TE Vfgh Erkenntnis 1985/12/10 G123/85, G124/85, G125/85, G126/85, G127/85, G239/85, G240/85

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Veröffentlicht am 10.12.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs5
EStG 1972 §18 Abs1 Z4
EStG 1972 §36
GewerbesteuerG 1953 §6
GewerbesteuerG 1953 §8 Z4
GewerbesteuerG 1953 §11 Abs3
KStG 1966 §8
KStG 1966 §8 Abs1
KStG 1966 §10
KStG 1966 §22 Abs5

Beachte

Kundmachung am 28. Feber 1986, BGBl. 102/1986; Anlaßfälle B378/82, B609/82, B549/84, B788/84, B960/84, B535/85 sowie B796/85 vom 12. Dezember 1985 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach Muster VfSlg. 10699/1985

Leitsatz

KörperschaftsteuerG; die sich aus §8 Abs1 letzter Satz ergebende Unmöglichkeit, bei Ermittlung des abzugsfähigen Verlustes die Begünstigungen des §10 für Gewinnanteile aus Beteiligungen anzuwenden, ist unsachlich

Spruch

Der letzte Satz des §8 Abs1 Körperschaftsteuergesetz 1966, BGBl. 156, idF der Nov. BGBl. 441/1972, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1986 in Kraft.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Unter der Rubrik "Befreiungen bei Schachtelgesellschaften" bestimmt §10 KörperschaftsteuerG 1966, daß bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Einkommens maßgebenden Schlußstichtag ununterbrochen an dem Grund- oder Stammkapital einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft in Form von Aktien oder Anteilen mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt waren, die auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art außer Ansatz bleiben (sogenanntes "Schachtelprivileg"). Nach dem letzten Satz des §8 Abs1 KStG sind jedoch die Vorschriften des §10 bei Ermittlung des abzugsfähigen Verlustes nicht anzuwenden.

1. Beim VfGH sind Beschwerden gegen Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide anhängig, die unter Berufung auf diesen letzten Satz des §8 Abs1 KStG den Vortrag von Verlusten verweigern:

Die zu B378/82 bf. GesmbH verzeichnete für 1977 einen Reingewinn von rund 3,5 Millionen Schilling, wovon nach Abzug des Beteiligungsgewinnes von über 5 Millionen Schilling ein Verlust von 1671232 S blieb. Dieser (im Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion unter teilweiser Stattgebung der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1977 ausgeworfene) Betrag wird im Spruch des Bescheides ausdrücklich als "gemäß §8 Abs1 KStG nicht vortragsfähig" erklärt. Demgemäß wurde der für 1978 errechnete Gewinn von 544645 S nicht durch Abzug des Verlustes aus 1977 kompensiert und die Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1978 abgewiesen.

Ähnlich begehrte die zu B609/82 bf. Aktiengesellschaft für 1978 die Berücksichtigung eines Verlustes aus 1977 in jener Höhe, die sich nach Abzug von Erträgen aus Schachtelbeteiligungen in der Höhe von rund 18,5 Millionen Schilling ergeben hatte. Ihre Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes, der den Verlust nur mit jenem Betrag in Ansatz gebracht hatte, der nach Einbeziehung von Beteiligungserträgen erübrigte, blieb erfolglos.

Die zu B549/84 bf. Aktiengesellschaft hat in den Jahren 1977 und 1978 ihre Verluste in der Höhe von zusammen rund 60,5 Millionen Schilling unter Ausscheidung von Beteiligungsgewinnen in der Höhe von 23000 S bzw. 5,7 Millionen Schilling ermittelt. Das Finanzamt hatte in den im Instanzenzug bestätigten Körperschaftsteuerbescheiden 1979 - 1981 und im Gewerbesteuermeßbescheid 1979 den Verlustvortrag (Fehlbetrag nach §6 Abs3 GewStG) um die Schachtelgewinne gekürzt und entsprechend niedrigere Verlustabzüge (Fehlbeträge) ausgewiesen.

In der Körperschaftsteuererklärung 1981 hat die zu B788/84 bf. Aktiengesellschaft von den Einkünften in der Höhe von 3417945 S einen Verlust in der Höhe von 1139740 S aus 1979 und von 4017782 S aus 1980 abgezogen. Bei der im Instanzenzug bestätigten Veranlagung wurde aus 1980 bloß ein Verlust von 1348731 S berücksichtigt, weil der Rest nicht vortragsfähig sei.

Im Gewerbesteuermeßbescheid für 1979 wurden die Abzüge vom Gewerbeertrag der zu B960/84 bf. Aktiengesellschaft um Schachtelgewinne von 150000 S aus 1975, 4302008 S aus 1976 und 23000 S aus 1977 gekürzt; ihre Berufung blieb erfolglos.

Zu B535/85 führt eine GesmbH Beschwerde, die gegen einen Körperschaftsteuerbescheid für 1983 erfolglos berufen hat, worin bei Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3283181 S der Abzug eines Verlustes aus 1982 in Höhe von 1264883 S versagt wurde, der neben anderen Zu- und Abrechnungen durch Abzug von Gewinnanteilen gemäß §10 KStG in Höhe von 3099649 S entstanden war.

Schließlich ist zu B769/85 die Beschwerde einer GesmbH anhängig, die für 1982 die Berücksichtigung eines Verlustes aus 1981 in Höhe von 1223266 S, der durch Abzug von Gewinnanteilen der genannten Art entstanden war, in beiden Instanzen erfolglos begehrt hat.

In sämtlichen Beschwerden wird (unter Hinweis auf Tanzer, Schachtel-"Privileg" und Verlustabzug, GesRZ 1982, 28 ff.) die Verfassungswidrigkeit des letzten Satzes des §8 Abs1 KStG behauptet und die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz, in den meisten Beschwerden auch noch die Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt. Es sei unsachlich, die Gewinne aus Beteiligungen gerade dann zu berücksichtigen, wenn es um den Verlustvortrag gehe. Die Vermeidung der mehrfachen Besteuerung sei um nichts weniger erforderlich, wenn es um den Ausgleich innerhalb größerer Zeiträume gehe.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren hat der Gerichtshof die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes in §8 Abs1 KStG beschlossen. Er hat vorläufig angenommen, daß die Beschwerden zulässig sind und bei ihrer Beurteilung die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden wäre. Er hat das Bedenken geteilt, daß es unsachlich sei, auf Gewinne aus Beteiligungen gerade dann Rücksicht zu nehmen, wenn es um den Verlustvortrag gehe:

"... Der Gerichtshof kann vorläufig nicht erkennen, welche Gründe die im letzten Satz des §8 Abs1 KStG verfügten Beschränkungen der in §10 vorgesehenen Steuerbefreiung rechtfertigen könnten. Auch wenn man nämlich annehmen wollte - was der Gerichtshof allerdings dahingestellt lassen will -, daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verhalten wäre, Schachtelgewinne von der Besteuerung auszunehmen, scheint es keinen einsichtigen Grund zu geben, daß die gewährte Ausnahme für den Verlustvortrag nicht wirksam werden soll.

Die Gegenschrift der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich zu B549/84 führt aus:

'Der Beschwerdeführerin ist zwar einzuräumen, daß die Steuerbefreiung für Schachtelgewinne insoweit beeinträchtigt oder gar beseitigt wird, als durch diese ein Verlust entstehen oder erhöht würde, sie verkennt jedoch nach Ansicht der belangten Behörde, daß die differenzierende Behandlung der Schachteldividenden auf unterschiedlichen Tatbeständen beruht. Der Wegfall dieser Steuerbefreiung trifft nur jene Gruppe von Steuerpflichtigen, die ansonsten einen Verlust ausgleichen oder vortragen könnten, nicht aber auch solche, bei denen ein Verlustabzug von vornherein gar nicht möglich wäre. Im übrigen ist es auch keine unsachliche Einschränkung, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, nur das Jahr des Zuflusses der Schachtelgewinne als begünstigungswürdig zu behandeln. Hat ein Steuerpflichtiger in einem Jahr Gewinne erzielt, so soll die ertragsteuerliche Befreiung der zugeflossenen Beteiligungsdividenden eine höhere Steuerbelastung vermeiden; wurde ein Verlust erwirtschaftet, so ist mangels ertragsteuerlicher Konsequenzen in diesem Jahr eine Befreiung insoweit, als die Dividenden den Verlust konsumieren, nicht erforderlich. Würde man der Forderung der Beschwerdeführerin entsprechen, käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Verlagerung der 'Begünstigung' in einen anderen Besteuerungszeitraum. Indem die Schachtelbefreiung von einer anderen Begünstigung - dem Verlustabzug - abhängig gemacht wird, begründet der Gesetzgeber eine sachlich gerechtfertigte unterschiedliche Gewährung der Schachtelbefreiung bei Vorliegen unterschiedlicher Tatbestände.'

Damit scheint aber nichts anderes dargetan, als daß der Gesetzgeber die 'Verlagerung der Begünstigung' in einen anderen Besteuerungszeitraum nicht beabsichtigt hat. Warum er aber gerade diese - sachlich offenbar berechtigte - Begünstigung nicht auf andere Besteuerungszeiträume verlagert wissen und damit auch dann wirken lassen will, wenn sie die mehrfache Belastung erst innerhalb eines längeren Zeitraumes verhindern kann, vermag der VfGH derzeit nicht zu erkennen.

Der in den Gegenschriften zu B378/82 und B549/84 enthaltene Hinweis auf VfSlg. 6423/1971 läßt offen, was die Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus Sanierungen mit der in Rede stehenden Frage der Behandlung von Schachtelgewinnen zu tun haben soll. Auch einer Rechtfertigung aus dem Gesichtspunkt der Unschädlichkeit bloßer Härtefälle dürfte die vom Gesetzgeber gewollte Benachteiligung der weniger ertragreichen und an der Begünstigung daher nur unter Zusammenfassung längerfristiger Ergebnisse interessierten Gesellschaften von vornherein nicht zugänglich sein."

3. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Sie legt zunächst dar, daß das sogenannte Schachtelprivileg nicht eine reine Steuerbefreiung, sondern zufolge der in Prüfung gezogenen Bestimmung eine bloße Tarifbegünstigung ist, und führt dann - offenbar die Meinung der Finanzlandesdirektion für OÖ im Anlaßbeschwerdeverfahren aufgreifend - folgendes aus:

"Geht man nun davon aus, daß die Schachtelbegünstigung von der Konstruktion her eine reine Tarifbegünstigung, ähnlich der Begünstigung des Sanierungsgewinnes oder der begünstigten Steuersätze gemäß §37 und §38 des Einkommensteuergesetzes ist, so entspricht der Umstand, daß durch eine solche Tarifbegünstigung ein Verlustvortrag nicht erhöht werden kann, sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch der ständigen Rechtsprechung des VwGH. So hat der VwGH im Erkenntnis vom 3. Oktober 1984, 83/13/0064, ausgesprochen, daß ein Sanierungsgewinn nur dann aus dem Einkommen auszuscheiden sei, wenn das Einkommen größer als der Sanierungsgewinn sei; 'dies deshalb, weil der Verlustausgleich primär innerhalb derselben Einkunftsart (bzw. bei einer Kapitalgesellschaft innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb) vorzunehmen ist und daher das Einkommen nur mehr jenen Teil des Sanierungsgewinnes enthält, der nach Ausgleich mit dem Verlust derselben Einkunftsart als Einkünfte verblieben ist.' Zu §37 des Einkommensteuergesetzes hat der VwGH im Erkenntnis vom 27. März 1985, 84/13/0005, ausgeführt, daß diese Bestimmung eine bloße Tarifbegünstigung sei; vor deren Anwendung erst die Bemessungsgrundlage ermittelt werden müsse; 'der ermäßigte Steuersatz kommt daher nur insoweit zum Zuge, als die positiven Einkünfte die Verluste aus der betreffenden Einkunftsart im selben Veranlagungszeitraum übersteigen.'

Aus diesen beiden Erkenntnissen ergibt sich eindeutig, daß bei einer bloßen Tarifbegünstigung in Jahren, in denen insgesamt ein Verlust aus einer Einkunftsart entsteht, keine Erhöhung des Verlustes durch eine derartige Begünstigung denkbar ist. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen als Tarifbestimmung hat der VfGH im Erkenntnis vom 16. März 1971, B119/70, ausgesprochen, daß gegen den Verlust bzw. die Verringerung der Vortragsmöglichkeit von Verlusten prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der VfGH führt in diesem Erkenntnis wörtlich aus: 'Die Regelung' - des Sanierungsgewinnes als Tarifbegünstigung - 'ist nicht deswegen unsachlich, weil sie nur Steuerpflichtige trifft, die ansonsten einen Verlust vortragen können, nicht aber solche, bei denen ein Verlustvortrag auch ohne die durch den Sanierungsgewinn bedingte Einschränkung von vornherein nicht möglich wäre; diese Verschiedenheit entspricht dem differenten Sachverhalt.'

Ein weiterer Grund für die durch die in Prüfung gezogene Bestimmung verfügte Beschränkung der in §10 des Körperschaftsteuergesetzes vorgesehenen Steuerbefreiung kann darin gesehen werden, zu vermeiden, daß die Begünstigung von Schachtelgewinnen und die Begünstigung durch die Möglichkeit eines Verlustvortrages zusammentreffen. Sinn des 'Schachtelprivileges' ist es ja, eine Doppelbesteuerung der Beteiligungsgewinne einer Kapitalgesellschaft zu vermeiden. Wenn jedoch im konkreten Fall für die Kapitalgesellschaft die Möglichkeit eines Verlustvortrages besteht, so wird ja dadurch bewirkt, daß durch den Abzug des vortragsfähigen Verlustes von dem im nächsten Besteuerungszeitraum gezielten Gewinn vom Gesetzgeber eine Steuerbegünstigung gewährt wird.

Nach Ansicht der Bundesregierung enthält die in Prüfung stehende Vorschrift somit eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung. Es macht nämlich einen relevanten Unterschied im Sachverhalt aus, ob der steuerpflichtigen Körperschaft durch einen Verlustvortrag ohnehin eine Steuerbegünstigung gewährt wird oder ob das nicht der Fall ist. Das 'Schachtelprinzip' soll da bewirken, daß auch dann, wenn nach der Sachlage des Steuerfalles kein Verlustvortrag möglich ist, eine Steuerbegünstigung (zur Vermeidung von Doppelbesteuerung von Körperschaftsgewinnen) zum Tragen kommt. Wenn sich daher nach dem Willen des Gesetzgebers Verlustvortrag und 'Schachtelprivileg' gegenseitig ausschließen sollen, entspricht dies der gleichheitsrechtlich unbedenklichen Ansicht, daß pro Steuerfall nur eine der beiden Steuerbegünstigungen möglich sein soll."

Für den Fall der Aufhebung wird die Setzung einer Frist von einem Jahr beantragt, da die Verkürzung des Verlustvortrages um Schachteldividenden ein grundlegendes Prinzip des Körperschaftsteuerrechtes sei und erforderliche Neuregelungen einer längeren Vorbereitungszeit bedürften.

II. Die Verfahren sind zulässig. Es sind keine Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung in den Körperschaftsteuersachen hervorgekommen. Da bei Berechnung des Gewerbeertrages nach §6 GewerbesteuerG von dem nach den Vorschriften des KStG zu ermittelnden Gewinn auszugehen ist, muß §8 KStG ungeachtet des aus §8 Z4 GewerbesteuerG abzuleitenden Ergebnisses (vgl. den Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 24. Juli 1985, AÖFV Nr. 203) auch in den Gewerbesteuerfällen angewendet werden.

III. Die Bedenken sind auch begründet. Die in Prüfung gezogene Bestimmung widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot.

Die Ausführungen der Bundesregierung können die Bedenken nicht zerstreuen. Daß das Gesetz nach der jeweiligen Gewinnlage der steuerpflichtigen Körperschaft differenziert, ist unbestritten geblieben. Zwar hat der letzte Satz des §8 Abs1 zur Folge, daß die in §10 KStG verfügte "Befreiung bei Schachtelgesellschaften" damit entgegen ihrer Formulierung und systematischen Stellung im Ergebnis bloß wie eine Tarifbegünstigung wirkt. Gerade der Umstand, daß dabei keine Möglichkeit eines Verlustvortrages besteht, hat aber die Bedenken des Gerichtshofes ausgelöst. Der Hinweis auf die Eigenart bloßer Tarifbegünstigungen führt daher nicht weiter.

Der Vergleich mit der Behandlung von Sanierungsgewinnen scheitert am unterschiedlichen Zweck der beiden Begünstigungen: Während die §§36 EStG, 22 Abs5 KStG und 11 Abs3 GewStG die Sanierung notleidender Unternehmen durch Forderungsverzichte erleichtern wollen (vgl. insbesondere Ruppe, Verlustverrechnung bei Sanierungsgewinnen, GesRZ 1981, 72 ff., 79), soll das sogenannte Schachtelprivileg eine Doppel- oder Mehrfachbesteuerung verhindern. Diesen beiden gesetzgeberischen Zielen kommt ganz verschiedenes Gewicht zu: geht es dort um die Förderung notleidender Unternehmen, soll hier eine Benachteiligung bestimmt strukturierter Körperschaften vermieden werden. Das sogenannte Schachtelprivileg stellt eine verfassungsrechtlich vielleicht nicht gerade gebotene, aber jedenfalls zulässige Bedachtnahme auf tatsächliche Besonderheiten dar. Daß der Gerichtshof die Behandlung des Sanierungsgewinnes verfassungsrechtlich unbedenklich gefunden hat, kann daher das Urteil über die in Prüfung stehende Vorschrift nicht präjudizieren.

Die These, es stehe dem Gesetzgeber frei, ein Zusammentreffen mehrerer "Begünstigungen" - nämlich der Möglichkeit des Verlustvortrages mit der Inanspruchnahme des "Schachtelprivileges" - zu vermeiden, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Auflockerung des Prinzips der Periodenbesteuerung durch die Möglichkeit des Verlustausgleiches nach §18 Abs1 Z4 EStG kann nicht mechanisch gegen die Vermeidung der Mehrfachbesteuerung aufgerechnet werden. Die Verhinderung der Mehrfachbesteuerung wäre nur dann sachlich, wenn sie sich auch bei jenen Gesellschaften auswirken würde, die erst innerhalb des längeren ausgleichsfähigen Zeitraumes mehrfach belastet werden.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist daher als gleichheitswidrig aufzuheben.

IV. Die Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG und soll einen nahtlosen Übergang zu einer allfälligen Neuregelung des gesamten Fragenkreises oder ein zweckmäßiges Auslaufen der aufgehobenen Bestimmung gewährleisten. Im Hinblick darauf, daß die Aufhebung aus technischen Gründen erst nach dem 31. Dezember 1985 kundgemacht werden kann, wird die gesetzte Frist ein Jahr nicht übersteigen.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG, die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Gewerberecht, Körperschaftsteuer, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Sonderausgaben, Doppelbesteuerung, Anwendbarkeit Gesetz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G123.1985

Dokumentnummer

JFT_10148790_85G00123_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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