TE Vfgh Erkenntnis 1985/11/30 V6/84

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Veröffentlicht am 30.11.1985
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art119a Abs7 zweiter Satz
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Berwang vom 06.09.83
Tir RaumOG 1972 §8 Abs2 litb
Tir RaumOG 1972 §11 Abs1
Tir RaumOG 1972 §31 Abs1

Leitsatz

Flächenwidmungsplan Berwang; keine Bedenken gegen die Übergangsbestimmung des §31 Abs1 TROG (Ersatzvornahme durch die Landesregierung); Grundstück grenzt zum Teil auch an Bauland an - Widmung des Grundstückes als Freiland in §8 Abs2 litb TROG gedeckt

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragsteller begehren als Miteigentümer der Liegenschaft GP ..., KG Berwang, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung des für die Gemeinde Berwang (Tirol) erlassenen Flächenwidmungsplanes, soweit er die genannte Parzelle betrifft.

2. Der bekämpfte Flächenwidmungsplan wurde, da die Gemeinde Berwang der Landesregierung bis zum 30. Juni 1979 keinen Entwurf eines Flächenwidmungsplanes zur Genehmigung vorgelegt hatte, gemäß §31 Abs1 des Tir. Raumordnungsgesetzes, LGBl. 10/1972 (TROG), idF der Nov. LGBl. 12/1979, mit V der Tir. Landesregierung vom 6. September 1983 erlassen. Die V wurde im "Boten für Tirol" am 30. September 1983 nach §31 Abs1 TROG kundgemacht und durch Auflage zur öffentlichen Einsicht beim Amt der Tir. Landesregierung sowie beim Gemeindeamt Berwang verlautbart.

In diesem Flächenwidmungsplan iS des §31 Abs1 TROG wurde die GP ... als Freiland ausgewiesen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Antrag ist zulässig (zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen in Tir. durch den Grundeigentümer s. die ständige Rechtsprechung des VfGH zB VfSlg. 9260/1981, 9975/1984 und 10278/1984). Hiebei kann es - entgegen der Auffassung der Landesregierung - nicht darauf ankommen, ob durch die bekämpfte planerische Maßnahme eine Änderung in der Nutzbarkeit des Grundstückes eingetreten ist.

2. a) Im Antrag werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen §31 Abs1 TROG mit der Begründung geltend gemacht, die Erlassung eines Flächenwidmungsplanes sei ausschließlich Angelegenheit einer Gemeinde und die Landesregierung sei nicht berechtigt, an Stelle einer Gemeinde einen Flächenwidmungsplan im Wege einer V zu erlassen.

b) Die Antragsteller übersehen, daß nach dem zweiten Satz des Art119a Abs7 B-VG eine Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde (hier: die Landesregierung) zulässig, wenngleich auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken ist.

Eine Ersatzvornahme - darunter ist auch die ersatzweise Erlassung einer generellen Norm (hier: eines Flächenwidmungsplanes) zu verstehen - steht der Landesregierung nach der Übergangsbestimmung des §31 Abs1 TROG nur dann zu, wenn die Gemeinde ihrer Verpflichtigung zur Vorlage eines Flächenwidmungsplanes bis zum 30. Juni 1979 nicht nachgekommen ist, dem vorgelegten Flächenwidmungsplan die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt wurde und keine Bausperre nach §29 in Kraft steht. Schon das Ausmaß der den Gemeinderäten für die Schaffung von Flächenwidmungsplänen gewährten Frist (Inkrafttreten des TROG am 16. Feber 1972, Fristende 30. Juni 1979) zeigt, daß der Landesgesetzgeber sich bei der Normierung der Ersatzvornahme in §31 Abs1 auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit beschränkt hat. Hiezu kommt, daß in der genannten Gesetzesbestimmung auch vorgesehen ist, daß der von der Landesregierung beschlossene Flächenwidmungsplan mit dem Inkrafttreten des vom Gemeinderat erlassenen Flächenwidmungsplanes außer Kraft tritt.

Der VfGH hat daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des §31 Abs1 TROG (wovon der VfGH auch - unausgesprochen - in seinem Erk. VfSlg. 9975/1984, betreffend den von der Landesregierung für die Gemeinde Kirchberg in Tir. erlassenen Flächenwidmungsplan ausgegangen ist).

3. a) Die Antragsteller erachten die Widmung der GP ... als Freiland

für gesetzwidrig und bringen vor, es ergebe sich "bereits bei

oberflächlicher Betrachtung" des vom Gemeinderat Berwang

beschlossenen (allerdings von der Landesregierung in der Folge nicht

genehmigten) Flächenwidmungsplanes, daß die im TROG vorgesehenen

Zielsetzungen überhaupt nicht beachtet worden seien. Man habe nämlich

sämtliche Grundstücke entlang des sogenannten Egghof-Weges mit

Ausnahme der GP ... als Bauland gewidmet, weil dieser Weg in dem als

Bauland gewidmeten Bereich bereits mit Hotels, Pensionen und anderen

Wohnhäusern zum Großteil verbaut worden sei. Auch die gegenüber der

GP ... gelegenen GP ... und ... seien vom Gemeinderat als Bauland

gewidmet worden. Die Gemeinde Berwang habe alles getan, um die Antragsteller daran zu hindern, daß sie auf ihrer Grundparzelle ein Bauwerk errichten können.

Das Grundstück der Antragsteller entspreche jedoch den im TROG festgelegten Zielsetzungen für eine Baulandwidmung, weil das Grundstück mitten im Baugebiet gelegen sei und daher in Zukunft eine sachlich durch nichts gerechtfertigte Baulücke darstellen würde. Sachliche Motive für die Widmung als Freiland lägen nicht vor, weil (auch) die Zufahrt vorhanden sei und laut einem (von den Antragstellern in Auftrag gegebenen) Gutachten mit ganz geringen Kosten "zum Nutzen aller" auf 3 Meter verbreitert werden könnte.

Daraus ergebe sich, daß die Widmung des bezughabenden Grundstückes nicht den Zielsetzungen des TROG entspreche. Zu diesem Ergebnis müsse man insbesondere auch deshalb kommen, weil die Gemeinde Berwang nach ihrer eigenen Darstellung einen großen Bedarf an Baugrundstücken habe.

Diese Vorwürfe müßten auch gegen die Tir. Landesregierung erhoben

werden, weil die Landesregierung bei Erlassung des vereinfachten

Flächenwidmungsplanes diesbezüglich den Entwurf der Gemeinde

übernommen und im Bereich des Egghof-Weges neben dem Grundstück der

Antragsteller "plötzlich nun auch" die gegenüber dem Grundstück der

Antragsteller gelegenen GP ... und ... als Freiland gewidmet habe.

Aus dem Verordnungsakt der Tir. Landesregierung gehe nicht hervor,

warum die GP ... sowie die GP ... und ... "in Freiland umgewidmet"

worden seien, weil diese Grundstücke immer Baugründe gewesen seien

und nach den Zielsetzungen des TROG sich als Baugrundstück in jeder

Hinsicht bestens eignen würden. Die genannten Grundstücke seien

"bestens erschlossen" (Hinweis auf das bereits oben erwähnte

Gutachten) und der Egghof-Weg müsse für den Fall, daß er zu steil

oder zu eng sei, ohnehin für die Eigentümer der bereits errichteten

Hotels, Pensionen und Wohnhäuser erschlossen werden. Die angefochtene

V sei auch deshalb gesetzwidrig, weil aus dem Verordnungsakt die

Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers nicht in ausreichendem

Maß erkennbar seien und es nicht möglich sei, eine Aussage darüber zu

machen, ob die V den vom Gesetz vorgesehenen Zielen entspricht.

b) In der von der Tir. Landesregierung erstatteten Äußerung wird ua. eingewendet, die Frage der Eignung einer Grundfläche für die vorgesehene Bebauung sei iZm. §4 Abs1 TROG auch danach zu beurteilen, ob diese Fläche eine entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche habe. Dies sei hier nicht gegeben und auch in absehbarer Zeit nicht erfüllbar. Ausschlaggebend für die Freilandwidmung sei jedoch die Tatsache gewesen, daß die GP ... und ... eine geschlossene Fläche guten landwirtschaftlichen Bodens bildeten, deren Widmung als Freiland zur Sicherung des Zieles der örtlichen Raumordnung iS des §8 Abs2 litb TROG erforderlich sei. Die Behauptung der Antragsteller, daß ihr Grundstück mitten im Bauland gelegen sei und die Verhinderung der Bebauung zu einer sachlich nicht gerechtfertigen Baulücke führen würde, sei schlichtweg falsch.

In der von der Gemeinde Berwang im verfassungsgerichtlichen Verfahren

abgegebenen Stellungnahme wird darauf hingewiesen, daß der

Gemeinderat anläßlich seiner Beschlußfassung über die während der

vierten Auflage des Entwurfes eines Flächenwidmungsplanes

eingelangten Stellungnahmen und der Festlegung einer fünften Auflage

bei der Widmung der GP ... davon ausgegangen sei, daß wegen der

ungünstigen Beschaffenheit des Zufahrtsweges eine gesicherte,

ganzjährig passierbare Zufahrt aus beiden Richtungen nicht

gewährleistet sei. "Deshalb" habe sich der Gemeinderat bei der

bezughabenden Parzelle, welche mit den GP ... und ... eine

geschlossene unverbaute Fläche bilde, zur Widmung als Freiland entschlossen.

4. Dem Flächenwidmungsplan ist zu entnehmen, daß im Norden und im Westen als Freiland gewidmete Flächen an das Grundstück Nr. ...

angrenzen, wobei im Nordwesten auch auf weitere Strecken nur

Freilandflächen liegen. Im Süden und Osten schließen (im Osten mit

Ausnahme der relativ kleinen GP ... und ... als Bauland ausgewiesene

(und auch bebaute) Grundstücke unmittelbar an die GP ... an.

In Anbetracht dieser Situation - insoweit sind die

Entscheidungsgrundlagen bereits aus dem Flächenwidmungsplan selbst

erkennbar - konnte der Verordnungsgeber die GP ... sowohl als

Freiland als auch (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) als Bauland widmen. Wenn die Landesregierung sich für die Widmung als Freiland entschieden hat, dann ist diese Vorgangsweise durch §8 Abs2 litb TROG gedeckt, wonach ein Ziel der örtlichen Raumordnung insbesondere die Erhaltung zusammenhängender, unverbaut bleibender landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und Erholungsräume bildet (es kommt hiebei entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht auf die tatsächliche landwirtschaftliche Nutzung an). Dem Verordnungsgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er diesen Gegebenheiten mehr Gewicht beigemessen hat als dem Umstand, daß das Grundstück zum Teil auch von Bauland umgeben ist.

Bei diesem Ergebnis braucht die - von den Antragstellern und der Gemeinde Berwang in den Vordergrund gestellte, umstrittene - Frage nicht beantwortet zu werden, ob überhaupt und allenfalls mit welchem Aufwand eine verkehrsmäßige Erschließung der GP ... möglich wäre und ob dieser Umstand gegebenenfalls einer Baulandwidmung entgegengestanden wäre (s. hiezu auch §11 Abs1 litb TROG). Die Antragsteller übersehen in diesem Zusammenhang, daß selbst dann, wenn alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Widmung eines Grundstückes zum Bauland gegeben sind, der Verordnungsgeber diese Widmung zwar aussprechen kann, aber nicht muß, wenn das Gesetz auch eine andere Widmungsart des Grundstückes erlaubt. Dies ergibt sich schon aus der Diktion des §11 TROG, nach dessen Abs1 Grundflächen nur unter bestimmten Voraussetzungen als Bauland gewidmet werden "dürfen".

Die bekämpfte Widmung findet daher - wie bereits ausgeführt - in einer die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers ausreichend offenlegenden Weise in der Bestimmung des §8 Abs2 litb TROG ihre gesetzliche Deckung.

5. Dem Antrag ist somit nicht Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Ersatzvornahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V6.1984

Dokumentnummer

JFT_10148870_84V00006_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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