TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/11 WI-15/85

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Veröffentlicht am 11.03.1986
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0300 Landtagswahl

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art95 Abs1
B-VG Art141 Abs1 lita
Oö LandtagswahlO 1985 §44 Abs3 Z1
Oö LandtagswahlO 1985 §50
Oö LandtagswahlO 1985 §45
Oö LandtagswahlO 1985 §92
Oö LandtagswahlO 1985 §93 Abs1
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Art141 Abs1 B-VG; Anfechtung der Oö. Landtagswahl wegen Rechtswidrigkeiten, die nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffen; maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Anfechtungsfrist; Anfechtung zulässig Oö. LWO; keine Gleichheitsbedenken gegen die Bestimmungen des §50 über die Reihung der wahlwerbenden Parteien bei der Veröffentlichung der Kreiswahlvorschläge; Parteibezeichnungen der drei kandidierenden "Grün"-Gruppierungen genügend individualisiert iS des §44 Abs3 Z1; Wertung der Einbringung mehrerer Wahlvorschläge als gleichzeitig iS des §50 Abs3 Satz 2 rechtmäßig, wenn mehrere Parteienvertreter gleichzeitig in der Einlaufstelle eintreffen und anwesend sind

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 6. Oktober 1985 fand die Wahl des Oö. Landtages statt.

1.1.2. Dieser Wahl lagen von den Kreiswahlbehörden überprüfte, gemäß §50 der Oö. Landtagswahlordnung 1985, LGBl. 50/1985 (LWO 1985), abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge der unter 1.1.3. bezeichneten Wahlparteien zugrunde.

1.1.3. Die Listenplätze wurden in den einzelnen Wahlkreisen wie folgt vergeben:

Wahlkreis 1 (Linz und Umgebung):

Liste 1 Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2 Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 4 GRÜN-ALTERNATIVE (GAL)

Liste 5 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Liste 6 DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS (DGÖ)

Liste 7 Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)

Wahlkreis 2 (Innviertel):

Liste 1 Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2 Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 4 GRÜN-ALTERNATIVE (GAL)

Liste 5 Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)

Liste 6 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Liste 7 DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS (DGÖ)

Wahlkreis 3 (Hausruckviertel):

Liste 1 Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2 Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 4 GRÜN-ALTERNATIVE (GAL)

Liste 5 DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS (DGÖ)

Liste 6 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Liste 7 Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)

Wahlkreis 4 (Traunviertel):

Liste 1 Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2 Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 4 Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)

Liste 5 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Liste 6 GRÜN-ALTERNATIVE (GAL)

Liste 7 DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS (DGÖ)

Wahlkreis 5 (Mühlviertel):

Liste 1 Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2 Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 4 Wahlvorschlag zurückgezogen

Liste 5 Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)

Liste 6 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Liste 7 GRÜN-ALTERNATIVE (GAL).

1.1.4. Von den bei dieser Landtagswahl abgegebenen 753640 gültigen Stimmen entfielen auf:

ÖVP       392760 (30 Mandate)

SPÖ       286115 (23 Mandate)

FPÖ        37932 ( 3 Mandate)

VGÖ        16469 ( 0 Mandate)

GAL        12681 ( 0 Mandate)

KPÖ         4867 ( 0 Mandate)

DGÖ         2816 ( 0 Mandate).

In den Dienststellen aller Wahlkeisbehörden des Bundeslandes Oberösterreich waren am 2. August 1985 (dem Tag der Wahlausschreibung) zu Beginn der Amtsstunden Vertreter der "Vereinten GRÜNEN Österreichs (Buchner) (VGÖ)" eingetroffen, um Kreiswahlvorschläge einzureichen. Zur selben Zeit waren dort aber auch Vertreter anderer Wahlparteien erschienen, die ebenfalls Wahlvorschläge überbrachten. Angesichts dieser Sachlage hatten die Wahlbehörden im weiteren Verlauf die Wahlvorschläge dieser Wahlparteien als gleichzeitig eingelangt angesehen, weshalb die Reihenfolge der Listenplätze durch Los entschieden wurde.

1.2.1. Die Wahlpartei "Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)" focht die Wahl des Oö. Landtages am 31. Oktober 1985 gemäß Art141 B-VG beim VfGH an.

In dieser Anfechtungsschrift wurde die "Aufhebung des Wahlverfahrens" begehrt, weil Parteien mit verwechselbaren Parteibezeichnungen kandidiert und fehlerhafte amtliche Stimmzettel Verwendung gefunden hätten sowie Listenplätze der Bestimmung des §50 Abs3 LWO 1985 zuwider verlost und amtliche Plakate mit verwirrendem Inhalt in Wahllokalen aufgehängt worden seien. Zudem sei das Wahlverfahren in Handhabung verfassungswidriger Bestimmungen der LWO vor sich gegangen.

1.2.2. Die Landeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine die Abweisung der Anfechtung beantragende Gegenschrift.

1.3. Der mit "Abschließung und Veröffentlichung der Kreiswahlvorschläge" betitelte §50 LWO hat folgenden Wortlaut:

"(1) Frühestens am neunten, spätestens am siebenten Tag vor dem Wahltag hat die Kreiswahlbehörde die Kreiswahlvorschläge abzuschließen, falls eine Parteiliste mehr als doppelt so viele Bewerber enthält, wie im Wahlkreis Abgeordnete zu wählen sind, die überzähligen Bewerber zu streichen und die Wahlvorschläge zu veröffentlichen.

(2) In der Veröffentlichung nach Abs1 hat sich die Reihenfolge der Parteien, die im zuletzt gewählten Landtag vertreten waren, nach der Zahl der Mandate, die die Parteien bei der letzten Landtagswahl im ganzen Landesgebiet erreicht haben, zu richten. Ist die Zahl der Mandate gleich, so bestimmt sich die Reihenfolge nach der bei der letzten Landtagswahl ermittelten Gesamtsumme der Parteistimmen; sind auch diese gleich, so entscheidet die Landeswahlbehörde durch das Los, das von dem an Jahren jüngsten Mitglied zu ziehen ist. Die so ermittelte Reihenfolge ist von der Landeswahlbehörde den Kreiswahlbehörden bis spätestens am einundzwanzigsten Tag vor dem Wahltag bekanntzugeben und ist für die Kreiswahlbehörde verbindlich.

(3) Im Anschluß an die nach Abs2 gereihten Parteien sind die übrigen wahlwerbenden Parteien anzuführen, wobei sich ihre Reihenfolge nach dem Zeitpunkt der Einbringung des Wahlvorschlages zu richten hat. Bei gleichzeitig eingebrachten Wahlvorschlägen entscheidet über die Reihenfolge die Kreiswahlbehörde durch das Los, das von dem an Jahren jüngsten Mitglied zu ziehen ist.

(4) Den unterscheidenden Parteibezeichnungen sind die Worte 'Liste 1, 2, 3 usw.' in fortlaufender Numerierung voranzusetzen. Beteiligt sich eine im zuletzt gewählten Landtag vertretene Partei nicht an der Wahlwerbung, so hat in der Veröffentlichung nur ihre nach Abs1 zukommende Listennummer und daneben das Wort 'leer' aufzuscheinen.

(5) Die Veröffentlichung hat in ortsüblicher Weise, jedenfalls auch in der 'Amtlichen Linzer Zeitung', zu erfolgen. Aus ihr müssen alle Listennummern sowie der Inhalt der Wahlvorschläge (§44 Abs3 Z1 bis 3) zur Gänze ersichtlich sein.

(6) Bei allen wahlwerbenden Parteien sind die Parteibezeichnungen einschließlich allfälliger Kurzbezeichnungen mit gleich großen Druckbuchstaben in für jede wahlwerbende Partei gleich große Rechtecke mit schwarzer Druckfarbe einzutragen. Für die Kurzbezeichnung sind hiebei einheitlich große schwarze Druckbuchstaben zu verwenden. Vor jeder Parteibezeichnung ist in schwarzem Druck das Wort 'Liste' und darunter möglichst groß die jeweilige fortlaufende Ziffer anzuführen. Bei mehr als dreizeiligen Parteibezeichnungen kann die Größe der Druckbuchstaben dem zur Verfügung stehenden Raum entsprechend angepaßt werden."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Landtagswahl (zB VfSlg. 10178/1984). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

2.1.2. Nun sieht zwar §93 Abs1 LWO die Möglichkeit eines administrativen Einspruchs - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Kreis- oder der Landeswahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (das sind alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim VfGH binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (Art141 Abs1 lita B-VG).

2.1.3.1. Im vorliegenden Fall strebt die zu Punkt 1.2.1. bezeichnete Wahlpartei in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten zunächst dem Einspruchsverfahren nach §93 LWO vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallenden - unter Punkt 1.2.1. gerafft dargestellten Mängel, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

2.1.3.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985), das ist bei der Wahl des Oö. Landtages die Verlautbarung des Ergebnisses des zweiten Ermittlungsverfahrens durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes der Oö. Landesregierung (§92 LWO).

Diese Verlautbarung fand hier am 9. Oktober 1985 statt.

Die (am 31. Oktober 1985 beim VfGH abgegebene - s. Punkt 1.2.1.) Wahlanfechtungsschrift wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1.1. Die Anfechtungswerberin trägt verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des §50 (Abs1 bis 4) LWO vor, der sie eine gleichheitswidrige Benachteiligung der nicht bereits im Landtag vertretenen wahlwerbenden Parteien zum Vorwurf macht. Es sei nicht garantiert, daß eine nicht schon im Landtag repräsentierte wahlwerbende Partei in jedem Wahlkreis den gleichen Listenplatz erhalte.

2.2.1.2. Die Landeswahlbehörde trat diesen Bedenken der Anfechtungswerberin ua. mit folgenden Argumenten entgegen:

"... Daß es im Ergebnis für noch nicht im Landtag vertretene wahlwerbende Parteien gemäß §50 Abs3 LWO 1985 in den Wahlkreisen zu unterschiedlichen Listenplätzen kommen kann, und zwar auch dann, wenn keine Losentscheidung erforderlich ist, ist letztlich als Konsequenz der Regelung des Art95 Abs3 B-VG, wonach das Landesgebiet in mehrere Wahlkreise einzuteilen ist (vgl. VfSlg. 8321/1978, 8852/1980), anzusehen. Diese Regelung hat nämlich zur Folge, daß die Wahl nach Wahlkreisen durchzuführen und daher eine Wahlwerbung und dgl. jeweils auf Wahlkreise abzustellen ist. Eine Regelung, die - wie §50 Abs3 LWO 1985 - von vornherein auf die Situation pro Wahlkreis abstellt, ist daher wegen Art95 Abs3 B-VG verfassungsrechtlich ausreichend abgedeckt. Problematisch aus verfassungsrechtlicher Sicht könnte allenfalls die hier nicht präjudizielle Regelung des §50 Abs2 LWO 1985, betreffend die 'Bevorzugung' der im Landtag bereits vertretenen Parteien, sein. Aber auch §50 Abs2 LWO 1985 erscheint keinesfalls als verfassungswidrig, wenn man bedenkt, daß die verfassungsrechtlich vorgesehenen Wahlen vom Grundsatz der Verhältniswahl beherrscht sind. Dies bedeutet ua., daß der Gesetzgeber die (wahlwerbenden) Parteien nach Maßgabe ihrer Stärke berücksichtigen kann. Ausdruck dieses verfassungsrechtlichen Prinzips sind zB die Regelungen der LWO 1985 über die verhältnismäßige Zusammensetzung der Wahlbehörden (§14 Abs3 und 4) oder Regelungen, die die Parteibezeichnung von wahlwerbenden Parteien schützen, die schon in einem allgemeinen Vertretungskörper vertreten sind (vgl. dazu VfSlg. 6195/1970 bzw. 8848/1980, wo eine solche Regelung offensichtlich als verfassungsrechtlich unproblematisch angesehen worden ist). Dem Gleichheitssatz kann es daher nicht widersprechen, wenn der Wahlrechtsgesetzgeber das spezifische Unterscheidungsmerkmal zwischen den wahlwerbenden Parteien, nämlich Vertretung im Landtag oder nicht, zum Anlaß der unterschiedlichen Regelung im §50 Abs2 und 3 LWO 1985 genommen hat und so auch den Grundsatz der Verhältniswahl entsprechend zum Tragen bringt. Von einer willkürlichen und derart gleichheitswidrigen Regelung kann daher bei §52 (gemeint: §50) Abs2 und 3 LWO 1985, die im übrigen mit den einschlägigen Regelungen der Nationalrats-Wahlordnung 1971 übereinstimmt, keinesfalls die Rede sein. Sie hält sich vielmehr durchaus im Rahmen der dem Wahlrechtsgesetzgeber von verfassungswegen zukommenden Gestaltungsfreiheit. Aber auch den einzelnen wahlwerbenden Parteien kommt eine Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich der Reihung der Listenplätze dadurch zu, daß sie eine Parteienvereinbarung hinsichtlich der Einreichung der Kreiswahlvorschläge treffen können. So hat zB die wahlwerbende Gruppe 'GRÜN-ALTERNATIVE - GAL' in einem Schreiben an die Landeswahlbehörde (siehe Akt der Landeswahlbehörde VII/7/7j) ein Einvernehmen angeboten und erklärt, mit dem Listenplatz 7 in allen Wahlkreisen einverstanden zu sein, doch war eine solche Regelung nach der einmal vollzogenen Losentscheidung nicht mehr möglich. Im übrigen wurde die Losentscheidung auf ausdrückliches Ersuchen aller neuen wahlwerbenden Gruppen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen, um ihnen rechtzeitig die Gewißheit über ihren Listenplatz zu geben und sie in ihrer Wahlwerbung nicht zu behindern ..."

2.2.2. Der VfGH vermag die Bedenken der Anfechtungswerberin ob der Verfassungsmäßigkeit des §50 LWO nicht zu teilen.

Gemäß Art95 Abs1 B-VG werden die Mitglieder der Landtage aufgrund des Verhältniswahlrechts gewählt. Dabei ist für Wahlen zu den Landtagen - worauf der VfGH schon wiederholt hinwies (VfSlg. 8321/1978 S 371, 8852/1980) - die Teilung des Landesgebietes in Wahlkreise angeordnet (Art95 Abs3 B-VG). Das bedeutet, daß das Verhältniswahlrecht für derartige Wahlen (ebenso wie für die Wahlen zum Nationalrat) vom Grundsatz der wahlkreisweisen Repräsentation geprägt wird (VfSlg. 8700/1979). Dieses verfassungsgesetzliche Gebot muß bei jeder Gestaltung des Verhältniswahlrechtes beachtet werden, bei welcher der Gesetzgeber im übrigen an kein bestimmtes System gebunden ist (VfSlg. 1381/1931, 1382/1931, 1932/1950, 6563/1971).

Demgemäß kann es entgegen der in der Anfechtungsschrift vertretenen Rechtsauffassung an sich nicht unsachlich sein, wenn der Landesgesetzgeber in §50 Abs3 LWO die Reihenfolge der Parteien in der Vorschlagsveröffentlichung iS des §50 Abs1 LWO nach Sachverhaltskriterien regelt, die in den einzelnen Wahlkreisen des Bundeslandes unterschiedlich beschaffen sein können, zumal ja eine wahlwerbende Partei durchaus nicht in jedem dieser Wahlkreise kandidieren muß. Ebensowenig kann aber der VfGH dem Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes entgegentreten, wenn §50 Abs2 LWO vorschreibt, daß zunächst jene Parteien zu reihen sind, die schon im zuletzt gewählten Landtag vertreten waren, weil das Ergebnis der letzten Wahl im gegebenen Zusammenhang einen durchaus sachgerechten Anknüpfungspunkt abgibt. So gesehen ist bei der gesetzlichen Festlegung der in Rede stehenden Reihungsbedingungen ein gewisser Spielraum gewährt, der keinesfalls überschritten wurde, wenn der Landesgesetzgeber - wie hier - in Schaffung eines "Kombinationssystems" zunächst auf das Ergebnis der letzten Wahl, dann auf den Zeitpunkt der Einreichung des jeweiligen Wahlvorschlages und (nicht ausschließlich, sondern erst) in letzter Linie auf den Losentscheid abstellt.

2.3. Nach §44 Abs3 Z1 LWO muß jeder Wahlvorschlag die "unterscheidende Parteibezeichnung in Worten und eine allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben" enthalten. Die Anfechtungswerberin hält dafür, daß diese Voraussetzungen für die drei kandidierenden "Grün"-Gruppierungen nicht erfüllt sind; sie ist mit ihrer Auffassung aber nicht im Recht. Die hier strittigen (von den wahlwerbenden Parteien in einer Vorbesprechung beim Amt der Landesregierung akzeptierten) Parteibezeichnungen lauten: "GRÜN-ALTERNATIVE (GAL)", "Vereinte GRÜNE Österreichs (Buchner) (VGÖ)" und "DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS (DGÖ)". Nun enthält zwar jede dieser Bezeichnungen das den Gesamteindruck bestimmende Wort "Grün(e)", doch ist im Fall der GAL das deutlich differenzierende Wort "Alternative", im Fall der VGÖ aber wieder der von den anderen Wahlparteien abgrenzende Zuname des - in der Öffentlichkeit schon wiederholt hervorgetretenen - Listenführers ("Buchner") beigefügt. Dazu kommt noch, daß alle drei "Grün-Parteien" zusätzlich durch eine verschiedenartige Kurzbezeichnung in Buchstaben (GAL, VGÖ, DGÖ) gekennzeichnet wurden. Der VfGH ist unter diesen Umständen der Meinung, daß diese - jeweils als unteilbares Ganzes aufzufassenden (VfSlg. 8848/1980) - Parteibezeichnungen, betrachtet man sie insgesamt, genügend individualisiert in der Bedeutung des §44 Abs3 Z1 LWO sind, sodaß nach allgemeiner Lebenserfahrung von einer - die Gefahr einer Verwechslung in sich bergenden - schweren Unterscheidbarkeit, welche die Kreiswahlleiter zur Einleitung eines (weiteren) Verfahrens iS des §45 Abs1 LWO verpflichtet hätte, keinesfalls gesprochen werden kann (vgl. etwa VfSlg. 3496/1959).

2.4.1. Ferner wird geltend gemacht, daß im Wahlkreis 5 ursprünglich "DIE GRÜNEN ÖSTERREICHS" auf Listenplatz 4 kandidieren sollten, ihre Bewerbung aber in der Folge zurückzogen. Im amtlichen Stimmzettel sei dann bei Liste 4 - rechtswidrig - der Vermerk "Wahlvorschlag zurückgezogen" aufgeschienen.

2.4.2. Wie immer der von der Anfechtungswerberin relevierte Stimmzettelvermerk ("Wahlvorschlag zurückgezogen") rechtlich zu beurteilen sein mag: Die Anfechtungswerberin kann durch die in Rede stehende Vorgangsweise der Wahlbehörde keinesfalls benachteiligt worden sein. Denn sie hätte bei der Landtagswahl auch dann nicht besser abzuschneiden vermocht, wenn der kritisierte Vermerk unterblieben wäre; betraf er doch gar nicht die Anfechtungswerberin selbst, sondern eine andere wahlwerbende Partei.

2.5.1.1. Die anfechtende Wahlpartei macht ferner der Sache nach - zusammengefaßt - geltend, daß die Vergabe der Listenplätze durch Losentscheidung rechtswidrig gewesen sei; dies deswegen, weil sich die Vertreter der "Vereinten GRÜNEN Österreichs (Buchner) (VGÖ)" in sämtlichen Wahlkreisen als erste vor den Ämtern der Wahlbehörden anstellten, um die Wahlvorschläge sofort nach Öffnung der Büros (frühestmöglich) überreichen zu können.

2.5.1.2. Die Landeswahlbehörde nahm dazu in ihrer Gegenschrift ua. folgendermaßen Stellung:

"Es stellt sich ... die Frage, ob dann, wenn zu dem unbestritten ehestmöglichen Zeitpunkt - das war bei der Landtagswahl 1985 der Beginn der Amtsstunden am 2. August 1985 (als Tag der Wahlausschreibung) - Vertreter verschiedener wahlwerbender Parteien (für die Kreiswahlbehörde wegen ihrer Anwesenheit erkennbar gleichzeitig) Anspruch auf Entgegennahme ihrer Kreiswahlvorschläge erheben, von einem gleichzeitigen Einbringen der Kreiswahlvorschläge gemäß §50 Abs3 LWO 1985 auszugehen ist.

Bei Beantwortung dieser Frage muß bedacht werden, daß die Bestimmungen der Wahlordnungen strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden müssen, 'soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden' (VfSlg. 8848/1980). Vor allem aus diesem Grund erscheint die Auffassung verfehlt, daß die Wahlvorschläge der wahlwerbenden Parteien in der Reihenfolge des Eintreffens ihrer Vertreter vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt (also bei der noch nicht geöffneten Dienststelle der Wahlbehörde) zu reihen sind, weil die Anrechnung von 'Vorwartezeiten' dieser Art im Wortlaut des Gesetzes keine Deckung findet und Vorwartezeiten mit dem faktischen Einbringen des Wahlvorschlages selbst unmittelbar nichts zu tun haben. Es wäre überdies widersprüchlich, einerseits davon auszugehen, daß Wahlvorschläge erst ab einem bestimmten Zeitpunkt rechtswirksam eingebracht werden können, andererseits aber im Weg der Anrechnung von 'Vorwartezeiten' Vorgängen rechtliche Relevanz beizumessen, die sich schon vor diesem Zeitpunkt abgespielt haben.

Umstände wie die Tatsache, daß der zur Entgegennahme der Wahlvorschläge bestimmte Bedienstete die Vorschläge mehrerer Parteien rein faktisch nur hintereinander entgegennehmen und beurteilen kann, oder der Umstand, daß der Eintritt in den zur Einbringung der Wahlvorschläge bestimmten Raum von mehreren Personen faktisch nur hintereinander erfolgen kann, können bei vernünftiger Gesetzesauslegung auf die zeitliche Reihenfolge bzw. die Gleichzeitigkeit der Einbringung keinen Einfluß ausüben. Die gegenteilige Ansicht würde Vertretern einzelner wahlwerbender Parteien ... ungerechtfertigte Vorteile verschaffen und bei konsequenter Verfolgung letztlich überhaupt zu einem Ausschluß der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen 'gleichzeitigen' Einbringung der Wahlvorschläge führen."

2.5.2. Der VfGH pflichtet der Landeswahlbehörde im Ergebnis bei.

Nach §44 Abs1 LWO haben wahlwerbende Parteien ihre Wahlvorschläge ("Kreiswahlvorschläge") spätestens am 21. Tag vor dem Wahltag bis 13 Uhr der Kreiswahlbehörde vorzulegen, die darauf den Tag und die Uhrzeit des Einlangens vermerkt. In der Veröffentlichung der - von der Kreiswahlbehörde abgeschlossenen - Vorschläge sind zunächst die im zuletzt gewählten Landtag vertretenen, erst dann - und zwar in der Reihenfolge des Zeitpunkts der Einbringung des jeweiligen Wahlvorschlags - die übrigen wahlwerbenden Parteien anzuführen (§50 Abs2 und 3 Satz 1 LWO).

Bei "gleichzeitig eingebrachten" Wahlvorschlägen entscheidet über die Reihenfolge die Kreiswahlbehörde durch Los (§50 Abs3 Satz 2 LWO). Die "Einbringung" des Vorschlags, von der in §50 Abs3 Satz 2 LWO die Rede ist, entspricht also - legt man das Gesetz strikt nach seinem Wortlaut aus - der Vorlage bei der Kreiswahlbehörde iS des §44 Abs1 LWO. Daraus folgt, daß Kreiswahlvorschläge dann - iS des §50 Abs3 Satz 2 LWO - "gleichzeitig eingebracht" sind, wenn sie der Kreiswahlbehörde zum selben Zeitpunkt vorgelegt werden. Dabei kann es aber, wie die Landeswahlbehörde zutreffend herausstellt, keineswegs darauf ankommen, ob und wie lange die Vertreter der wahlwerbenden Parteien - für die Behörde im allgemeinen nicht ohne besonderes Beweisverfahren feststellbar - vor der Dienststelle warten, um sogleich nach Beginn der Dienststunden eingelassen zu werden; das Gesetz stellt ja auf die Vorlage der Vorschläge im Amt, nicht auf mögliche "Wartezeiten" vor Dienstbeginn ab. Dabei kann nur ausschlaggebend sein, ob mehrere Parteienvertreter in der Dienststelle (Einlaufstelle) - zur Überreichung der Wahlvorschläge - gleichzeitig eintreffen und anwesend sind, ohne daß es hier eine Rolle spielt, welchem von ihnen es als erstem gelingt, die schriftlichen Vorschläge dem Bediensteten der Einlaufstelle tatsächlich auszuhändigen. Wollte man nicht auf die gleichzeitige Anwesenheit in der Einlaufstelle, sondern auf die Reihenfolge der Entgegennahme der Eingaben der gleichzeitig anwesenden Parteienvertreter abstellen, läge die strittige Entscheidung weitgehend im Belieben des entgegennehmenden Amtsorgans; eine "gleichzeitige Einbringung", wie sie §50 Abs3 Satz 2 LWO im Auge hat, wäre dann im Regelfall gar nicht möglich.

2.6.1.1. Die Anfechtungswerberin rügt als weitere Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens sinngemäß, daß in sämtlichen Wahllokalen Plakate mit dem Text "Wähle gültig" und der Abbildung eines sechs Listennummern aufweisenden Stimmzettels angebracht gewesen seien, obgleich die VGÖ etwa im Wahlkreis 1 auf Listenplatz 7 kandidiert habe.

2.6.1.2. Die Landeswahlbehörde gab dazu ua. folgende Stellungnahme ab:

"... Das allen Gemeindewahlbehörden auf Kosten der Landesregierung für jedes Wahllokal zur Verfügung gestellte Plakat (siehe Akt der Landeswahlbehörde III/Drucksortenmuster, laufende Nr. 42, 43) mit der Überschrift 'Wähle gültig' hatte lediglich die Aufgabe, den Wähler unmittelbar vor der Stimmabgabe noch einmal daran zu erinnern, daß er die von ihm zu wählende Partei durch Ankreuzen in dem vorgegebenen Kreis bezeichnen soll. Für eine solche Information erscheint es aber völlig bedeutungslos, ob auf dem Plakat vier, fünf, sechs oder sieben leere Rubriken vorgesehen sind. Das Plakat konnte daher wegen dieses, auf rein Technisches beschränkten Inhaltes eine Benachteiligung oder Bevorzugung einer bestimmten Wählergruppe nicht herbeiführen. Es wird im übrigen unverändert seit Jahrzehnten bei verschiedenen Wahlen unbeanstandet verwendet, auch wenn nur vier oder fünf wahlwerbende Parteien kandidieren ..."

2.6.2. Die Rüge versagt schon deshalb, weil die Stimmzettel, die auf den strittigen, einzig und allein zur Abgabe einer gültigen Stimme auffordernden Plakaten in den Wahllokalen abgebildet waren, lediglich eine fortlaufende Listennumerierung, aber keine Parteibezeichnungen zeigten. Diese Plakate - eines davon wurde dem VfGH zur Einsicht vorgelegt - vermitteln also in nur allgemein-illustrativer Art das Gesamtbild eines Stimmzettels (für die Wahlen 1985), ohne sich wie auch immer auf konkrete wahlwerbende Parteien zu beziehen, sodaß die Zahl der Listenplätze völlig in den Hintergrund tritt. Die Befürchtung der Anfechtungswerberin, die Bevölkerung hätte über die Anzahl der tatsächlich kandidierenden Parteien irregeführt werden können, geht von einer Unterschätzung der Wähler aus; sie ist unter den obwaltenden Umständen völlig unbegründet.

2.7. Allein schon aus diesen Erwägungen war der unbegründeten Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

Schlagworte

Wahlen, Wahlvorschlag, Parteibezeichnung, Verhältniswahl, VfGH / Wahlanfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:WI15.1985

Dokumentnummer

JFT_10139689_85WI0015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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