TE Vfgh Erkenntnis 1985/12/3 G168/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.1985
beobachten
merken

Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GewO 1973 §236b
GewO 1973 §236c Abs1 idF BGBl 619/1981
Verordnung des Bundesministers für Handel. Gewerbe und Industrie vom 03.12.76 über Ausübungsvorschriften für Kontaktlinsenoptiker

Beachte

Kundmachung am 28. Feber 1986, BGBl. 101/1986; Anlaßfall B616/82 vom 13. März 1985

Leitsatz

GewO 1975; Verstoß des in §236c Abs1 idF BGBl. 619/1981 festgelegten Werbeverbotes für Kontaktlinsenoptiker gegen die Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art6 StGG

Spruch

§236c Abs1 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. 50/1974, idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1986 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu Z B40/83 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 2. Dezember 1982 wendet, mit dem der Bf. schuldig erkannt wurde, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §368 Z17 der Gewerbeordnung 1973 begangen zu haben, daß er gegen die Beschränkung der Werbung gemäß §236c Abs1 der Gewerbeordnung verstoßen habe; gemäß §368 leg. cit. wurde über den Bf. eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt.

2. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §236c Abs1 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. 50/1974, idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619 (in dieser Fassung wird die Gewerbeordnung kurz als GewO zitiert), einzuleiten.

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Für den Kleinhandel mit Kontaktlinsen und das Anpassen mit Kontaktlinsen" (dieser Kleinhandel unterliegt gemäß §236a GewO 1973 der Konzessionspflicht) "darf nur derart geworben werden, daß Kontaktlinsen mit einem die vorerwähnten Tätigkeiten betreffenden schriftlichen Hinweis in den Schaufenstern und Betriebsräumen der Gewerbetreibenden und auf Ausstellungen und bei Fachkongressen zur Schau gestellt werden. Weiters sind fachliche Informationen in Fachzeitschriften sowie Inserate in periodischen Durckschriften, mit denen die Eröffnung eines Kontaktlinsenoptikergewerbebetriebes, die vorübergehende Einstellung der Ausübung des Kontaktlinsenoptikergewerbes durch mehr als eine Woche oder die Wiederaufnahme der Ausübung des Kontaktlinsenoptikergewerbes nach einer solchen vorübergehenden Einstellung der Gewerbeausübung bekannt gegeben wird, zulässig."

In dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschl. wies der VfGH zunächst auf sein Erk. VfSlg. 8646/1979 hin. Mit diesem Erk. hatte der VfGH den (der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung gleichenden) §3 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 3. Dezember 1976, BGBl. 698/1976, über Ausübungsvorschriften für das konzessionierte Gewerbe der Kontaktlinsenoptiker mangels Deckung im Gesetz als gesetzwidrig aufgehoben. Hierauf wurde mit ArtI Z24 der Gewerbeordnungs-Nov. 1981 (auf Gesetzesstufe) der oben zitierte §236c eingefügt.

Die Erläuterungen zur RV zu dieser Nov. (798 BlgNr 15. GP) nehmen auf diese Vorgeschichte Bezug und motivieren die Regelung damit, daß die Beschränkung für die Werbung der Tätigkeit der Kontaktlinsenoptiker "im gesundheitspolitischen Interesse" liege.

Der VfGH ging im Einleitungsbeschl. vorläufig davon aus, daß die Anlaßbeschwerde zulässig sei und er daher in der Sache zu entscheiden haben werde. Hiebei hätte er offenbar §236c Abs1 GewO in der zitierten Fassung anzuwenden.

Die Bedenken gegen diese Gesetzesbestimmung werden im Einleitungsbeschl. wie folgt umschrieben:

"Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß §236c Abs1 GewO in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung eingreift. Es scheint nämlich, daß durch die hier verfügte Beschränkung der Werbung die Erwerbsausübungsfreiheit auf eine Art6 StGG berührende Art eingeschränkt wird, ist doch offenbar die Werbung eine für die Ausübung eines Gewerbes essentielle Tätigkeit.

Nach der ständigen Judikatur des VfGH (vgl. zB VfSlg. 9237/1981; VfGH 4. 10. 1984 G70/84) kann das erwähnte Grundrecht durch Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei eingeschränkt werden, solange dadurch nicht sein Wesensgehalt berührt oder in einer anderen Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen wird. Eine gesetzliche Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit verstößt nach der jüngeren Rechtsprechung des VfGH (VfGH 4. 10. 1984 G70/84; 7. 3. 1985 B251/83) dann gegen Art6 StGG, wenn sie nicht durch das öffentliche Interesse geboten und sachlich zu rechtfertigen ist. Eine derartige Rechtfertigung scheint nun aber für die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht zu bestehen:

Der VfGH zieht die für freie Berufe vielfach geltenden Verbote bzw. Beschränkungen der Werbung (siehe zB §9 Ärztegesetz, BGBl. 92/1949, idgF; §14 Apothekenbetriebsordnung, BGBl. II Nr. 171/1934; §39 Abs1 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955 - vgl. hiezu zB Pauger, in: Das Recht der Werbung, Hsg. Aicher, Wien 1984, S 106 f.) grundsätzlich nicht in Zweifel. Die Verfassungsmäßigkeit solcher berufsrechtlicher Werbebeschränkungen kann hier aber anscheinend unerörtert bleiben, weil die in Prüfung gezogenen Bestimmungen damit unvergleichbar sein dürften.

Das Werbeverbot für Kontaktlinsenoptiker wird in der Regierungsvorlage mit gesundheitspolitischem Interesse motiviert. An sich scheinen gesundheitsbezogene Werbebeschränkungen und -verbote (vgl. hiezu Pauger, aaO, S 102 ff.) verfassungsrechtlich nicht bedenklich zu sein, sofern tatsächlich die Wahrung der menschlichen Gesundheit solche Maßnahmen erfordert. Dies dürfte aber hier nicht der Fall sein: Wenn der Gesetzgeber den Kleinhandel mit Kontaktlinsen und das Anpassen der Kontaktlinsen als gewerbliche Tätigkeit zugelassen, sie der Konzessionspflicht unterworfen (§236a GewO) und für die Konzessionserteilung besondere Voraussetzungen verlangt hat (§236b GewO), ist er offenbar davon ausgegangen, daß - unter den erwähnten gesetzlichen Kautelen und bei Beachtung der (eine vorherige Konsultation eines Facharztes für Augenheilkunde vorschreibenden) Bestimmungen über die Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes (§2 der Verordnung BGBl. 698/1976) - die Ausübung dieses Kleinhandels keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt. Dann aber ist dem VfGH vorläufig nicht verständlich, weshalb durch eine Werbebeschränkung diese gewerbliche Tätigkeit restringiert werden soll, was aber offenkundig das Ziel der in Prüfung gezogenen Bestimmung ist.

Gesundheitspolitische Motive vermögen sohin anscheinend die Regelung nicht zu rechtfertigen. Zu überlegen wird sein, ob dies etwa aus anderen Gründen möglich ist. Aber auch ein Konkurrenzschutz für die Ärzte (die nach §9 ÄrzteG einem Werbeverbot unterliegen) kann offenbar kein im öffentlichen Interesse gelegenes Motiv für die den Kontaktlinsenoptikern auferlegte Werbebeschränkung sein, zumal die Tätigkeit der Ärzte (siehe §1 ÄrzteG) anscheinend mit der Tätigkeit eines Kontaktlinsenoptikers unvergleichbar ist. Auch sonstige Gründe, weshalb die verfügte Werbebeschränkung im öffentlichen Interesse liegen könnte, sind vorerst nicht zu erkennen.

Der VfGH nimmt sohin vorläufig an, daß die - anscheinend eine untrennbare Einheit bildende - Bestimmung des §236c Abs1 GewO gegen die Verfassungsvorschrift des Art6 StGG verstößt.

Aus denselben Gründen hat der VfGH das Bedenken, daß die getroffene Regelung sachlich nicht zu rechtfertigen ist und daher dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot widerspricht."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der VfGH wolle den §236c Abs1 GewO nicht als verfassungswidrig aufheben; in eventu für den Fall der Aufhebung der genannten Bestimmung der GewO wolle der VfGH im Hinblick auf die notwendigen legistischen Vorbereitungen für deren Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr festsetzen.

Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung wie folgt:

"1. Zur Vergleichbarkeit des §236c Abs1 GewO mit anderen beruflichen Werbeverboten

Der Aussage des VfGH, er halte die für freie Berufe vielfach geltenden Verbote bzw. Beschränkungen der Werbung - vorläufig - mit der Regelung des §236c GewO 1973 für unvergleichbar, kann sich die Bundesregierung gerade im Hinblick auf Art6 StGG nicht anschließen. Denn bei den von diesen Berufen ausgeübten Tätigkeiten handelt es sich ebenso wie bei den von den Gewerbetreibenden im Sinne der Gewerbeordnung ausgeübten Tätigkeiten um Erwerbsbetätigungen, die unter Art6 StGG fallen.

Der VfGH geht nun davon aus, daß unter den normativen Kautelen der §§236a und 236b GewO sowie des §2 der Verordnung, BGBl. Nr. 698/1976, die Ausübung des Kontaktlinsenoptikergewerbes keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle, weshalb eine Restriktion dieser gewerblichen Tätigkeit durch eine Wettbewerbsbeschränkung nicht verständlich erscheine.

In gleicher Weise könnte man jedoch die offenbar auch vom VfGH für verfassungsrechtlich unbedenklich gehaltenen Werbebeschränkungen für verschiedene nicht der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeiten (vgl. Punkt II.3 des Unterbrechungsbeschlusses) in Frage stellen: Wenn man nämlich der Ansicht ist, daß die Zulassungsvoraussetzungen für die freien Berufe und die die Ausübung dieser Berufe regelnden Vorschriften ohnehin eine fachlich einwandfreie Berufsausübung gewährleisten müßten (vgl. hiezu die Ausführungen des VfGH auf Seite 5, Absatz 1, des Unterbrechungsbeschlusses), dann erhebt sich die Frage, welches öffentliche Interesse es gebietet, etwa den Ärzten, den Apothekern, den Wirtschaftstreuhändern oder den Ziviltechnikern (§30 Abs1 Z2 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. Nr. 71/1969) Verbote bzw. Beschränkungen der Werbung aufzuerlegen. Hier trägt der Gesetzgeber offenbar bestimmten rechtspolitischen Notwendigkeiten für Werbebeschränkungen Rechnung, weil der angestrebte Schutzzweck nicht bereits allein auf Grund der Berufsausübungsvorschriften erreicht werden kann (zu den gesundheitpsolitischen Zielsetzungen siehe unten Punkt 2).

So wie das Werbeverbot für Ärzte offenbar auch mit gesundheitspolitischen Interessen motiviert ist, obwohl auf Grund der Regelungen des Ärztegesetzes 1984 an sich gewährleistet sein müßte, daß die Behandlung durch die Ärzte zu keinem gesundheitlichen Schaden führt und so wie das im §25 des Ärztegesetzes 1984 festgelegte Verbot der Werbung für Ärzte nach Meinung des VfGH offensichtlich nicht dem Art6 StGG widerspricht, so könnten gesundheitspolitische Interessen auch die Werbebeschränkungen rechtfertigen, die §236c GewO 1973 für die Kontaktlinsenoptiker anordnet.

Soweit hingegen Werbebeschränkungen der freien Berufe mit sogenannten Standesinteressen begründet werden, ist hiezu folgendes zu bemerken:

Standesinteressen könnten nach Ansicht der Bundesregierung praktisch von jedem Beruf in irgendeiner Weise ins Treffen geführt werden, um Werbebeschränkungen zu erreichen. Wenn man daher bei freien Berufen aus sogenannten standespolitischen Gründen eine Beschränkung der Werbung im Hinblick auf Art6 StGG für zulässig erachtet, dann könnten solche Regelungen nach Auffassung der Bundesregierung auch bei Gewerbetreibenden nicht verfassungswidrig sein, vorausgesetzt sie kommen für alle einschlägigen Berufstätigkeiten in gleicher Weise zum Tragen (vgl. dazu Punkt 3 unten).

2. Gesundheitspolitische Erwägungen

2.1. Zur allgemeinen Systemkonformität gesundheitspolitischer Zielsetzungen im Rahmen des Gewerberechtssystems

Im übrigen erscheint es nach Ansicht der Bundesregierung durchaus zulässig und systemkonform, im Gewerberecht im Interesse der Volksgesundheit Beschränkungen bei der Gewerbeausübung, zu denen auch Werbebeschränkungen zählen, vorzusehen, wenn dies wegen der Natur eines bestimmten Gewerbes angezeigt erscheint; derartige Regelungen enthielt bereits die ehemalige Gewerbeordnung aus dem Jahre 1859.

Es entspricht daher durchaus dem verfassungsrechtlich unbedenklichen System des Gewerberechts, daß die Ausübung von Gewerben aus gesundheitspolitischen Gründen bisweilen bestimmten Beschränkungen unterworfen wird. Dieser verwaltungspolizeiliche Grundgedanke kommt derzeit, abgesehen von den Schutzbestimmungen (§§69 ff GewO 1973) und vom Betriebsanlagenrecht (§§74 GewO 1973), in mehreren Regelungen der GewO 1973 zum Ausdruck. Es sei hier beispielsweise auf die §§50 Abs2 und 3, 52 Abs2 und 3 und 57 Abs1 und 2 GewO 1973 verwiesen, in denen bezüglich der zur arzneilichen Verwendung bestimmter Stoffe und Präparate und der Heilbehelfe beim Versandhandel, beim Automatenverkauf und beim Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen Beschränkungen bei der Gewerbeausübung angeordnet werden bzw. in entsprechenden Verordnungsermächtigungen Gründe der Volksgesundheit als Gründe genannt werden, die zu Beschränkungen führen können.

2.2. Die gesundheitspolitische Zielsetzung des §236c Abs1 GewO im besonderen

Daß beim konzessionierten Gewerbe der Kontaktlinsenoptiker im Interesse der Volksgesundheit Werbebeschränkungen für notwendig erachtet werden, ergibt sich im einzelnen auf Grund folgender Überlegungen:

Eine schrankenlose Werbung der Kontaktlinsenoptiker für ihren Beruf könnte bei den Konsumenten den Eindruck erwecken, hier handle es sich um eine Sehhilfe, die problemlos Sehschwächen ausgleicht und die vom Optiker allein zur Verfügung gestellt werden kann. Da das Tragen einer Kontaktlinse einen für das Auge wesentlich gravierenderen Eingriff als etwa das Anpassen einer Brille darstellt, ergibt sich daraus für die Tätigkeit eines Kontaktlinsenoptikers das Erfordernis der unbedingten und unerläßlichen Zusammenarbeit mit dem Augenarzt. Dem entspricht die vom VfGH zitierte Regelung des §2 der Verordnung BGBl. Nr. 698/1976. Daß Kontaktlinsen klaglos getragen werden können, setzt nicht nur voraus, daß dem §2 der Verordnung BGBl. Nr. 698/1976 entsprochen worden ist. Auch bei fachgemäßer Anpassung der Kontaktlinsen nach vorherigen Untersuchung durch einen Facharzt für Augenheilkunde wird es notwendig sein, daß sich der Kontaktlinsenträger in regelmäßigen Abständen einer ärztlichen Untersuchung unterzieht. Auch wenn Probleme mit den Kontaktlinsen auftreten (Verschlechterung der Sehqualität, Reizung des Auges), wird eine Konsultation des Augenarztes unerläßlich sein. Eine uneingeschränkte Werbemöglichkeit der Kontaktlinsenoptiker könnte diese Notwendigkeit jedoch verschleiern und den Eindruck erwecken, vom Kontaktlinsenoptiker allein könnte die erforderliche Hilfe erlangt werden.

Mit der Werbebeschränkung für Kontaktlinsenoptiker soll erreicht werden, daß der Kontaktlinsenträger nicht durch Werbeeinschaltungen über Kontaktlinsen informiert wird. Vielmehr soll er sein Wissen über die mit dem Tragen von Kontaktlinsen notwendigen Maßnahmen (regelmäßige ärztliche Untersuchungen, sorgfältige Pflege der Kontaktlinsen uam.) direkt vom Fachmann beziehen, also vom Arzt und vom Kontaktlinsenoptiker. Er soll nicht eine allgemeine Information aus der Werbung erhalten, die, selbst wenn sie die Probleme nicht vergröbern sollte, jedenfalls nicht auf den individuellen Fall eines Kontaktlinsenträgers abgestimmt sein kann.

Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß diese gesundheitspolitischen Interessen, die durch die Eigenart des Gewerbes der Kontaktlinsenoptiker bedingt sind, die durch §236c GewO 1973 vorgesehene Beschränkung der Werbung der Kontaktlinsenoptiker sachlich rechtfertigen. Nach Auffassung der Bundesregierung verstößt die in Prüfung gezogene Bestimmung daher schon aus diesem Grund nicht gegen Art6 StGG.

3. Standespolitische und gleichheitsrechtliche Erwägungen im Zusammenhang mit §236c Abs1 GewO

Wenn auch schon allein die gesundheitspolitischen Erwägungen nach Meinung der Bundesregierung ausreichen, um eine Beschränkung der Werbung der Kontaktlinsenoptiker im Hinblick auf Art6 StGG zu rechtfertigen, so sei darauf hingewiesen, daß überdies sowohl standespolitische Momente als auch Gleichheitserwägungen für die Regelung des §236c GewO 1973 von Bedeutung sind. Die vorangegangene Darstellung hat deutlich aufgezeigt, daß die Tätigkeit des Kontaktlinsenoptikers ein unerläßliches und enges Zusammenwirken mit der Tätigkeit der Ärzte bedingt. Weiters muß bedacht werden, daß bestimmte Tätigkeiten des Kontaktlinsenoptikers im Rahmen des Anpassens der Kontaktlinsen in einem engen Naheverhältnis zu Tätigkeiten stehen, die insbesondere Fachärzte für Augenheilkunde auf Grund ihrer Berechtigung zur Ausübung dieses Berufes entfalten. Es erscheint daher sachlich geboten, Kontaktlinsenoptiker im Hinblick auf das für Ärzte geltende Werbeverbot des §25 des Ärztegesetzes 1984 insofern gleich zu behandeln, als auch ihnen Beschränkungen der Werbung auferlegt werden.

4. Zusammenfassung

Aus den dargelegten Gründen gelangt die Bundesregierung daher zu der Auffassung, daß die in der prüfungsgegenständlichen Bestimmung verankerte Werbebeschränkung für die Ausübung der Erwerbstätigkeit durch Kontaktlinsenoptiker im Sinne des Erkenntnisses des VfGH vom 4. Oktober 1984, G70/84, durch das öffentliche Interesse geboten und sachlich gerechtfertigt ist. Nach Ansicht der Bundesregierung wird somit durch die in Prüfung stehende Bestimmung weder der Wesensgehalt des Grundrechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung berührt noch in anderer Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen (vgl. VfGH 7. März 1985, B251/83, S 12)."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die im Einleitungsbeschluß geäußerte vorläufige Annahme, die Anlaßbeschwerde sei zulässig und der VfGH hätte in der zu treffenden Sachentscheidung den §236c Abs1 GewO (der eine der wesentlichen materiellen Grundlagen des im Anlaßverfahren bekämpften Bescheides ist), anzuwenden, hat sich ebenso als zutreffend erwiesen, wie die vorläufige Annahme, daß diese bundesgesetzliche Bestimmung eine untrennbare Einheit bilde und daher zur Gänze präjudiziell sei.

Das Gesetzesprüfungsverfahren ist sohin zulässig.

2. Die Äußerung der Bundesregierung vermochte nicht, die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken des VfGH zu zerstreuen:

a) Die Meinung der Bundesregierung, §236c Abs1 GewO sei mit anderen beruflichen Werbeverboten, wie sie im Einleitungsbeschluß erwähnt werden, vergleichbar, ist unzutreffend. Die in diesem Beschluß erwähnten Verbote beziehen sich nämlich auf Angehörige freier Berufe (etwa Ärzte, Apotheker und Wirtschaftstreuhänder), für die aus standespolitischen, historisch begründeten Erwägungen die Werbung weitgehend untersagt ist; die Angehörigen dieser Berufe unterliegen einem von Standesgenossen ausgeübten Disziplinarrecht, und zwar auch bei der Verletzung des Werbeverbotes. Für Gewerbetreibende iS der GewO stellt sich die Situation völlig anders dar; es entspricht dem herkömmlichen Verständnis, daß für diese Berufe grundsätzlich Werbefreiheit vorgesehen ist, sofern nur nicht unlauterer Wettbewerb getrieben wird. Standesinteressen fordern für diese Berufe prinzipiell keine Beschränkung der Werbetätigkeit.

b) Zwar trifft die Ansicht der Bundesregierung zu, daß auch der Gewerberechtsgesetzgeber gesundheitspolitische Ziele verfolgen darf.

§236c Abs1 GewO dient nun aber - entgegen der Meinung der Bundesregierung - nicht derartigen Zielen:

Zwar erfordert - wie in der Äußerung zutreffend dargestellt wird - die Tätigkeit eines Kontaktlinsensoptikers die Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Augenheilkunde. Diese Zusammenarbeit ist aber durch die Rechtsordnung ohnehin vorgeschrieben (s. die im Einleitungsbeschluß und in der Äußerung der Bundesregierung zitierte V BGBl. 698/1976). Der Gesetzgeber kann (schon im Hinblick auf die im §236b GewO geforderte Zuverlässigkeit und Befähigung) davon ausgehen, daß die Kontaktlinsenoptiker ihr Gewerbe fachgerecht ausüben, das gebotene Einvernehmen mit den Augenfachärzten pflegen und ihre Kunden auf die erforderliche vorherige Untersuchung durch einen Augenfacharzt und auch auf die allenfalls nötige, weitere Betreuung durch einen Arzt hinweisen werden.

Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß es vertretbar sei, nicht bloß den Kleinhandel mit Kontaktlinsen, sondern auch deren Anpassen (konzessionierten) Gewerbetreibenden zu überlassen. Die gesundheitspolitischen Überlegungen, die in der Äußerung der Bundesregierung vorgebracht werden, sind nur geeignet, die Konzessionspflicht zu rechtfertigen, nicht aber das Werbeverbot. Wenn der Gesetzgeber meinen sollte, gesundheitspolitische Aspekte würden iZm. dem Anpassen von Kontaktlinsen eine intensivere Konsultation von Fachärzten für Augenheilkunde erfordern, ist zur Erreichung dieses Zieles ein Werbeverbot kein geeignetes Mittel, sondern allenfalls eine Verschärfung der derzeit im §2 der V BGBl. 698/1976 getroffenen Regelung, und zwar unter Umständen auf Gesetzesstufe.

c) Da auch andere öffentliche Interessen für das die Freiheit der Erwerbsausübung einschränkende Werbeverbot nicht vorliegen und das Werbeverbot sachlich nicht zu rechtfertigen ist, verstößt §236c Abs1 GewO gegen Art6 StGG (vgl. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985).

Die in Prüfung gezogene bundesgesetzliche Bestimmung war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

Schlagworte

Gewerberecht, Optiker, Kontaktlinsenoptiker, Gesundheitswesen, Werbeverbot (Kontaktlinsenoptiker), Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G168.1985

Dokumentnummer

JFT_10148797_85G00168_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten