TE Vfgh Erkenntnis 1985/11/30 B158/85

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Veröffentlicht am 30.11.1985
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 KFG 1967

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
KFG 1967 §103 Abs2a

Leitsatz

KFG 1967; Abs2a des §103 legt eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des zweiten Satzes im Abs2 (Regelung der Auskunftspflicht) fest; einem Anlaßfall gleichzuhaltender Beschwerdefall; Rechtsverletzung im Anlaßfall (Verwaltungsübertretung nach §103 Abs2a) nach Aufhebung des (nach Erk. VfSgl. 9950/1984 verbliebenen restlichen Teiles des) zweiten Satzes im §103 Abs2 mit Erk. VfSlg. 10394/1985 - Anwendung dieses Gesetzes offenkundig nachteilig

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Abs2 im §103 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. 267, idF des BG BGBl. 362/1982 hatte folgenden Wortlaut:

"(2) Der Zulassungsbesitzer darf das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkerberechtigung, bei Kraftfahrzeugen, für deren Lenken keine Lenkerberechtigung vorgeschrieben ist, das erforderliche Mindestalter besitzen. Er hat der Behörde auf Verlangen unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung, Auskunft darüber zu erteilen, wem er jeweils das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers überlassen hat, und entsprechende Aufzeichnungen zu führen, wenn er ohne diese die verlangte Auskunft nicht erteilen kann; dies gilt sinngemäß, wenn ein Zulassungsbesitzer selbst das Kraftfahrzeug gelenkt oder den Anhänger verwendet hat."

Mit den Erk. G7/80 und Folgezahlen vom 3. März 1984 (VfSlg. 9950/1984) sowie G149/84 und Folgezahlen vom 8. März 1985 (VfSlg. 10394/1985), unterzog der VfGH den zweiten Satz in der wiedergegebenen Vorschrift insgesamt einer Prüfung auf seine Verfassungsmäßigkeit. Der Gerichtshof hob mit dem Erk. VfSlg. 9950/1984 den zweiten Halbsatz und mit dem letzteren Erk. den übrigen Teil des zweiten Satzes als verfassungswidrig auf, wobei er im ersten Fall aussprach, daß die aufgehobene Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist, und im anderen für das Außerkrafttreten eine Frist (den Ablauf des 28. Feber 1986) setzte.

b) Die 7. Kraftfahrgesetz-Nov., BGBl. 631/1982, änderte den auf Abs2 im §103 bezughabenden Abs2a dieses Paragraphen folgendermaßen ab:

"(2a) Abs2 gilt sinngemäß für jeden, der einer dritten Person das Lenken eines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung eines Anhängers überläßt."

2. Die Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Penzing) befand den Bf. mit Straferk. vom 19. November 1984 einer Verwaltungsübertretung nach §103 Abs2a des Kraftfahrgesetzes 1967 schuldig, weil er am 27. Feber 1984 auf fernmündliches behördliches Verlangen nicht bekanntgegeben habe, wem er zu einem bestimmten Zeitpunkt einen mit dem Kennzeichen beschriebenen PKW (der ihm vom Zulassungsbesitzer überlassen worden war) zum Lenken überlassen hatte, und verhängte über ihn eine Geld- sowie eine Ersatzarreststrafe. Der dagegen ergriffenen Berufung gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 2. Jänner 1985 keine Folge. Dieser Berufungsbescheid ist Gegenstand der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in welcher der Bf. eine Rechtsverletzung infolge Anwendung des von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Abs2a im §103 des Kraftfahrgesetzes 1967 geltend macht.

Die bel. Beh. erstattete unter Aktenvorlage eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Die Beschwerde ist berechtigt.

Die Prozeßparteien sind übereinstimmend der Meinung, daß Abs2a des §103 KFG eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des zweiten Satzes im Abs2 festlegt, sodaß im Fall der Anwendung des Abs2a zugleich der zweite Satz im Abs2 gehandhabt wird. Der Gerichtshof teilt diese Ansicht, aus der sich unter Bedachtnahme auf die zeitliche Lagerung dieser Beschwerdesache und auf die neuere Rechtsprechung zu Fällen, die einer Anlaßsache gleichzuhalten sind, folgendes ergibt:

Im Erk. B168/85 vom 9. Oktober 1985 legte der VfGH mit näherer Begründung dar, daß den zum Anlaß einer Gesetzesprüfung genommenen Fällen jene Beschwerdefälle gleichzuhalten sind, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren bereits beim Gerichtshof eingelangt sind. Da die mündliche Verhandlung in der oben erwähnten Gesetzesprüfungssache G149/84 am 8. März 1985 stattfand, die vorliegende Beschwerde jedoch schon am 1. März 1985 beim Gerichtshof eingelangt war, ist dieser Beschwerdefall einem Anlaßfall gleichzuhalten. Demgemäß wirkt sich die im Erk. G149/84 ausgesprochene Aufhebung des (nach dem Erk. VfSlg. 9950/1984 verbliebenen restlichen Teils des) zweiten Satzes im §103 Abs2 KFG auch zugunsten des Bf. aus; es ist offenkundig, daß er durch die Anwendung dieser verfassungswidrigen Bestimmung in seinen Rechten verletzt wurde.

Der angefochtene Bescheid war sohin aufzuheben.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Kraftfahrzeuglenker, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B158.1985

Dokumentnummer

JFT_10148870_85B00158_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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