TE Vfgh Beschluss 1985/10/12 G35/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.1985
beobachten
merken

Index

L4 Innere Verwaltung
L4400 Feuerwehr

Norm

B-VG Art118
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
AVG
EGVG ArtII Abs2 Z26
Sbg GdO 1976 17a Abs1
Sbg FeuerwehrG §2 Abs2
Sbg FeuerwehrG §3 Abs2
Sbg FeuerwehrG §4 Abs3
Sbg FeuerwehrG §8
Sbg FeuerwehrG §10 Abs4
Sbg FeuerwehrG §11 Abs2
Sbg GdO 1976 §16 Abs2 Z1
Sbg FeuerwehrG §32
Sbg FeuerwehrG §33
Sbg FeuerwehrG §43
Sbg GdO 1976 §63 Abs1
Sbg GdO 1976 §63 Abs4

Leitsatz

Art140 Abs1 B-VG; Individualantrag auf teilweise Aufhebung des §4 Abs3 Sbg. FeuerwehrG; Normen über die bloße Ausübung staatlicher Funktionen berühren nicht die Rechtssphäre der Organwalter; gegen Ausschluß aus der Freiwilligen Feuerwehr gemäß §4 Abs3 leg. cit. bestimmtes Verfahren vorgesehen; Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde zulässig; mangelnde Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. W A war (aktives) Mitglied der "Freiwilligen Feuerwehr St. M" (FF St. M).

Mit Schreiben vom 3. Mai 1984 teilte ihm der Ortsfeuerwehrkommandant der FF St. M mit, daß er ihn "laut §34 (Salzburger) Feuerwehrgesetz", LGBl. 59/1978 (Sbg. FWG) aus der FF St. M ausschließe.

In der Folge wurde klargestellt, daß dieses Schreiben als Mitteilung über den beabsichtigten Ausschluß des W A gemäß §4 Abs3 Sbg. FWG (s. unter I.2.) und die von diesem dagegen schriftlich erhobenen Einwendungen als - fristgerecht erhobener - Widerspruch iS dieser landesgesetzlichen Bestimmung zu qualifizieren sei.

Am 30. August 1984 richtete der Ortsfeuerwehrrat der FF St. M an W A folgendes Schreiben:

"Sehr geehrter Herr A!

Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, daß der Ortsfeuerwehrrat der Freiwilligen Feuerwehr St. M in der Sitzung vom 9. Juli 1984 den einstimmigen Beschluß gemäß §10 Abs4 des SLFG gefaßt hat, Sie aus der Mitgliedschaft dieser Feuerwehr auszuschließen und die Löschung in der Feuerwehrliste durchgeführt wurde.

Sie sind daher ab der Verständigung über diesen Ausschluß nicht mehr Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr St. M und wir ersuchen Sie, den Feuerwehrpaß mit Dienstausweis, sowie Gebrauchsgegenstände, die der Feuerwehr gehören, ehestens zurückzugeben.

Für den Ortsfeuerwehrrat der Ortsfeuerwehrkommandant (Brandrat M K)"

2. §4 Sbg. FWG lautet auszugsweise:

"§4 (1) Die Freiwillige Feuerwehr besteht aus den aktiven Mitgliedern, den nicht aktiven Mitgliedern und den Ehrenmitgliedern.

(2) Die aktive Mitgliedschaft beginnt mit der Eintragung des Bewerbers in die Feuerwehrliste (§7) auf Grund seiner schriftlichen Beitrittserklärung, ...

(3) Die aktive Mitgliedschaft endet mit der Überstellung in die nicht aktive Mitgliedschaft, mit der schriftlichen Erklärung des Austrittes aus der Freiwilligen Feuerwehr, mit dem Ableben des Mitgliedes sowie mit dem Ausschluß des Mitgliedes. Der Ausschluß eines Mitgliedes hat durch den Ortsfeuerwehrkommandanten zu erfolgen, sobald eine der Voraussetzungen für den Feuerwehrdienst gemäß §6 Abs1 nicht vorliegt und nicht eine Überstellung in die nicht aktive Mitgliedschaft zu erfolgen hat. Der Ortsfeuerwehrkommandant hat dem Mitglied den beabsichtigten Ausschluß (Löschung in der Feuerwehrliste) mitzuteilen; widerspricht dieser binnen zwei Wochen ab dem Einlangen der Mitteilung der beabsichtigten Maßnahmen, so ist vom Ortsfeuerwehrkommandanten hiemit der Ortsfeuerwehrrat (§10 Abs4) zu befassen, der über den Ausschluß entscheidet.

(4) ..."

3. a) Mit der vorliegenden, auf Art140 B-VG gestützten "Beschwerde" (richtig: Antrag) begehrt W A im §4 Abs3 Sbg. FWG nachstehende Worte (als verfassungswidrig) aufzuheben:

im zweiten Satz die Wendung

"... durch den Ortsfeuerwehrkommandanten ..." sowie den ganzen dritten (letzten) Satz.

b) Die Antragslegitimation wird wie folgt begründet:

"Der Ortsfeuerwehrrat ist nicht als eine staatliche Behörde eingerichtet und kann daher auch keine Bescheide erlassen. Gemäß §11 sowie §44 SLFG untersteht die Freiwillige Feuerwehr der Aufsicht des Landes. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Aufsicht etwa in dem Sinne, wie sie Art119a B-VG im Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung verfassungsgesetzlich vorsieht. Vielmehr besteht einerseits kein Rechtsanspruch auf die Ausübung dieses Aufsichtsrechtes und bestünde im Falle der Ausübung des Aufsichtsrechtes auch keine Befugnis einer Beschwerde nach Art144 B-VG bzw. 131 B-VG. Dieses Aufsichtsrecht ist vielmehr mit dem Aufsichtsrecht im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung vergleichbar, wobei darauf zu verweisen ist, daß hier im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung zumindest Selbstverwaltungskörper eingerichtet worden sind, wohingegen die Feuerwehren bzw. Ortsfeuerwehrrat und andere Organe keinesfalls Verwaltungskörper sind. Daher ermächtigt weder eine Willensäußerung des Ortsfeuerwehrrates, noch eine in irgendeine Richtung ausgeübte Aufsichtstätigkeit des Landes den Beschwerdeführer zu einer Individualbeschwerde.

Aufgrund des oben geschilderten Sachverhaltes ist der Beschwerdeführer aktuell durch das Salzburger Feuerwehrgesetz ohne Dazwischentreten einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung betroffen."

c) Der Antragsteller legt seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung beantragten Gesetzesstellen im einzelnen dar.

4. Die Sbg. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der beantragt wird, diese Gesetzesbestimmungen nicht aufzuheben.

Zur Antragslegitimation führt die Landesregierung aus:

"Dem Antragsteller ist insoweit beizupflichten, wenn er im allgemeinen ausführt, daß der Ausschluß aus der Freiwilligen Feuerwehr keinen Hoheitsakt darstellt und nicht in Bescheidform zu ergehen hat, und somit auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 keine Anwendung findet. Nach der Judikatur des VfGH ist die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln nach den vom Gesetzgeber gewählten Rechtsformen zu treffen (VfGH Erk. Slg. 3262, 3483, 4034, 6084). Für die Auffassung, daß nichthoheitliches Verwaltungshandeln vorliegt, spricht zunächst die Formulierung und das für den Ausschluß vorgesehene Verfahren des zweiten und dritten Satzes des §4 Abs3 des Salzburger Feuerwehrgesetzes, die den nichthoheitlichen Charakter dieses Verwaltungshandelns klar erkennen lassen: Als erster Schritt ist der beabsichtigte Ausschluß dem Mitglied mitzuteilen, eine Vorgangsweise, die sich für ein behördliches, nach den Bestimmungen des AVG 1950 zu führendes Verfahren zu normieren erübrigt. Gleiches gilt in bezug auf die Einräumung der Möglichkeit, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen Widerspruch erheben zu können. Dabei wird nicht übersehen, daß die Erhebung eines Widerspruches hier ein Tatbestandsmerkmal dafür ist, daß sich hiemit der Ortsfeuerwehrrat zu befassen hat und zur Entscheidung über den Ausschluß des Mitgliedes berufen ist. Gemäß §4 Abs7 ist die Löschung der Mitgliedschaft in der Feuerwehrliste dem ehemaligen Mitglied mitzuteilen, wiederum eine Selbstverständlichkeit für ein behördliches Verfahren.

Weiters spricht die besondere Regelung der Aufsicht der Landesregierung über die Freiwillige Feuerwehr im §11 Abs1 und §44, wovon die Fragen der Mitgliedschaft hiezu nicht ausgenommen sind, für die einleitend dargelegte Auffassung. Auch dieser Bestimmungen hätte es nicht nur nicht bedurft, wenn der Ausschluß durch Hoheitsakt auszusprechen wäre, weil in diesem Fall - es liegt zweifellos eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde vor - ohnehin die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung an die Aufsichtsbehörde besteht, ja von Verfassungs wegen bei Gemeinden, die keine Städte mit eigenem Statut sind, sogar bestehen muß. Das Salzburger Feuerwehrgesetz geht daher auch in seinen besonderen Regelungen für die Aufsicht über die Freiwillige Feuerwehr davon aus, daß deren Organe in bezug auf die Mitgliedschaft hiezu keine Hoheitsakte setzen.

Schließlich fällt auf, daß das Salzburger Feuerwehrgesetz in verschiedenen Bestimmungen eine genaue Aussage darüber trifft, in welcher (hoheitlichen) Rechtssatzform die betreffende Entscheidung zu ergehen hat (z.B. §13 Abs3 Verordnung, §17 Abs2 und 3 Bescheid, §21 Abs1 Bescheid). Für den Ausschluß eines Mitgliedes aus der Freiwilligen Feuerwehr hat der Gesetzgeber offenkundig bewußt keine derartige Aussage getroffen.

Aus alledem geht hervor, daß (auch) der Ausschluß aus der Freiwilligen Feuerwehr keinen Hoheitsakt darstellt. Dies steht auch mit dem vom VfGH entwickelten Auslegungsgrundsatz im Einklang, daß im Zweifel kein hoheitliches Handeln angenommen werden darf (VfGH Slg. 3183, 3262, 5355, 5395, 7078), was insbesondere dann noch verstärkt gelten muß, wenn mit einer Aufgabe ein Organ betraut ist, dem auch sonst keinerlei behördliche Funktion zukommt.

Unzutreffend aber ist es, die Aufsicht der Landesregierung über die Feuerwehren gemäß §44 des Salzburger Feuerwehrgesetzes nicht als Aufsicht (des Landes) im Sinne des Art119a B-VG zu beurteilen. Die Freiwillige Feuerwehr ist ein (nicht selbständig eingerichteter) Teil der Gemeindeverwaltung. Die Aufsicht über sie kann nur eine solche im Sinne dieser Verfassungsbestimmung sein. Dem zu ihrer Regelung zuständigen Landesgesetzgeber steht im Rahmen der bundesverfassungsmäßigen Grundsätze ein weiter Spielraum offen. Insbesondere kann die Regelung auch außerhalb der allgemeinen gemeinderechtlichen Vorschriften (Salzburger Stadtrecht 1966, Salzburger Gemeindeordnung 1976) erfolgen. Die zweckmäßig im Zusammenhang mit der Organisation der Feuerwehr getroffenen Vorschriften für die Aufsicht stellen, soweit sie sich auf die Gemeindefeuerwehr beziehen und abweichende Regelungen treffen, Sonderbestimmungen gegenüber den Aufsichtsbestimmungen der genannten Gesetze dar. Demgemäß gilt auch für die Aufsicht über die Feuerwehren außerhalb der Stadt Salzburg §72b Abs1 der Salzburger Gemeindeordnung 1976, wonach im aufsichtsbehördlichen Verfahren nur die Gemeinde Parteistellung hat und demzufolge nur sie zur Beschwerdeführung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes gemäß Art144 B-VG legitimiert ist. Ein anderer zumutbarer Weg, die vermeintliche Verfassungswidrigkeit geltend zu machen, steht dem Antragsteller demnach nicht zur Verfügung.

Schließlich muß der Antragsteller durch die behauptete Verfassungswidrigkeit in seinen Rechten verletzt werden. Der Antragsteller macht ein Recht, aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr zu werden respektive zu bleiben, geltend. Der Beginn der aktiven Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr ist im §4 Abs2 des Salzburger Feuerwehrgesetzes geregelt. Ob eine Aufnahme erfolgt, ist, trotz Vorliegen der Voraussetzungen des §6 in das Ermessen des Ortsfeuerwehrkommandanten (§7 Abs1) gestellt. §33 formuliert ausdrücklich kein Recht, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr zu bleiben. Ein solches ist aber aus §4 Abs3 ableitbar: Der Ausschluß aus der Freiwilligen Feuerwehr ist nicht in das Belieben der zuständigen Feuerwehrorgane gestellt, sondern an das Vorliegen eines der gesetzlichen Ausschlußgründe (Wegfall der Eignung für den aktiven Feuerwehrdienst) gebunden. (Siehe auch die Ausführungen in bezug auf Art18 Abs1 B-VG.)

Zusammenfassend erscheint der Antragsteller zur individuellen Anfechtung von Teilen des §4 Abs3 des Salzburger Feuerwehrgesetzes legitimiert, es sei denn, man sieht, ähnlich wie es der VfGH im Erkenntnis Slg. 7669/1975, allerdings einen ganz anderen Sachverhalt betreffend, getan hat, auf Grund der besonderen Umstände im Ausschluß aus der Freiwilligen Feuerwehr einen besonderen Verwaltungsakt, der zwar keinen Bescheid im Sinne des Art119a Abs5 B-VG darstellt, im Sinne einer umfassenden verfassungsgerichtlichen Nachprüfung aber gemäß Art144 Abs1 B-VG angefochten werden kann. Denn es ist auch festzuhalten, daß das Verhältnis zwischen Feuerwehr und einzelnem Mitglied öffentlich-rechtlich geregelt und von Über- bzw. Unterordnung geprägt ist und die Feuerwehrorgane ganz offenbar auch nicht namens der Gemeinde als Trägerin privater Rechte auftreten. In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung eines dem verwaltungsbehördlichen Verfahren nachgebildeten Verfahrens für den Ausschluß zu sehen. Daran, daß der Ausschluß sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet und unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung zeitigt, besteht kein Zweifel. Im Wesen liegt darin freilich kein Unterschied zur rechtlichen Situation bei einem Ausschluß von einem privaten Verein. Dieser kann aber bei den Gerichten angefochten werden, während hier eine nachprüfende gerichtliche Kontrolle auf Antrag des Ausgeschlossenen nicht Platz greifen kann."

II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Grundlegende Voraussetzung der Antraglegitimation im Falle der Individualanfechtung ist, daß das Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, daß es in deren Rechtssphäre eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzufechtende Gesetz wendet, der diesem gegenüber Normadressat ist (vgl. zB VfSlg. 8009/1977). Seit dem zitierten Beschl. hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ua. den Standpunkt vertreten, daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9685/1983).

2. Ein derartiger Weg besteht - entgegen der Meinung des Antragstellers und der Sbg. Landesregierung - nun hier:

a) Die Freiwillige Feuerwehr (FF) ist eine Einrichtung der Gemeinde (§2 Abs2 und §3 Abs2 Sbg. FWG). Sie ist zwar dem §3 Abs2 zufolge dem Bürgermeister unterstellt, hat aber eigene Organe, nämlich den Ortsfeuerwehrkommandanten, der die Freiwillige Feuerwehr führt und dem Bürgermeister gegenüber verantwortlich ist (§8 Sbg. FWG), und den Ortsfeuerwehrrat (§10 Abs4 leg. cit.). Der Ortsfeuerwehrkommandant und der Ortsfeuerwehrrat sind sohin Organe der Gemeinde iS des §17a Abs1 der Sbg. Gemeindeordnung 1976, LGBl. 56, (Sbg. GemO).

Sie handeln im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (§43 Sbg. FWG).

Die FF handelt bei Besorgung ihrer Aufgaben in Vollziehung der Gesetze (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechtes, Wien 1981, S 575); sie wird nicht im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, sondern hoheitlich tätig. Dies ergibt sich schon aus der Umschreibung des Aufgabenbereiches der FF im §11 Abs2 Sbg. FWG und den dort zitierten Rechtsvorschriften (Sbg. Feuerpolizeiordnung 1973, LGBl. 118, insbesondere §§3, 17 und 22; Katastrophenhilfegesetz, LGBl. 3/1975, insbesondere §§2, 3, 24).

b) Die Sbg. FF üben sohin (hoheitlich) staatliche Funktionen aus.

Nun hat der VfGH wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg. 8385/1978 und 8774/1980), daß Rechtsnormen, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht berühren, soweit sich aus den in Betracht zu ziehenden Regelungen nicht etwas anderes ergibt. Wenn aber die Ausübung einer bestimmten staatlichen Funktion gleichzeitig Rechte vermittelt (so etwa bei einem Beamten die Dienstrechtssphäre berührt - vgl. zB VfSlg. 8187/1977), wird die Rechtssphäre der Person (die in anderer Beziehung Organwalter ist) betroffen (vgl. zB VfSlg. 5433/1966); in dieser Hinsicht geht es nicht um die Wahrung der Vollzugskompetenz eines Organwalters (die grundsätzlich die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Person nicht berührt), sondern um die Wahrung von Rechten als Rechtsperson.

Anders als in dem mit Beschl. VfSlg. 8774/1980 behandelten Fall des Ausschlusses aus dem Verein für Bewährungshilfe tritt hier die Löschung des Mitgliedes einer FF aus der Feuerwehrliste dem Betroffenen gegenüber selbständig in Erscheinung; die Löschung ist mit dem Ausschluß aus der FF (mit der Enthebung von der Funktion eines Feuerwehrmannes) ident. §4 Abs3 Sbg. FWG sieht ein bestimmtes Verfahren bei Ausschluß eines Mitgliedes aus der FF vor. Damit hat der Gesetzgeber dem Mitglied jedenfalls in dieser Hinsicht eine Verfahrensposition eingeräumt. Aus dem Zusammenhalt des §4 Abs3 mit den §§32 und 33 Sbg. FWG ergibt sich, daß durch den Ausschluß aus der FF die Rechtssphäre des Betroffenen berührt wird. Dieser Akt der Beendigung des Verhältnisses zur FF ist hoheitlich gestaltet.

c) Der Ortsfeuerwehrkommandant und der Ortsfeuerwehrrat sind - wie dargetan - Organe der Gemeinde iS der Sbg. GemO. Gemäß §63 Abs1 des zuletzt erwähnten Gesetzes sind Verfügungen und Entscheidungen der Organe der Gemeinde, welche Rechte oder Pflichten einzelner oder mehrerer individuell bezeichneter Personen zum Gegenstand haben (Bescheide), schriftlich zu erlassen. Auf das behördliche Verfahren der Organe der Gemeinde findet das AVG Anwendung (ArtII Abs2 Z26 EGVG).

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Ortsfeuerwehrrat - unter Beachtung der besonderen Verfahrensvorschriften des §4 Abs3 Sbg. FWG - den Ausschluß aus der FF mit Bescheid zu verfügen hat.

Dieser Bescheid behandelt eine Angelegenheit, die zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehört (§16 Abs2 Z1 Sbg. GemO und §43 Sbg. FWG). Der Ortsfeuerwehrkommandant und der Ortsfeuerwehrrat sind besondere Organe der Gemeinde iS des §17a Abs1 Sbg. GemO, über die die Sbg. GemO keine weiteren Aussagen enthält. Insbesondere besagt sie nichts über einen allfälligen Instanzenzug. Dieser ist abschließend im Sbg. FWG geregelt, nämlich in Ansehung des Ausschlußes eines aktiven Mitgliedes im §4 Abs3. Daraus ergibt sich, daß der Gemeindeinstanzenzug beim Ortsfeuerwehrrat endet. Gegen seine Entscheidung ist jedoch nach der allgemeinen Vorschrift des §63 Abs4 Sbg. GemO die Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde (die Landesregierung) zulässig.

d) Es kann dahingestellt bleiben, ob - vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage - das Schreiben des Ortsfeuerwehrrates der FF St. M vom 30. August 1984 (ungeachtet der Formlosigkeit dieser Erledigung - vgl. zB VfSlg. 9247/1981) als Bescheid zu werten ist oder nicht. Wäre das Schreiben nämlich als Bescheid zu qualifizieren, so wäre nach Erschöpfung des dargestellten administrativen Instanzenzuges die Möglichkeit einer VfGH-Beschwerde offengestanden. Wäre das Schreiben des Ortsfeuerwehrrates bloß als normlose Erledigung anzusehen, so hätte der Antragsteller das Recht, die Erlassung eines Bescheides zu begehren und sodann wie ausgeführt weiter zu verfahren. In beiden Fällen hätte die Gelegenheit bestanden bzw. würde es möglich sein, in der gegen den Vorstellungsbescheid der Landesregierung gerichteten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §4 Sbg. FWG darzutun.

Bei Entscheidung über diese Beschwerde hätte der VfGH die zur Prüfung beantragten gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden; er wäre also verpflichtet, von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit einzuleiten, wenn er diese Bedenken geteilt hätte.

Anhaltspunkte dafür, daß dieser Weg für den Antragsteller unzumutbar wäre, haben sich nicht ergeben.

e) Aus all dem folgt, daß der vorliegende Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen war.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Feuerpolizei, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Gemeinderecht Organe, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Verwaltungsverfahren, Bescheidbegriff, Berufung, Instanzenzug, Vorstellung, Mitteilung, Bescheiderlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G35.1985

Dokumentnummer

JFT_10148988_85G00035_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten