgen des VwGH keine Folge zu geben.

3. Im Prüfungsverfahren kamen keine Umstände hervor, die gegen die Annahme des VwGH sprechen, daß er die angefochtenen Verordnungsstellen in den bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden habe. Die Verordnungsprüfungsanträge sind, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

4. Die Anträge sind jedoch nicht begründet.

4.1. Im §11 des Tierseuchengesetzes, RGBl. 177/1909 idF der Nov. BGBl. 348/1934 II, werden ua. Bestimmungen über die Beförderung von Wiederkäuern, Einhufern und Schweinen mittels KFZ getroffen. Gemäß Z2 dieser Gesetzesstelle sind Tiere beim Ein- und Auslanden von staatlich ermächtigten Tierärzten zu untersuchen. Für die Untersuchung der Tiere haben die Versender bzw. Empfänger "zur Deckung der dem Bunde aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten Gebühren zu entrichten, deren Höhe vom zuständigen Landeshauptmann (Bürgermeister von Wien) zu bestimmen ist."

Der bekämpfte §3 der TransportbeschaugebührenV, LGBl. 35/1976, lautet:

"§3

Für die tierärztliche Untersuchung der Tiere haben die Parteien bei Vornahme der Untersuchung zur Deckung der aus der Amtshandlung erwachsenden Kosten Gebühren nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung angeführten Gebührentarif zu entrichten."

Die im ArtI der Anlage der TransportbeschaugebührenV bekämpften Wortfolgen (sie werden bei der Wiedergabe hervorgehoben) lauten iZm. dem ebenfalls wiedergegebenen Eingangssatz dieser Bestimmung und der Überschrift der Z1 wie folgt:

"In allen Gemeinden der Steiermark haben die Parteien bei Vornahme der Untersuchung zu entrichten:

1. Für die tierärztliche Untersuchung je Tier:

Tiergattung                                    Gebühr Schilling

Einhufer                                            12,50

Rinder über 3 Monate                                 9,-

Kälber bis 3 Monate, Schweine, Schafe und Ziegen     5,50

...                                                  ..."

4.2. Der VfGH hat zu der hier maßgebenden Rechtsfrage bereits in seinem Erk. vom 26. Juni 1984, VfSlg. 10075/1984, Stellung genommen und ausgeführt:

"Das aus der Zeit der Monarchie stammende TierseuchenG, RGBl. 177/1909, hatte im zweiten Satz der Z2 des §11 Abs1 die Gebührenpflicht ursprünglich bloß zur Deckung 'der hieraus dem Staate erwachsenden Kosten' vorgesehen. Erst durch die Novelle vom 26. Oktober 1934, BGBl. 348, erhielt dieser Satz die heute geltende Fassung. Dabei ging die Novelle offenbar davon aus, daß die Kosten zur Untersuchung der Tiere auf Grund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung den Bund träfen und der bisherige Ausdruck 'Staat' daher durch 'Bund' zu ersetzen sei. Ob die damalige Rechtslage damit richtig erfaßt war, braucht hier nicht untersucht werden. Jedenfalls sind die im TierseuchenG vorgesehenen Maßnahmen zur Abwehr und Tilgung von Tierseuchen als Angelegenheiten des Veterinärwesens sowohl in der Fassung 1934 (Art34 Abs1 Z12) als auch im wieder in Kraft getretenen B-VG (Art10 Abs1 Z12) in Gesetzgebung und Vollziehung stets Bundessache geblieben. Und im Erkenntnis VfSlg. 935/1928 hatte der VfGH festgestellt, es entspreche dem bundesstaatlichen Prinzip, daß die Teilgemeinschaften des Bundes und der Länder, die jede über eigene Einnahmen verfügten, die Kosten der in ihre Kompetenz gestellten Funktionen trügen. Offenbar ist in der novellierten Bestimmung also von den Kosten des 'Bundes' deshalb die Rede, weil die Vollziehung des Gesetzes dem Bund zukommt.

'Bund' bezeichnet also nur jenen Teilstaat, dem der Verwaltungsakt zugerechnet wird. Nur auf die kompetenzrechtliche Lage wird bezug genommen. Daß die Vollziehung des Bundes im Bereich der Länder - als mittelbare Bundesverwaltung - durch Landesbehörden ausgeübt wird (Art116 Verfassung 1934, Art102 B-VG), dürfte außer Betracht geblieben sein. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Gebühr nur insoweit geschuldet sein soll, als finanzverfassungs- und finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen den Bund jeweils endgültig mit diesem Aufwand belasten. Was die Frage der internen Kostenaufteilung mit dem Verhältnis der Verwaltung zum Bürger zu tun haben soll, wäre unerfindlich. Daher bleibt es eine Angelegenheit des Verhälntisses zwischen Bund und Ländern, wie der Finanzausgleich auf der Ebene der Verfassung und des einfachen Gesetzes gestaltet ist. Für die Gebührenpflicht ist nicht entscheidend, wie der aus der Untersuchung nach §11 Abs1 Z2 TierseuchenG entstehende Aufwand finanzausgleichsrechtlich einzuordnen wäre. §11 Abs1 Z2 TierseuchenG spricht insoweit auch ganz undifferenziert von 'den Kosten', die (der an sich zuständigen, hier nicht finanzverfassungsrechtlich differenzierend bezeichneten Gebietskörperschaft) aus der Amtshandlung erwachsen, so wie §61 nur von den Kosten spricht, die dem Staatsschatz durch Vorkehrungen gegen Tierseuchen zur Last fallen, ohne auf deren Verteilung auf Bund und Länder einzugehen. Auf diese Frage braucht daher auch der Verordnungsgeber nicht eingehen."

4.3. Der VfGH findet keinen Anlaß, von der vorstehend wiedergegebenen Rechtsansicht, der im Verordnungsprüfungsverfahren vom VwGH nichts entgegengehalten wurde, abzugehen. Schon auf ihrer Grundlage aber erweisen sich die vom VwGH gegen die angefochtenen Verordnungsstellen vorgebrachten Bedenken als unbegründet. Unter diesen Umständen bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem - auch auf das hg. Erk. Slg. 9507/1982 nicht eingehenden - Antragsvorbringen des VwGH und mit den Ausführungen des Landeshauptmannes von Stmk. Auf die Anregung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz, "von amtswegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte 'dem Bund' in §11 Abs1 Z2 des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 348/1934 II, zu prüfen" war auch deshalb nicht einzugehen, weil der Umfang der Normenprüfung durch den VfGH im vorliegenden Fall durch den Antrag des VwGH begrenzt ist.

4.4. Aus diesen Erwägungen konnte den Anträgen des VwGH kein Erfolg beschieden sein.

Schlagworte

Tierseuchen, Veterinärwesen, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V12.1983

Dokumentnummer

JFT_10148991_83V00012_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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