TE Vfgh Erkenntnis 1985/11/28 B530/82

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Veröffentlicht am 28.11.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
GebührenG 1957 §9 Abs2

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 10517/1985 und zu VfSlg. 10617/1985; in den Entscheidungsgründen ebenso die weiteren Anlaßfälle B91/83, B853/84 und B941/84, alle vom 28. November 1985

Leitsatz

GebührenG; Verletzung im Gleichheitsrecht nach Aufhebung des §9 Abs2 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz

Spruch

Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die bf. Gesellschaft vermietete mit Vertrag vom 4. Jänner 1980 Flugzeugzubehör und -ersatzteile um einen monatlichen Mietzins von 442145 S mit der Maßgabe, daß nach Ablauf des Mietverhältnisses mit Ende des Jahres 1982 die Gegenstände in das Eigentum des Mieters übergehen sollten. Dieser Vertrag wurde dem Finanzamt nicht zur Gebührenbemessung angezeigt, sondern kam ihm erst anläßlich einer Betriebsprüfung am 12. Juni 1981 zur Kenntnis.

Hierauf wurde der bf. Gesellschaft gemäß §33 TP5 GebührenG (Bestandsverträge) eine Gebühr in der Höhe von 187823 S vorgeschrieben und nach §9 Abs2 dieses Gesetzes (idF der Nov. BGBl. 668/1976) eine Erhöhung im gleichen Ausmaß erhoben.

Die Berufung gegen diese Vorschreibung blieb erfolglos.

Die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Unversehrtheit des Eigentums und Vermutung der Unschuld bis zur gesetzmäßigen Verurteilung (Art6 Abs2 MRK). Die Behörde habe willkürlich nur die bf. Gesellschaft herangezogen, obwohl im Konkurs des Vertragspartners die 2. Klasse der Forderungen befriedigt worden wäre, und §9 GebührenG sei verfassungswidrig, weil Gebührenschuldner schlechter behandelt würden als andere Abgabenschuldner und insbesondere der schwere - strafartige - Nachteil der Erhöhung auch ohne Verschulden im ganzen Ausmaß der verkürzten Gebühr eintrete. Die Verdoppelung der Abgabe trage zudem konfiskatorischen Charakter iS des Art1 Abs2 des

(1.) ZPzMRK und verstoße - den Nachweis der Unschuld abschneidend - gegen Art6 Abs2 MRK.

II. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles hat der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §9 Abs2 GebührenG, Anlage zu BGBl. 267/1957, idF der Nov. BGBl. 668/1976, von Amts wegen geprüft.

Mit Erk. vom 29. Juni 1985, G42/85 ua., hat er den zweiten Satz in §9 Abs2 GebührenG, mit Erk. VfSlg. 10617/1985, den ersten Satz in §9 Abs2 GebührenG in der genannten Fassung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Die Beschwerde ist begründet:

Die bel. Beh. hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ein gleichheitswidriges Gesetz angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß die Anwendung des verfassungswidrigen Gesetzes für die bf. Gesellschaft nachteilig war. Sie ist daher in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden. Der Bescheid ist aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B530.1982

Dokumentnummer

JFT_10148872_82B00530_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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